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70 Jahre Deutschland in der NATO – Rede von Außenminister Wadephul zum Festakt im Bundesverteidigungsministerium

10.07.2025 - Rede

Im Dezember 1949 gab Konrad Adenauer dem “Cleveland Plain Dealer”, einem amerikanischen Provinzblatt, ein Interview. Dieses Interview sollte Geschichte schreiben. Denn erstmals sprach er darin öffentlich aus, was in den Ohren vieler damals ungeheuerlich klang: Die Möglichkeit einer Wiederbewaffnung Deutschlands.

Wohl ganz bewusst wählte er dafür nicht die große Bühne. Keine Parlamentsrede. Keine Regierungserklärung.

Eine Kultur der Zurückhaltung, das war das Gebot der Stunde. Den Gedanken, dass Deutsche wieder Waffen tragen könnten, galt es vorsichtig zu formulieren. Und trotzdem gebot es die Lage, genau diesen Weg zu gehen.

Der Weg der Bundesrepublik Deutschland in die NATO war bei Weitem keine Selbstverständlichkeit. Der Beitritt im Mai 1955 – zehn Jahre nach Ende dieses schrecklichen Krieges, den Deutsche über unseren Kontinent gebracht hatten – das war ein außenpolitischer Meilenstein. Und, in deutschen Debatten wird das oft vergessen: er erfolgte noch vor der Gründung der Bundeswehr im November desselben Jahres.

Deutsche Sicherheitspolitik begann also nicht mit dem Aufbau eigener Streitkräfte, sondern mit der bewussten Entscheidung, unsere Verteidigung von Anfang an in ein Bündnis einzubetten. Und Bündnis heißt: Einer für alle, alle für Einen. Ohne Wenn und Aber. Das beschreibt die Größe der Entscheidung Adenauers damals – und die Größe der Verpflichtung der Alliierten uns gegenüber.

Die NATO-Mitgliedschaft ist ein Bekenntnis zu einem Verteidigungsbündnis. Sie ist aber noch mehr. Sie ist ein Bekenntnis zu einer Wertegemeinschaft, die für Sicherheit und Freiheit steht.

Wir Deutschen haben von diesem Bündnis über Jahrzehnte profitiert wie kaum ein anderer. Denn die Bundesrepublik Deutschland war im Kalten Krieg die Ostflanke der NATO. Hier standen Hunderttausende alliierte Truppen an der Seite der Bundeswehr.

Dass diese Verbündeten kaum ein Jahrzehnt nach den Abgründen von Weltkrieg und Shoah Soldaten zum Schutz Deutschlands schickten, das war ein großer Vertrauensbeweis und eine große Versöhnungsleistung, für die wir immer dankbar sein müssen.

In den 1980er Jahren versah ich meinen Dienst als Zeitsoldat an der NATO-Ostflanke, die mitten durch das geteilte Deutschland verlief. 40 Jahre später war ich Reservist in Litauen, dort also, wo jetzt die Ostflanke der NATO verläuft.

Viel hat sich in diesen 40 Jahren verändert. Das Wichtigste aber nicht: Soldatinnen und Soldaten versehen unter der blauen Flagge der NATO gemeinsam, Schulter an Schulter, ihren Dienst und sind bereit, wenn es darauf ankommt, alles zu geben.

Wir wissen um die Bedeutung dieser Gemeinschaft in der Allianz. Kein Land, auch nicht Deutschland, kann seine Freiheit, seine Sicherheit und seine demokratischen Werte alleine verteidigen.

Das Jubiläum, das wir heute feiern, ist für mich mehr als nur ein Festakt: Dankbarkeit bedeutet heute die Entschlossenheit meines Landes, der Bundesrepublik Deutschland, das NATO-Bündnis weiter zu stärken.

Heute stehen wir im NATO-Bündnis vor einer neuen strategischen Realität. Spätestens der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat uns vor Augen geführt, wie fragil Sicherheit und Frieden immer noch sein können – selbst in Europa, das viele bereits für einen Kontinent des ewigen Friedens hielten.

Ich möchte klar sein: In der Ukraine wird sich zeigen, ob auf dem europäischen Kontinent Grenzen mit Gewalt verschoben werden können. Ob unsere Sicherheitsarchitektur hält. Es liegt an uns und es bringt große Aufgaben mit sich. Wir müssen unsere Verteidigungsausgaben drastisch anpassen, in Bereiche, die in den 80er-Jahren normal waren.

Die NATO der Zukunft muss beweglicher, entschlossener und technisch überlegener sein. Auf dem NATO-Gipfel haben wir dazu die richtigen Entscheidungen getroffen. Nach dem Gipfel geht es nun um das Wesentliche, die Glaubwürdigkeit unserer Abschreckung, unserer militärischen Fähigkeiten. Wir müssen und wir werden diese Herkulesaufgabe schaffen.

Unsere Stärke liegt in der Einheit.

70 Jahre NATO-Mitgliedschaft Deutschlands – das ist mehr als eine historische Marke. Das ist ein Versprechen auf die Zukunft. Dass wir bereit sind, Verantwortung zu tragen. An der Seite unserer Alliierten.

Die NATO ist gefordert, wie seit Jahrzehnten nicht – wir sind gefordert, wie seit Jahrzehnten nicht. Das muss uns allen klar sein, die wir politische Verantwortung tragen. Es geht um unsere Sicherheit, unsere Freiheit, unseren Wohlstand. Eine starke NATO ist der Garant für Frieden auf unserem Kontinent.

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