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„Ein Land, zwei Systeme“ – Historischer Kompromiss und Formel für Hongkongs Zukunft

Blick über die Hongkonger Skyline

Hongkong genießt innerhalb Chinas einen Sonderstatus., © Imaginechina/dpa

29.05.2020 - Artikel

Der Beschluss des Nationalen Volkskongresses, ein neues Sicherheitsgesetz für Hongkong zu erlassen, wirft ein Schlaglicht auf den Sonderstatus der ehemaligen Kronkolonie. Die Einhaltung der Prinzipien, die seit 1997 für Honkgkong gelten, wird eine Schlüsselfrage für Hongkongs Zukunft sein.

Der Beschluss des chinesischen Nationalen Volkskongresses, ein neues Sicherheitsgesetz für Hongkong zu erlassen, wirft ein Schlaglicht auf den Sonderstatus der ehemaligen britischen Kronkolonie innerhalb Chinas. Die politischen Prinzipien, die seit 1997 für Honkgkong gelten, sind ein historischer Kompromiss, der weltweit wohl einmalig ist. Die Einhaltung der damals erreichten Übereinkunft wird eine Schlüsselfrage für Hongkongs Zukunft innerhalb Chinas sein.

Historisches Erbe der Kolonialzeit

China musste Hongkong nach dem Ersten Opiumkrieg (1839 bis 1842) an Großbritannien abtreten. Ein 1898 geschlossener Pachtvertrag über weitere Teile des Hongkonger Territoriums galt für 99 Jahre. Als die Briten in der Nacht zum 1. Juli 1997 den Union Jack am Hongkonger Victoria Harbour einholen, geht die gesamte Kronkolonie nach über 150 Jahren schließlich an die Volksrepublik China über. Nach schwierigen Verhandlungen zwischen der britischen Premierministerin Margaret Thatcher und Chinas Staatsführer Deng Xiaoping unterzeichneten China und Großbritannien 1984 die „Gemeinsame Erklärung“, die den zukünftigen Status der Stadt festlegte.

Formel für Koexistenz verschiedener Systeme

Margaret Thatcher trifft Deng Xiaoping im Jahr 1982 in Peking
Margaret Thatcher trifft Deng Xiaoping im Jahr 1982 in Peking© dpa

Auf der Basis dieser Erklärung wird Hongkong 1997 ein Teil der Volksrepublik China. Nach der Formel „Ein Land, zwei Systeme“ behält Hongkong aber als Sonderverwaltungsregion seine freie Marktwirtschaft, seine eigene Währung, sein eigenes Rechtswesen, eigene Gesetze, ein politisches System mit demokratischen Elementen und garantierten bürgerlichen Freiheiten wie der Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit.

Zu Festlandchina, das vor allem für die Außen- und Verteidigungspolitik zuständig ist, besteht eine sichtbare und kontrollierte Grenze. Diesen halbautonomen Sonderstatus soll die Stadt 50 Jahre lang behalten, also bis 2047.

Hongkongs Bevölkerung beharrt auf ihren garantierten Rechten

Im ersten Jahrzehnt nach der Übergabe funktioniert dieses Arrangement für beide Seiten weitgehend reibungslos. Zunehmend verlangen jedoch vor allem junge Hongkongerinnen und Hongkonger mehr Mitsprache, ökonomische Perspektiven und eine Demokratisierung, so wie sie das Hongkonger „Basic Law“ als Ziel in Aussicht stellt. Sie fordern etwa die demokratische Wahl des Regierungschefs oder der Regierungschefin, die bislang nicht unmittelbar durch Wahlen, sondern durch ein Wahlgremium bestimmt wird.

Seit 2010 kommt es daher immer wieder zu Massenprotesten und Straßenbesetzungen, die weltweit Aufmerksamkeit erregen. Debatten über ein umstrittenes Auslieferungsgesetz 2019 und der aktuelle Beschluss des chinesischen Nationalen Volkskongresses über ein neues Sicherheitsgesetz verschärfen die Spannungen weiter und nähren Befürchtungen über einen möglichen Abbau bürgerlicher Freiheiten und des garantierten Sonderstatus von Hongkong insgesamt.

Bundesregierung und Europäische Union fordern Respekt für Autonomie Hongkongs

Aus Sicht der deutschen Bundesregierung müssen der Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ und die im Basic Law verankerten Grundrechte der Hongkongerinnen und Hongkonger gewahrt bleiben, insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit. Notwendig sind nun Besonnenheit und deeskalierende Schritte auf beiden Seiten. Zu den aktuellen Entwicklungen sagte Außenminister Heiko Maas:

Das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ und Rechtsstaatlichkeit sind letzten Endes die Grundlage für die Stabilität und den Wohlstand Hongkongs. Auch das Sicherheitsgesetz darf diese Grundsätze nicht in Frage stellen. Meinungs- und Versammlungsfreiheit und auch die demokratische Debatte in Hongkong müssen auch in Zukunft respektiert werden.

Auch die Europäische Union hat in einer Erklärung des Hohen Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik zu den Beratungen über ein neues Sicherheitsgesetz die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung von Hongkongs Autonomie betont und Respekt für die Rechte und Freiheiten in Hongkong sowie eine demokratische Debatte über das Gesetzgebungsverfahren gefordert. Die gesamte Erklärung finden Sie hier.

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