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Die Arktis
Wer darf den Arktischen Ozean nutzen, wer das Meer und den Meeresboden ausbeuten? Deutschland setzt sich international dafür ein, dass wirtschaftliche Interessen und Umweltschutz in Einklang gebracht werden.

Die Folgen des Klimawandels in der Arktis sind schon heute dramatisch. Die Arktisregion erwärmt sich dreimal so schnell wie mittlere Breitengrade der Welt, weil durch das schmelzende Polareis die Fläche kleiner wird, die die Sonnenstrahlung ins All reflektiert. Der Klimawandel macht sich hier also am frühesten und am deutlichsten bemerkbar (Arktis als „Frühwarnsystem“). Die arktische Sommereisfläche ist in den letzten Jahren um eine Fläche viermal so groß wie Deutschland geschrumpft. Im Sommer 2012 hatte das arktische Meereis die geringste Ausdehnung seit Beginn der systematischen Beobachtung.
Den damit verbundenen Risiken, darunter ein Anstieg des Meeresspiegels und die Freisetzung von Treibhausgasen infolge des Auftauens von Permafrostböden, stehen Chancen gegenüber. Das Nordpolarmeer und seine Ressourcen werden leichter zugänglich und mittelfristig nutzbar. In schätzungsweise 20 bis 30 Jahren wird der Arktische Ozean in den Sommermonaten eisfrei und damit zunehmend schiffbar sein. 2007 war erstmals einer der arktischen Haupt-Schifffahrtswege – die so genannte Nordwestpassage vor Kanada – vom Pazifik bis zum Atlantik eisfrei und damit schiffbar. Und auch die Nordostpassage wird von Reedern in den Sommermonaten als wirtschaftliche Alternative auf dem Weg nach Asien in Erwägung gezogen. 2010 kam es zu Umfahrungen des Arktischen Ozeans auf beiden Schifffahrtswegen durch deutsche Forschungs-, Passagier- und Handelsschiffe.
Die Arktis erstreckt sich über ein Gebiet von rund 20 Millionen Quadratkilometern zwischen Nordpol und 66˚33’ nördlicher Breite. Ihre Fläche ist mehr als sechsmal so groß wie die des Mittelmeers. Etwa die Hälfte ist Festland mit den ihm vorgelagerten Inseln, die andere Hälfte bildet der Arktische Ozean. Dieser Ozean wird von fünf so genannten „Polarstaaten“ eingerahmt: Norwegen (mit Spitzbergen), Russische Föderation (mit Sibirien), Vereinigte Staaten von Amerika (mit Alaska), Kanada und Dänemark (mit Grönland). Island gilt als „sub-arktischer“ Staat. Die arktischen Polarstaaten sind eine kleine Gruppe, zu denen seit 1979 auch die Bundesrepublik Deutschland gehört.
Die wirtschaftlichen Perspektiven führen zu vermehrten Ansprüchen der Anrainer: So setzte etwa der russische Duma-Abgeordnete Arthur Tschilingarov Ende Juli 2007 von Bord eines U‑Boots aus eine russische Titan-Flagge auf den nordpolnahen Meeresboden. Eine Reihe weiterer nationaler Erkundungsreisen sind im Gange, auch zur Erforschung der Reichweite von Festlandsockeln. Kanada erwägt einen arktischen Tiefseehafen südöstlich von Resolute Bay.
Hintergrundinformationen zur Rechtsordnung in der Arktis finden Sie hier:
Welche internationalen Organisationen und Institutionen beschäftigen sich mit der Arktis?
Verschiedene Einrichtungen sind mit arktischen Umweltbelangen und Fragen der Festlandsockel und Bodenschätze befasst:
Im Oktober 1996 wurde der Arktische Rat – Arctic Council – in Ottawa gegründet. Ihm gehören neben den fünf arktischen Polarstaaten (Dänemark, Kanada, Norwegen, Russische Föderation, Vereinigte Staaten von Amerika) und Island auch Schweden und Finnland an – daher wird oft auch von „acht“ Arktisstaaten gesprochen. Hinzu kommen sog. Permanent Participants (sechs indigene Gruppen) sowie zahlreiche Beobachter, darunter sechs Staaten einschließlich Deutschland. Eine der Hauptaufgaben des Rates ist die Umsetzung der Arctic Environmental Protection Strategy von 1991. Der Rat ist ein politischer Zusammenschluss, dessen Beschlüsse nicht rechtsverbindlich sind. 2013 ist das neue Ständige Sekretariat des Arktischen Rats in Tromsö (Norwegen) eröffnet worden.

Große Teile des arktischen Meeresbodens und des Meeresuntergrunds, die jenseits der Bereiche nationaler Hoheitsbefugnisse liegen, genießen nach dem Seerechtsübereinkommen (SRÜ) der Vereinten Nationen als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ einen besonderen Status. Demgegenüber ist die Festlandsockelgrenzkommission (FSGK) – Commission on the Limits of the Continental Shelf – mit Sitz in New York das zentrale Gremium für die Bestimmung der Festlandsockelgrenzen der Anrainerstaaten, innerhalb derer sie die natürlichen Ressourcen des Meeresbodens und des Meeresuntergrunds exklusiv erforschen und nutzen können. Die seit 1997 bestehende FSGK ist ein internationales Organ, das auf dem SRÜ beruht. Ihr gehören Mitglieder aus 21 Staaten als Experten auf dem Gebiet der Geologie, Geophysik oder Hydrografie an, die in festen Abständen neu gewählt werden. Die Kommission gibt mit Zweidrittelmehrheit Empfehlungen ab, aufgrund derer ein Küstenstaat seinen Festlandsockel über die im SRÜ als Regelfall vorgesehene Maximalgrenze von 200 Seemeilen ausdehnen kann. Norwegen hat als erster Arktisstaat entsprechende Empfehlungen erhalten (2009). Der FSGK liegen gegenwärtig Anträge von Russland, Dänemark (Faroe und Grönland) und Kanada über erweiterte arktische Festlandsockel vor.
Deutschland steht mit an der Spitze der internationalen Polarforschung: Unter anderem sind zu erwähnen: Auf Spitzbergen (Svalbard) unterhält das deutsche Alfred-Wegener-Institut zusammen mit Frankreich die wichtige polare Forschungsstation Koldewey. Mit dem Forschungsschiff „Polarstern“ setzt Deutschland seit Jahren wichtige Zeichen auf dem Gebiet der polaren Forschungsschifffahrt. Die 2009 eröffnete Forschungsstation „Neumayer III“ in der Antarktis steht für die Polaraktivitäten im Süden der Erdkugel und setzt neue technologische und Umwelt-Maßstäbe. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) verfügt über erhebliches Expertenwissen zu polarer Geologie.
Mit einem nationalen Workshop und erfolgreichen internationalen Konferenzen zur Arktis im März 2008, 2009 und 2011 in Berlin beteiligt sich Deutschland aktiv an der Diskussion über die Zukunft der Arktis. Im Jahr 2013 fand ein gemeinsamer deutsch-norwegischer Workshop zu arktischen Fragen im Auswärtigen Amts statt. Deutschland ist Vertragspartei des Spitzbergenvertrags von 1920 und hat einen ständigen Beobachterstatus im Arktischen Rat. Was das Südpolargebiet betrifft, ist Deutschland Mitglied des Antarktisvertrags von 1959 mit dem Status einer stimmberechtigten Konsultativertragspartei.
Auch wirtschaftlich ist die Arktisregion für Deutschland von Bedeutung. Deutsche Unternehmen sind wichtige Abnehmer von norwegischem und russischem Öl und Gas. Sie arbeiten bei der Erschließung von Gasvorkommen mit Unternehmen in Norwegen und der Russischen Föderation zusammen. Deutsches technisches Know-how kommt zum Einsatz.
Welche Anliegen unterstützt Deutschland konkret?
Deutschland setzt sich nachdrücklich für die Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit aller wirtschaftlichen Aktivitäten in der Arktisregion ein. Sie befürwortet eine effiziente Umsetzung der Umweltvorgaben des SRÜ in einem rechtsverbindlichen Handlungsrahmen, insbesondere vorbeugende und effektive multilaterale Maßnahmen zum Schutz vor Öl- und sonstiger Verschmutzung. Das SRÜ sieht eine solche Zusammenarbeit zum Schutz und zur Bewahrung der Meeresumwelt ausdrücklich vor – weltweit oder regional. Angesichts der überragenden Bedeutung des Klimaschutzes ist die Erhaltung der einzigartigen Klimabedingungen in der Arktis ein prioritäres Anliegen.
Der Arktische Rat sollte bei diesem Anliegen künftig eine noch größere Rolle spielen. Deutschland setzt sich für eine verbesserte Beteiligung der Beobachter im Rat sowie neue Beobachter wie z.B. die Europäische Union ein. Deutschland unterstützt die intensiven Bemühungen der EU um eine aktive EU-Arktispolitik.
Die Freiheit der Meeresforschung muss bewahrt, wissenschaftliche wie auch wirtschaftliche Kooperation gefördert werden. Deutschland unterstützt alle EU- und VN-Bemühungen in dieser Richtung.
Auch Schifffahrtsbelange müssen aus Sicht Deutschlands als weltweit drittgrößte Handelsflottennation im Auge behalten werden: Zwar wird die Intensivierung der Schifffahrt durch die arktischen Passagen noch einige Zeit auf sich warten lassen; doch schon jetzt wirkt die Bundesrepublik darauf hin, dass strikte umweltrechtliche Vorgaben bei der Regelung von Arktis-Durchfahrten beachtet werden.