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„Eine Lösung für Syrien kann man nicht herbeibomben“
Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Interview zu den Syrien-Friedensgesprächen und zur Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingskrise. Erschienen u.a. in der Märkischen Allgemeinen (10.02.2016).
Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Interview zu den Syrien-Friedensgesprächen und zur Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingskrise. Erschienen u.a. in der Märkischen Allgemeinen (10.02.2016).
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Immer wieder platzen die Syrien-Friedensgespräche, zuletzt in Genf. Was versprechen Sie sich von einer Fortsetzung?
Dass die Genfer Friedensgespräche nicht mit einem schnellen Durchbruch beginnen würden, war zu erwarten. Ich kann auch gut verstehen, dass es für die Oppositionsdelegation schwer ist, in Genf am Verhandlungstisch zu sitzen, während ihre Leute zu Hause in Aleppo im Bombenhagel sterben. Deshalb wird es in Genf nur dann Fortschritte geben, wenn die internationalen und regionalen Mächte gemeinsam den Druck aufrechterhalten, die Prinzipien, auf die sich in Wien und im Sicherheitsrat alle verpflichtet haben, jetzt auch umzusetzen. Alle, auch Russland, sollte wissen, mit Luftschlägen kann man vielleicht für den Moment das militärische Gleichgewicht verschieben, aber eine Lösung für Syrien kann man nicht herbeibomben. Fakt ist: Wenn die eine Seite militärisch eskaliert, bleibt das nicht unbeantwortet. Die Leidtragenden sind Millionen Syrer, die sehnsüchtig auf eine Lösung warten.
Wie wollen Sie Putin dazu bringen, nicht mehr für Assad, sondern gegen den IS zu kämpfen?
Mein Eindruck ist, dass Russland durchaus selbst ein Interesse hat, der Bedrohung durch den Terror von IS zu begegnen – und das nicht erst seit dem mörderischen Terroranschlag gegen den russischen Urlaubsflieger aus Ägypten. Wir müssen bei den Syrien-Gesprächen in München versuchen, dass aus diesem gemeinsamen Interesse auch mehr gemeinsames Vorgehen wird. Der NATO-Russland-Rat kann dabei eine wichtige Rolle spielen, um gemeinsam Vorschläge zur Risikovermeidung zu entwickeln und zukünftige Konfrontationen zu vermeiden. Deswegen habe ich mich beim letzten NATO-Außenministertreffen im Dezember dafür stark gemacht, den NATO-Russland-Rat wiederzubeleben. Anfang des Jahres hat die NATO jetzt ein Angebot an Russland für die Abhaltung eines Rates auf Botschafterebene unterbreitet. Ich hoffe, dass dieses Angebot möglichst bald aufgegriffen wird. Wir stehen jedenfalls für Gespräche bereit!
Wer könnte Assad ersetzen, ohne das ein Machtvakuum entsteht?
In der Tat dürfen wir nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen und uns einreden, mit der Beseitigung eines Diktators sei es getan. Deshalb haben alle internationalen und regionalen Akteure, auch Iran und Saudi-Arabien in Wien dem Prinzip zugestimmt, dass die staatlichen Strukturen Syriens erhalten und wiederhergestellt werden müssen. Keiner will ein Machtvakuum in der Region. Denn das wäre der beste Nährboden für die Rekrutierungsmaschinerie des IS. Diese Frage sollten wir aber nicht mit der Personalie Assad verwechseln. Dass nach 300.000 Toten und fast 12 Millionen Flüchtlingen ausgerechnet Assad der geeignete Mann sein soll, Syrien zusammenzuhalten, kann ich mir nicht vorstellen.
Die Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingskrise funktioniert bislang kaum. Wie wollen Sie das ändern?
Unsere Politik ist klar und sehr konkret: Wir haben uns im EU-Rahmen mit der Türkei auf einen Aktionsplan geeinigt. Er verbindet türkische Maßnahmen zur Grenzsicherung und zur besseren Integration von Flüchtlingen in der Türkei mit europäischer Unterstützung für eben diese Vorhaben. Wir stehen in einem engen Austausch – letztes Wochenende im EU-Kreis mit dem türkischen Kollegen, gestern mit dem Besuch von Kanzlerin Merkel in Ankara und den konkreten Vorschlägen etwa zur bilateralen Polizeizusammenarbeit bei der Schlepperbekämpfung, zur intensiveren Kooperation der Türkei mit Frontex und mit Griechenland. Dass komplexe Maßnahmen zur Grenzsicherung oder zur Rückführung nicht über Nacht wirken, ist klar.
Merkel hat der Türkei Nato-Unterstützung bei der Grenzsicherung in Aussicht gestellt. Wird die Flüchtlingskrise zum Verteidigungsfall?
Die NATO kann keine Rolle bei der Steuerung der Flüchtlingsmigration spielen. Worum es geht, ist das Überlassen von Lagebildern, die eine effektivere Bekämpfung der Schlepperkriminalität möglich macht.
Interview: Ulrike Demmer. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Märkischen Allgemeinen.