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Warum auch die Arktis die Außenpolitik beschäftigt

Das ewige Eis

„Das ewige Eis“, © dpa Themendienst

12.04.2024 - Artikel

Wer darf den Arktischen Ozean nutzen, wer das Meer und den Meeresboden ausbeuten? Deutschland setzt sich international dafür ein, dass wirtschaftliche Interessen und Umweltschutz in Einklang stehen.

Die Folgen des Klimawandels in der Arktis sind schon heute dramatisch. Die Arktisregion erwärmt sich dreimal so schnell wie mittlere Breitengrade der Welt, weil durch das schmelzende Polareis die Fläche kleiner wird, die die Sonnenstrahlung ins All reflektiert. Der Klimawandel macht sich hier also am frühesten und am deutlichsten bemerkbar. Die arktische Sommereisfläche hat sich seit den 1980er Jahren ungefähr halbiert. Das entspricht ungefähr einer Fläche mehr als neunmal so groß wie Deutschland. Die arktische Wintereisfläche hat 2023 einen neuen Negativrekord erreicht. Mit dieser dramatischen Schrumpfung sind Risiken verbunden, darunter ein Anstieg des Meeresspiegels und die Freisetzung von Treibhausgasen infolge des Auftauens von Permafrostböden.

Trotz allem birgt das aber auch Chancen. Das Nordpolarmeer und seine Ressourcen werden leichter zugänglich und mittelfristig nutzbar. In schätzungsweise 20 bis 30 Jahren wird der Arktische Ozean in den Sommermonaten eisfrei und damit zunehmend schiffbar sein. 2007 war erstmals einer der arktischen Haupt-Schifffahrtswege – die so genannte Nordwestpassage vor Kanada – vom Pazifik bis zum Atlantik eisfrei und damit schiffbar. Und auch die Nordostpassage wird von Reedern in den Sommermonaten als wirtschaftliche Alternative auf dem Weg nach Asien in Erwägung gezogen.

Die Arktis erstreckt sich über ein Gebiet von rund 20 Millionen Quadratkilometern zwischen Nordpol und 66˚33’ nördlicher Breite. Ihre Fläche ist mehr als sechsmal so groß wie die des Mittelmeers. Etwa die Hälfte ist Festland mit den ihm vorgelagerten Inseln, die andere Hälfte bildet der Arktische Ozean. Dieser Ozean wird von fünf sogenannten „Polarstaaten“ – den Arctic Five - eingerahmt: Norwegen (mit Spitzbergen), Russische Föderation (mit Sibirien), Vereinigte Staaten von Amerika (mit Alaska), Kanada und Dänemark (mit Grönland). Die wirtschaftlichen Perspektiven der Region führen zu vermehrten Ansprüchen der Anrainer: So setzte etwa ein russischer Duma-Abgeordneter 2007 von Bord eines U‑Boots aus eine russische Titan-Flagge auf den nordpolnahen Meeresboden. Völkerrechtlich hat das allerdings keinerlei Auswirkungen. Eine Reihe weiterer nationaler Erkundungsreisen sind im Gange, auch zur Erforschung der Reichweite von Festlandsockeln. Kanada erwägt den Bau eines arktischen Tiefseehafens südöstlich von Resolute Bay.

Welche internationalen Organisationen und Institutionen beschäftigen sich mit der Arktis?

Verschiedene Einrichtungen sind mit arktischen Umweltbelangen und Fragen der Festlandsockel und Bodenschätze befasst:

Im Oktober 1996 wurde der Arktische Rat – Arctic Council – in Ottawa gegründet. Ihm gehören neben den fünf arktischen Polarstaaten (Dänemark, Kanada, Norwegen, Russische Föderation, Vereinigte Staaten von Amerika) auch Island, Schweden und Finnland an – daher wird oft auch von „acht“ Arktisstaaten gesprochen. Hinzu kommen sog. Permanent Participants (sechs Organisationen, die die indigenen Gruppen der Arktis vertreten) sowie zahlreiche Beobachter, darunter dreizehn Staaten einschließlich Deutschlands. Eine der Hauptaufgaben des Rates ist die Umsetzung der Arctic Environmental Protection Strategy von 1991. Der Rat ist ein politischer Zusammenschluss, dessen Beschlüsse Empfehlungscharakter haben und auf Analysen und Auswertungen einzelner Arbeitsgruppen im Rat beruhen. 2013 wurde das Ständige Sekretariat des Arktischen Rats in Tromsø (Norwegen) eröffnet. In Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wurden die formellen politischen Treffen des Rats bis auf weiteres ausgesetzt.

Große Teile des arktischen Meeresbodens und des Meeresuntergrunds, die jenseits der Bereiche nationaler Hoheitsbefugnisse liegen, genießen nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ einen besonderen Status. Verwaltet wird das wertvolle Territorium von der Internationalen Meeresbodenbehörde. Dieses Gremium reguliert die Ressourcennutzung und ist verantwortlich für den Schutz des Lebensraums in der Tiefsee vor schädlichen Einflüssen des Bergbaus.

Demgegenüber ist die sog. Festlandsockelgrenzkommission mit Sitz in New York die zentrale Institution für die Bestimmung der Festlandsockelgrenzen der Anrainerstaaten, innerhalb derer sie die natürlichen Ressourcen des Meeresbodens und des Meeresuntergrunds exklusiv erforschen und nutzen können. Die seit 1997 bestehende Kommission ist ein internationales Organ, das ebenfalls auf dem Seerechtsübereinkommen beruht. Ihr gehören Mitglieder aus 21 Staaten als Experten auf dem Gebiet der Geologie, Geophysik oder Hydrografie an, die in festen Abständen neu gewählt werden. Die Kommission gibt mit Zweidrittelmehrheit Empfehlungen ab, aufgrund derer ein Küstenstaat seinen Festlandsockel über die im Seerechtsübereinkommen als Regelfall vorgesehene Maximalgrenze von 200 Seemeilen ausdehnen kann. Norwegen hat 2009 als erster Arktisstaat entsprechende Empfehlungen über einen erweiterten Festlandsockel in der Arktis erhalten. Darüber hinaus hat die Festlandsockelgrenzkommission im Jahre 2016 auch einen erweiterten russischen Festlandsockel in der Arktis anerkannt. Der Kommission liegen gegenwärtig Anträge von Dänemark (die Färöer und Grönland) und Kanada über erweiterte arktische Festlandsockel vor.

Deutschland ist zudem Vertragspartei des Spitzbergenvertrags von 1920 und hat seit 1998 Beobachterstatus im Arktischen Rat. Deutschland setzt sich für eine verbesserte Beteiligung der Beobachter im Rat sowie die Aufnahme neuer Beobachter wie z.B. der Europäischen Union ein, um eine aktive EU-Arktispolitik zu fördern.

Die Bundesrepublik steht mit an der Spitze der internationalen Polarforschung. Das Alfred-Wegener-Institut (AWI) arbeitet seit mehr als 30 Jahren in der Arktis. Es ist eines der wenigen Institute weltweit, die das Nordpolargebiet und den Arktischen Ozean langfristig interdisziplinär naturwissenschaftlich erforschen - vom Meeresboden bis in die Atmosphäre, vom Ökosystem bis in die Erdgeschichte. Das AWI unterhält zusammen mit Frankreich auf Spitzbergen (Svalbard) die wichtige polare Forschungsstation AWIPEV.

Die erste Gruppe der Wissenschaftler auf der neuen Scholle
Die erste Gruppe der Wissenschaftler auf der neuen Scholle© Esther Horvath, Alfred-Wegener-Institut

Mit dem Forschungsschiff „Polarstern“ engagiert sich Deutschland seit Jahren auch auf dem Gebiet der polaren Forschungsschifffahrt. So fand von September 2019 bis Oktober 2020 unter Leitung des AWI die multinationale MOSAiC-Expedition statt – die bislang größte Polarexpedition zur Erforschung des arktischen Klimasystems.

Forschungsaktivitäten des AWI werden auch in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) durchgeführt. Geologische, aeromagnetische und geophysikalische Messungen auf Land, in der Luft und auf See stellen dabei einen überregionalen Arbeitsschwerpunkt der BGR dar, der dazu beitragen soll, den Aufbau und die Entstehung der Erdkruste in der Arktis verstehen zu können.

Welche Anliegen unterstützt Deutschland konkret?

Deutschland setzt sich nachdrücklich für Umweltschutz und Nachhaltigkeit aller wirtschaftlichen Aktivitäten in der Arktisregion ein. Sie befürwortet eine effiziente Umsetzung der Umweltvorgaben des Seerechtsübereinkommens in einem rechtsverbindlichen Handlungsrahmen, insbesondere vorbeugende und effektive multilaterale Maßnahmen zum Schutz vor Öl- und sonstiger Verschmutzung.

Das Seerechtsübereinkommen sieht eine solche Zusammenarbeit zum Schutz und zur Bewahrung der Meeresumwelt ausdrücklich vor – weltweit oder regional. Angesichts der überragenden Bedeutung des Klimaschutzes ist die Erhaltung der einzigartigen Klimabedingungen in der Arktis ein prioritäres Anliegen. Einen Schwerpunkt soll dabei in Zukunft das Übereinkommen im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt der Meere in Gebieten außerhalb nationaler Hoheitsgewalt (BBNJ-Übereinkommen) einnehmen.

Das BBNJ-Übereinkommen ist der erste multilaterale Vertrag, der den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt der Meere in Gebieten außerhalb nationaler Hoheitsgewalt einheitlich regelt und hat das Potenzial, ein neues Zeitalter für den ökologischen Schutz der Arktis einzuleiten. Deutschland hat als eines der ersten Länder unterschrieben und setzt sich für eine zügige Ratifizierung und Umsetzung des Abkommens ein.

Neben der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kooperation in der Arktis, unterstützt Deutschland ferner alle EU- und UN-Bemühungen zur Wahrung und Förderung der Freiheit der Meeresforschung.

Auch Schifffahrtsbelange müssen aus Sicht Deutschlands im Auge behalten werden. Die Bundesrepublik setzt sich bei der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation dafür ein, dass strikte umweltrechtliche Vorgaben bei der Regelung von Arktis-Durchfahrten beachtet werden.

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