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Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei der Falling Walls Konferenz in Berlin
„Für bahnbrechende Entdeckungen braucht man die Freiheit, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind, und… nicht so, wie andere glauben, dass sie wären oder zu sein hätten.“
So hat es der Chemie-Nobelpreisträger Stefan Hell einmal ausgedrückt.
Sehr geehrter Herr Prof. Mlynek,
Sehr geehrter Herr Prof. Schäfer,
Exzellenzen,
liebe Gäste,
das ist für mich ein großartiges Plädoyer für das, was Sie heute hier zusammen bringt: für den freien Austausch, die Auseinandersetzung über alle Mauern und Grenzen hinweg. Für Freiheit im Denken, für den Mut, neue Wege zu gehen auf der Suche nach Wissen und Erkenntnis.
Dafür steht die Falling Walls Konferenz. Und ich freue mich sehr, Sie heute in so großer Zahl hier in Berlin begrüßen zu dürfen!
Aber noch etwas anderes schwingt für mich in dem Satz von Stefan Hell mit. Und das ist etwas, was mich nachdenklich und sorgenvoll stimmt - gerade an einem Tag wie heute, wo nicht nur ich, sondern gewiss auch viele von Ihnen hier im Saal mit großer Erwartung über den Atlantik schauen. Auf die Wahlen in den Vereinigten Staaten.
„Die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind“, sagt Stefan Hell, „und nicht so, wie andere glauben…, dass sie zu sein hätten.“
Was Hell da ausdrückt, ist der unbedingte Wunsch nach Wahrheit, die Suche nach neuen Antworten auf der Grundlage fundierter Fakten und Erkenntnisse. Das, meine Damen und Herren, ist die Basis Ihrer Forschung, Ihrer täglichen Arbeit!
In der politischen Debatte jedoch, vermisse ich diesen Wunsch nach Wahrheit derzeit zu oft. Und das gilt nicht nur für den Wahlkampf in Amerika, das gilt auch für die Töne, die wir hier in Europa und Deutschland hören.
Denn anstatt sich auf der Basis von Fakten miteinander um die besten Antworten zu streiten, wird mit Angst Politik gemacht. Die Wahrheit wird nicht mehr nur absichtlich verfälscht, viel schlimmer: sie scheint nicht mehr zu zählen!
Der Nationalismus, der derzeit an vielen Orten dieser Welt wieder erwacht, scheint eine neue Sehnsucht zu bedienen: nach den vermeintlich einfachen, schablonenhaften Antworten. Und diese Antwort heißt in den Worten der Populisten: „Schotten dicht! Lasst uns mit den Problemen der Welt in Ruhe! Jeder kämpft für sich allein!“
Es stimmt ja, die Welt um uns herum kann einem wahrlich Sorge machen. Krisen und Konflikte scheinen heute der Dauerzustand zu sein. Und mit den Abertausenden, die derzeit bei uns in Europa Schutz suchen, vor Krieg und Gewalt im Mittleren Osten, sind diese Krisen auch hier bei uns zu Hause längst ganz konkret geworden.
Aber die Antwort darauf darf doch nicht sein, neue Mauern hochzuziehen! Und damit meine ich nicht nur die physischen Mauern, die neuen Schlagbäume und Stacheldrähte, die wir in Europa sehen. Ich meine damit auch die Mauern, die Populisten und Nationalisten versuchen, in den Köpfen der Menschen zu errichten: Mauern der Ignoranz, der Angst und der Abgrenzung. Da wird vorgegaukelt, dass wir unsere eigene Identität nur dadurch sichern können, indem wir uns einmauern!
Zu welchen gefährlichen und grausamen Konsequenzen dieses Denken führen kann, meine Damen und Herren, dazu mahnt uns Deutsche unsere eigene Geschichte. Dazu mahnt uns, lieber Herr Professor Schäfer, ganz besonders dieses Haus, Ihr Museum, in dem wir heute zu Gast sein dürfen!
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Sie, meine Damen und Herren, liebe Wissenschaftler, Sie zeigen uns, wie es anders geht! Wie man Mauern einreißt, statt neue zu errichten! Wie man mit Offenheit, Neugier und fundierter Auseinandersetzung Brücken bauen kann- zu neuen Erkenntnissen und zu konkreten Lösungen für die großen Probleme, vor denen wir gemeinsam stehen.
Und dafür, meine Damen und Herren, will ich Ihnen an dieser Stelle ganz ausdrücklich danken! Sie alle sind Spitzenkräfte auf ihrem Gebiet, Sie forschen an hochkomplexen Themen. Aber Sie schließen sich nicht in ihren Labors und Bibliotheken ein! Sie teilen Ihr Wissen und Sie setzen damit wichtige Impulse für die Debatten in unserer Gesellschaft. Und genau damit liefern Sie den Gegenentwurf zu den schablonenhaften Antworten, zum verlorenen Drang nach Wahrheit und Vernunft, den wir derzeit vielerorts wahrnehmen! Und dafür danke ich Ihnen!
Ob in der Flüchtlingsfrage, in der HIV-Forschung, bei Cyber-Security, oder den vielen anderen Themen, um die es morgen auf der Konferenz gehen wird - bei all diesen Fragen werden wir nur vorankommen, wenn wir eine Auseinandersetzung auf der Grundlage von Fakten führen, anstatt mit Ängsten zu spielen! Und: wenn wir dabei über fachliche und nationale Grenzen hinweg zusammenarbeiten.
Während einer meiner Reisen nach Südafrika hatte ich vor kurzem Gelegenheit, ein Format der sogenannten „Falling Walls Labs“ zu erleben. Es war faszinierend, wie sich junge Talente aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft dort vernetzten. Und wie sie prägnant in nur 3 Minuten neue, innovative Vorschläge präsentieren, losgelöst von althergebrachten Denkmustern.
Glauben Sie mir, ich weiß, wie schwer das ist: Ich bin ja jetzt schon wieder über meiner Redezeit…
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Das Prinzip des freien Dialogs und des Austauschs, das Sie hier auf der Falling Walls Conference vorleben, dieses Prinzip ist essentieller Teil unserer deutschen Außenwissenschaftspolitik. Uns geht es darum, Menschen ganz unterschiedlicher kultureller Prägung und Erfahrung miteinander zu vernetzen. Denn wir wissen: Dialog schafft Verständnis. Und Austausch schafft Erkenntnis.
Deswegen fördern wir wissenschaftlichen Austausch, internationale Forschungsnetzwerke und die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur. Gerade gestern erst haben wir mit deutschen Unternehmen und Stiftungen, mit dem DAAD und Hochschulen darüber beraten, wie wir gemeinsam eine Fachhochschule in Kenia aufbauen. Und ich kann Ihnen versichern: der Wunsch ist groß, dass wir uns dort engagieren und so einen Beitrag zum Wohlstand und der friedlichen Entwicklung Afrikas auch im Bildungsbereich leisten!
Gerade angesichts der Krisen in dieser Welt müssen wir helfen, Zugang zu Bildung und Forschung auch dort zu erhalten, wo Krieg und Gewalt dies zu verhindern drohen. Durch Stipendienprogramme wie die Deutsche Albert Einstein Flüchtlingsinitiative, oder indem wir mit der Philipp Schwarz Initiative helfen, verfolgten Wissenschaftlern, in Deutschland ihre akademische Arbeit fortzusetzen.
Für mich ist klar: Wir müssen Freiräume schaffen für Bildung und Forschung, für Austausch und Dialog. Nur so werden wir Antworten finden, auf die großen Herausforderungen unserer Zeit.
Nur so werden wir verstehen, wie die Dinge wirklich sind!
Dabei, meine Damen und Herren, wünsche ich Ihnen und uns allen viel Erfolg!