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Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum hundertsten Jubiläum der deutsch-afghanischen Freundschaft in Kabul
Herr Präsident,
Herr Regierungsvorsitzender,
Herr Minister,
Exzellenzen,
meine Damen und Herren,
haben Sie vielen Dank für den herzlichen Empfang, Herr Präsident. Jedes Mal, wenn ich Afghanistan besuche, merke ich: Wir sind hier unter Freunden.
Der Grundstein für diese Freundschaft wurde vor einhundert Jahren gelegt. 1915 nahm die erste deutsche Gesandschaft nach einer abenteuerlichen Reise offiziell Kontakt mit der afghanischen Seite auf. Am Anliegen dieser Mission mitten im Ersten Weltkrieg gibt es nichts zu beschönigen: Ihre politischen Ziele waren zweifelhaft, der Ausgang erfolglos. Und dennoch legte diese Begegnung den Grundstein für eine besondere Beziehung zwischen unseren Ländern. Eine Beziehung, in der Deutschland Afghanistan von Anfang an als unabhängig und gleichberechtigt angesehen hat.
Schon bald waren mehr als 200 deutsche Experten in Afghanistan tätig. Es wurden Wasserkanäle gebaut, Telegraphenleitungen verlegt, Schulen errichtet. 1922 traf eine erste Gruppe von jungen Afghanen zum Studium in Deutschland ein. Und 6 Jahre später, 1928, stattete König Amanullah Deutschland einen Staatsbesuch ab. Aus diesem Jahr stammt auch das Schulabkommen, dessen Faksimile ich Ihnen, Herr Präsident, heute überreichen durfte. Dass wir dieses Dokument ausgewählt haben, kommt nicht von ungefähr. Denn die Bildungszusammenarbeit zwischen unseren Ländern spielt auch heute eine entscheidende Rolle.
Meine Damen und Herren,
Freunde, so heißt es, erkennt man in der Not. Für kein anderes Land der Welt hat Deutschland finanziell mehr Entwicklungshilfe geleistet als für Afghanistan. Seit dem Ende des Taliban-Regimes hat sich in Afghanistan das Pro-Kopf-Einkommen mehr als verdoppelt. Viele Mädchen und Jungen können zur Schule gehen. Der erste friedliche Machtwechsel hat sich im vergangenen Jahr vollzogen. Das ist dem Aufbauwillen des afghanischen Volkes zu verdanken, aber auch einer beispiellosen internationalen Unterstützung. Wir sind unseren Entwicklungshelfern und Soldaten dankbar, die hier unter schwierigen Umständen arbeiten. 55 deutsche Soldaten und drei Bundespolizisten haben hier ihr Leben verloren. Ihnen gilt unser Gedenken.
Meine Damen und Herren,
Afghanistan steht an einer Wegscheide. Die Übernahme der Sicherheitsverantwortung stellt die afghanischen Streitkräfte vor eine große Herausforderung. Immer noch fallen fast täglich Zivilisten Gewalt zum Opfer.
Aber es gibt auch Zeichen der Hoffnung: Zum ersten Mal haben direkte innerafghanische Friedensgespräche stattgefunden. Diese Chance darf nicht vertan werden.
Deutschland will Afghanistan weiter unterstützen - im zivilen Bereich ebenso wie bei der Ertüchtigung der afghanischen Sicherheitskräfte. Unser Ziel ist klar: Afghanistan muss auf eigenen Füßen stehen, um für Stabilität und Entwicklung sorgen zu können. Dazu gehört auch, dass Reformen jetzt dringend angegangen werden, um wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen.
Verehrter Herr Präsident,
„Wie bisher soll fortan zwischen Deutschland und Afghanistan unverletzlicher Friede und aufrichtige dauernde Freundschaft herrschen.“ - so hieß es damals im Freundschaftsvertrag. Und besser kann ich es auch heute nicht sagen. Möge unsere Freundschaft blühen und gedeihen!