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Rede von Europa-Staatsminister Michael Roth zur Eröffnung des Migrationsdialogs im Rahmen des Deutsch-Tschechischen Strategischen Dialogs in Prag

28.11.2016 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort--

Sehr geehrte Damen und Herren,

bereits zum dritten Mal treffen wir uns heute im Format des Deutsch-Tschechischen Migrationsdialogs. Ich bin sehr froh, dass Vladimir Spidla und ich Anfang 2016 diesen erfolgreichen Dialog für einen intensiven und konstruktiven Erfahrungsaustausch zwischen unseren beiden Ländern ins Leben gerufen haben.

Die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Rahmen des Dialogs hilft uns, die gesamteuropäischen Bewährungsproben im Flüchtlings-, Migrations- und Integrationsbereich zu bestehen und gemeinsam nach europäischen Lösungen zu suchen.

Die Fähigkeit zum Dialog ist etwas, was wir uns unbedingt erhalten müssen. Denn wir werden die großen Aufgaben, vor denen Europa steht nur miteinander und nicht gegeneinander lösen können.

Dialog bedeutet aber nicht, nur Gleichgesinnte an einem Tisch zu versammeln. Nein, wir brauchen die Kontroverse, die unterschiedlichen Meinungen und Standpunkte: Das alles ist ziemlich anstrengend, aber auch bereichernd. Wir dürfen niemals aufhören, unserem Gegenüber zuzuhören. Wir müssen an den Erfahrungen unserer Partner ehrliches Interesse haben und auch offen für Ratschläge sein. Und wir dürfen unsere Gemeinsamkeiten nicht aus den Augen verlieren.

Deutschland hat in der Flüchtlingsfrage gezeigt, dass eine Gesellschaft es schaffen kann, 900.000 geflüchtete Menschen aufzunehmen. Wir freuen uns über das Interesse unserer tschechischen Kollegen mehr darüber zu erfahren, wie wir das geschafft haben.

Ohnehin haben wir bereits bei unseren letzten Treffen festgestellt, dass wir in einer Reihe von Fragen übereinstimmen. Der Migrationsdialog hilft uns dabei.

Der Dialog stellt Gemeinsamkeiten zwischen unseren beiden Staaten in der Migrationspolitik heraus, insbesondere bei den Integrationsbemühungen.

Das haben die Projektbesuche der tschechischen Delegation im Juni in Berlin gezeigt und ich bin sicher, dass wir auch heute bei den Begegnungen in Prag viele gemeinsame Ansatzpunkte entdecken werden. Integrationspolitik muss sich an Solidarität, gemeinsamer Verantwortung und Menschlichkeit messen lassen – darin sind wir einer Meinung.

Eine weitere Frage, in der wir uns sehr einig sind, ist die Notwendigkeit der Bekämpfung von Fluchtursachen. Das ist dringend notwendig. Denn solange wir bei der Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge keine Fortschritte erzielen, wird Europa auch weiterhin Zufluchtsort für eine große Zahl an Schutzbedürftigen bleiben.

In unseren heutigen Delegationen sind Experten, die uns dazu Auskunft geben können, was Deutschland und Tschechien bereits leisten und an welchen Stellen Synergien denkbar sind. Durch die gemeinsame Unterstützung eines konkreten Projekts in einem Staat außerhalb der Europäischen Union wollen wir unsere Zusammenarbeit auch in der Praxis stärken.

Die bisherigen Begegnungen sowohl in Prag als auch in Berlin haben uns die Gelegenheit zu einem umfassenden Erfahrungsaustausch gegeben. Dabei ging es um die Sorgen und Ängste der Menschen, die angesichts der massiven Migrationsbewegungen entstanden sind. Wir dürfen diese Ängste aber nicht verstärken, sondern müssen aufklären – auch dazu trägt der Migrationsdialog bei.

Wir sind in Europa wertegebundene, pluralistische, multireligiöse und multikulturelle Gesellschaften. Die gemeinsamen Werte binden und schützen alle, auch Flüchtlinge und Migranten. Wir stehen verschiedenen Religionen, Ethnien und Kulturen offen gegenüber. In der Begegnung mit Menschen, die alles hinter sich gelassen haben auf der Suche nach einer besseren Zukunft, müssen unsere Grundwerte wie Toleranz und Achtung der Menschenwürde für alle gelten.

Über den Migrationsdialog gelingt es uns, einem gemeinsamen europäischen Verständnis von Integration näher zu kommen. Wir brauchen in Europa dringend einen Konsens darüber, wie wir es schaffen wollen, dass Menschen mit ganz unterschiedlichen ethnischen, religiösen und kulturellen Hintergründen friedlich und respektvoll zusammenleben.

Natürlich kann die Aufnahme einer großen Anzahl von Flüchtlingen nicht völlig konfliktfrei ablaufen. Es ist eine Riesenaufgabe, im Übrigen für uns alle – sowohl für die heimische Bevölkerung als auch für die ankommenden Flüchtlinge.

Im Kern geht es darum, welche Erwartungen wir an die Menschen haben, die bei uns eine neue Heimat finden wollen. Es geht aber auch darum, was uns das selbst abverlangt.

In einer Frage darf es aus meiner Sicher keinerlei Kompromisse geben: Wer dauerhaft bei uns bleiben will, der muss unsere Werte und Regeln respektieren – ohne Wenn und Aber. Und ich spreche hier nicht nur über Strafgesetze.

Nein, ich denke auch an grundlegende Dinge, wie die Gleichberechtigung von Frauen und Männern oder Toleranz gegenüber Minderheiten. Doch diese Werte fallen nicht einfach so vom Himmel, sie müssen vermittelt und erlernt werden – in Kindergärten und Schulen, in Jugendgruppen und Sportvereinen.

Und Integration ist mitnichten eine Einbahnstraße. Es geht auch um die Frage, ob wir selbst uns nicht auch verändern müssen, wenn wir ein buntes, weltoffenes Einwanderungsland sein wollen. Es wird auf Dauer kaum funktionieren, den Zuwanderern einfach zu sagen: „Wir sind in der Mehrheit. Passt Euch gefälligst an!“

Nein, wir müssen akzeptieren, dass die Menschen, die zu uns kommen, mittelfristig auch unsere Gesellschaft mitgestalten werden. Wir müssen Migration dabei als Chance – und nicht als Bedrohung – begreifen. Migration bedeutet Vielfalt und Buntheit. Und ich würde sogar so weit gehen: Diese Vielfalt und Buntheit waren schon immer und bleiben eine europäische Stärke!

Dieses Mal wollen wir erste Ergebnisse und Empfehlungen aus unserem Migrationsdialog in eine gemeinsame Erklärung einfließen lassen. Die Leitsätze dieser Erklärung empfehlen wir als Grundlage für die deutsch-tschechische Zusammenarbeit in den Bereichen Flüchtlingspolitik, Migration und Integration.

Ich freue mich, dass wir mit der Erklärung und der Absprache einer Projektunterstützung zwei sehr konkrete Ergebnisse unseres Dialogs haben werden.

Der deutsch-tschechische Migrationsdialog ist damit ein echter europäischer Mutmacher! Davon brauchen wir noch viel mehr!

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