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Die Magie der kleinen Zahlen (Interview)

01.09.2015 - Interview

Interview mit dem Koordinator für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke. Erschienen in der Mitarbeiterzeitschrift „InternAA“ des Auswärtigen Amts (01.09.2015).

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Herr Ministerpräsident, haben Sie als Polen-Koordinator eigentlich ein Büro im Auswärtigen Amt?

Ja, dort arbeite ich allerdings nicht selbst, sondern mein Mitarbeiterstab, der mein direkter Draht ins Auswärtige Amt ist. Zum Glück ist es von Berlin nach Potsdam nicht weit, sodass wir im unmittelbaren Austausch miteinander stehen können. Minister Frank-Walter Steinmeier treffe ich häufig in Berlin, aber auch in Brandenburg, wo wir beide unsere Wahlkreise haben. Gelegentlich greife ich auch gern zum Telefonhörer.

Wie oft waren Sie zuletzt in Polen?

Ich bin fast jeden Monat in Polen unterwegs - es ist ja nur ein .Katzensprung. Im April war ich bei den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Warschau mit dem gesamten Bundeskabinett, im Mai erneut in Warschau bei der Trauerfeier für Wladyslaw Bartoszewski, meinem polnischen Counterpart, der mit mir zusammen unter anderem das Preiskomitee zum Deutsch-Polnischen Preis geleitet hatte. Im Juni habe ich in der Woiwodschaft Lebuser Land am Oderland-marsch teilgenommen, im Juli eine Polizei- und Zollveranstaltung in Swiecko ausgerichtet. Im September steht die nächste Reise an. Bei meinen Reisen nach Polen werde ich von unseren Auslandsvertretungen vor Ort unterstützt, wofür ich sehr dankbar bin.

Können Sie auch von·Potsdam aus etwas für die deutsch-polnischen Beziehungen bewirken?

Na klar. Die beiden Ämter Ministerpräsident und Polen-Koordinator lassen sich gar nicht sauber voneinander trennen. Wenn ich beispielsweise als Ministerpräsident zum jährlichen Sommerfest nach Potsdam bitte, lege ich Wert auf die Teilnahme von Partnern und Freunden aus Polen. Viele Treffen und Gespräche finden in meiner Staatskanzlei statt - oder auch in der Landes-vertretung Brandenburgs in Berlin. Kürzlich hatte ich zum Beispiel den Stadtpräsidenten von Breslau zu Gast. Er hat uns bei einem gut besuchten Pressefrühstück zum ersten Mal überhaupt im Ausland sein Programm „Breslau - Europäische Kulturhauptstadt 2016“ präsentiert.

Können Sie ein Beispiel nennen, wo Sie Ihr Amt als Ministerpräsident genutzt haben, um etwas als Koordinator für die deutsch polnische grenznahe und zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit zu erreichen?

In meiner Amtszeit wurden zwei Abkommen unterzeichnet, die als Meilensteine der deutsch-polnischen Zusammenarbeit gelten können. Das ist zum einen das Abkommen über die Zusammenarbeit der Polizei-, Grenz- und Zollbehörden, welches im europäischen Vergleich Vorbildcharakter aufweist. Zum anderen konnte endlich das Abkommen über die gemeinsame Verbesserung der Situation an den Wasserstraßen im deutsch-polnischen Grenzgebiet fertiggestellt werden. Dieses wurde bereits seit Jahren vorbereitet und sollte insbesondere dem Hochwasser-schutz dienen. In beiden Fällen habe ich - zusammen mit meiner Staatskanzlei und dem Auswärtigen Amt - hinter den Kulissen für entscheidende Beschleunigungen bei allen beteiligten Akteuren gesorgt, unter anderem auch im Bundesrat.

Wie würden Sie Ihre Rolle als Polen-Koordinator beschreiben?

Ich will konkrete Dinge nach vorne bringen. Festreden, Grußworte und Schirmherr-schaften sind auch wichtig. Die vielen Akteure der Zivilgesellschaft verdienen Respekt und Beachtung. Aber genauso wichtig sind mir messbare Erfolge der bilateralen Zusammenarbeit. Dafür stehe ich regelmäßig im Gespräch mit den politischen Akteuren in beiden Ländern und wirke auf konstruktive Lösungen hin. Zugleich setze ich als Polen-Koordinator und Ministerpräsident immer wieder eigene Impulse.

Welche Aufgaben kosten Sie besonders viel Anstrengung?

Das sind insbesondere die Aufgaben, bei denen es um Finanzierungsfragen geht. Hier rennt man teilweise erst einmal gegen verschlossene Türen an, selbst wenn es sich nur um vergleichsweise kleine Summen handelt. Ich nenne das manchmal „die Magie der kleinen Zahlen“. Am Ende freue ich mich, dass wir uns zum Beispiel im Bund-Länder-Gespräch mit der Bundes-kanzlerin auf eine bessere Finanzierung für die Internationale Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz verständigen konnten, oder dass wir in der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder unter meinem Vorsitz die Finanzierung des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt auch von Seiten der Länder-gemeinschaft absichern und dem Auswärtigen Amt zur Seite stehen konnten.

Auf welche persönlichen Erfolge sind Sie stolz?

Manchmal sind es ja die kleinen Dinge, die einem besonders Freude bereiten. So freue ich mich, dass wir uns im Kuratorium, dem ich vorstehe, auf eine Satzungsänderung der Stiftung Genshagen einigen konnten. Sie ist nunmehr komplett trilateral als deutsch-französisch-polnische Stiftung ausgerichtet - rechtzeitig zum 25. Jubiläum des Weimarer Dreiecks, das wir nächstes Jahr feiern werden. Da mir das Thema Bildungszusammenarbeit und Jugend eine Herzens-angelegenheit ist, freue ich mich auch, dass das Deutsch-Polnische Jugendwerk (DPJW) kürzlich mehr Handlungsspielraum bekommen hat. Künftig können deutsche Schulen, die sich an Austauschpro-grammen mit Polen beteiligen, besser gefördert werden.

Wo gab es Rückschläge?

Leider wurden zuletzt einige Bahnverbindungen zwischen beiden Ländern eingestellt, wie etwa die Strecke Berlin-Breslau im Dezember letzten Jahres. Und das in einer Zeit, in der die Länder durch den Ausbau der Infrastruktur immer mehr zusammenwachsen sollten. Hier besteht daher hoher Modernisierungsbedarf.

Was steht als nächstes auf Ihrer Vorhabenliste?

Das Thema Bahnverbindungen habe ich ganz oben auf meiner Agenda. Daher habe ich das Format des DeutschPolnischen Bahngipfels ausgerufen. Nach Plan werden wir uns erstmals im September auf Chef-Ebene in Potsdam treffen, um die maßgeblich Beteiligten im Entscheidungs-prozess beider Länder an einen 'Tisch zu bringen. Im Mittelpunkt steht die Wiederherstellung der Verbindungen Berlin - Breslau, Berlin - Stettin und Dresden - Breslau. Das Thema macht gerade jetzt besonders viel Sinn, da Breslau im nächsten Jahr Europäische Kulturhauptstadt sein wird. Außerdem möchte ich unseren polnischen Freunden ein Zeichen der Solidarität geben in einer Zeit, in der sie als Bündnispartner auf militärische Rückversicherung besonders angewiesen sind. Ich werde im September das Multinationale Korps in Stettin besuchen.

Sie haben nun schon seit einiger Zeit die Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen mitverfolgt und mitgestaltet. Wie würden Sie den Status quo beschreiben?

Das Vertrauen zwischen beiden Ländern ist stärker geworden, man arbeitet auf vielen Gebieten mittlerweile gemeinsam, nicht zuletzt sogar bei schwierigen Fragen wie dem Umgang mit der Ukraine-Krise. Auch bei Themen, die aus unserer Geschichte herrühren, sind wir auf beiden Seiten reifer im Umgang miteinander geworden, wenngleich das Eis weiterhin dünn bleibt. Daher liegen mir Projekte wie etwa das Deutsch-Polnische Geschichtsbuch sehr am Herzen - die Landesregierung Brandenburg ist hier federführend beteiligt. Sehr deutlich ist mir auch eines geworden: Es gibt keinen Automatismus für immer bessere und engere Beziehungen. Das Jubiläumsjahr „25 Jahre gute Nachbarschaft“ 2016 wird eine gute Gelegenheit bieten, sich des Er- reichten zu versichern, aber zugleich auch den. Blick nach vorn zu richten. Es ist an der Zeit, über den deutsch-polnischen Tellerrand zu schauen und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.

Die Fragen für intemAA stellte Lisa Heike.

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