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Rede von Europa-Staatsminister Michael Roth beim Branchenforum Chemie 2015 „Globalisierung nachhaltig in deutsch-chinesischen Chemieunternehmen gestalten“
--- es gilt das gesprochene Wort ---
Sehr geehrte Damen und Herren,
Für das „Branchenforum Chemie 2015“ haben Sie nicht nur ein für ihre Branche hochaktuelles Thema gewählt. Schließlich ist China inzwischen der größte Chemieproduzent der Welt. Doch auch in anderen Bereichen ist die Bedeutung Chinas in den vergangenen Jahren sprunghaft gewachsen – sei es als strategischer Partner in den bilateralen Beziehungen, als Handelspartner oder als Akteur auf der Weltbühne.
Das Thema ist also gut gewählt. Und lassen Sie mich das in aller Bescheidenheit sagen: Als Referenten haben Sie heute keinen Fremden eingeladen. Für mich ist das hier sozusagen ein Heimspiel bei „meiner“ IG BCE, der ich seit mittlerweile 17 Jahren als Mitglied der Ortsgruppe Heringen angehöre. Vielleicht wissen es einige von Ihnen: Der größte Arbeitgeber in meinem nordhessischen Wahlkreis ist K+S, einer der weltweit bedeutendsten Kali- und Salz-Produzenten. Ein großer Teil der Beschäftigten ist selbstverständlich – wie sich das für gute Bergleute gehört – gewerkschaftlich in der IG BCE organisiert. Ob das auch für die sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt, die für K+S im Vertrieb in China tätig sind, weiß ich nicht. Aber es wirft doch eine wichtige Frage auf, auf die ich am Ende meiner Rede noch einmal zurückkommen werde: Wie steht es eigentlich um die betriebliche Mitbestimmung und die Rolle von Gewerkschaften in China? Davor möchte ich jedoch zunächst auf die Grundzüge der strategischen Partnerschaft zwischen Deutschland und China, unsere engen wirtschaftlichen Beziehungen und auch auf die Chancen für deutsche Unternehmen auf dem chinesischen Markt eingehen.
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Lassen Sie uns einige Jahrzehnte zurückblicken: Vor 43 Jahren haben Deutschland und China diplomatische Beziehungen aufgenommen. 1972 – das waren noch Zeiten damals: Willy Brandt war Kanzler, China war gerade erst Mitglied der Vereinten Nationen geworden, die IG BCE gab es als Gewerkschaft in dieser Form noch gar nicht und ein gewisser Michael Roth war gerade mal zwei Jahre alt. Seitdem hat sich eine Menge getan!
Wer hätte damals geahnt, welche Dynamik seit einigen Jahren China und unsere bilateralen Beziehungen ausmacht? Wohl kaum jemand hätte im Jahr 1972 diese atemberaubende Entwicklung der chinesischen Wirtschaft und Gesellschaft vorhergesagt.
Mittlerweile ist China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und wird – gemessen am Bruttosozialprodukt – die USA schon in wenigen Jahren überholt haben. Und parallel zu seinem wirtschaftlichen Aufstieg ist China seit einigen Jahren bestrebt, auch als weltpolitischer Akteur eine immer stärkere Rolle einzunehmen und globale Regeln mitzugestalten.
Mehr und mehr sehen wir in China einen aktiven Partner, mit dem wir regionale und weltumspannende Probleme gemeinsam angehen müssen. Dies gilt für Umwelt- und Klimafragen, die Bewältigung von Krisen und Konflikten oder die Ausgestaltung der internationalen Handels- und Finanzarchitektur. Es ist in unserem deutschen und europäischen Interesse, dass sich China bei diesen anspruchsvollen Fragestellungen konstruktiv und verantwortungsvoll einbringt.
Wir begrüßen den friedlichen Aufstieg Chinas und sind einer Politik der Kooperation und des Austauschs mit China verpflichtet. Aber wir müssen diese Politik auch sorgfältig abwägen und unsere eigenen Erwartungen an China klar formulieren. Unsere Zusammenarbeit mit China muss stets auf gemeinsamen Interessen, international anerkannten Standards und Transparenz basieren. Und eines ist klar: Niemals werden wir unsere wirtschaftlichen Interessen über unseren Einsatz für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte stellen!
Sicherlich, bei manchen Fragestellungen beginnen wir unseren Dialog von ganz unterschiedlichen Ausgangspositionen. Doch die Erfahrung zeigt uns: Je intensiver wir uns miteinander beschäftigen, desto eher finden wir am Ende zusammen. Gute Beispiele dafür sind unser Rechtsstaats- und Menschenrechtsdialog oder die deutsch-chinesische Urbanisierungspartnerschaft. Im Rahmen dieser Dialog- und Kooperationsformate teilen wir unsere Erfahrungen mit China und unterstützen das Land mit Rat und Tat bei seinem Reformkurs.
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Lassen Sie uns zunächst auf den Stand der bilateralen Beziehungen mit China blicken: Denn seit 1972 hat sich tatsächlich einiges getan. Der letzte Staatsbesuch von Staatspräsident Xi in Deutschland im März 2014 hat die Bedeutung der strategischen Partnerschaft zwischen Deutschland und China nochmals nachdrücklich unterstrichen.
Bei den Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen im Oktober 2014 in Berlin haben wir gemeinsam einen weitreichenden Aktionsrahmen für unsere bilaterale Zusammenarbeit in den kommenden Jahren verabschiedet. Dieser Aktionsrahmen steht unter dem Titel „Innovation gemeinsam gestalten!“ und umfasst insgesamt 110 Punkte.
Wenn wir von einer deutsch-chinesischen Innovationspartnerschaft sprechen, dann verstehen wir darunter weit mehr als nur die Bereiche Wirtschaft, Forschung und Entwicklung. Nein, es geht uns dabei um Innovation im weitesten Sinne. Denn Innovation braucht China auch in vielen anderen Feldern, beispielsweise beim Rechtssystem, im Bildungs- und Sozialbereich, bei der Klima- und Umweltpolitik oder der Urbanisierung.
Innovation ist ja nun bekanntermaßen ein populäres Schlagwort. Aber was verbirgt sich dahinter? Es geht um ein modernes Bildungssystem, ein gerechtes Sozialsystem und ein funktionierendes Rechtssystem, das auf rechtsstaatlichen Prinzipien aufbaut. Deshalb sind unsere bilateralen Dialogformate auf den Feldern Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Nachhaltigkeit und Medien so wichtig. Und ich kann Ihnen versichern: In diesen Dialogforen sprechen wir kritische Fragen von deutscher Seite aus sehr offen an. Diese klaren Worte gefallen unseren chinesischen Gesprächspartnern nicht immer. Aber dennoch halten auch sie aus guten Gründen an diesem Dialog fest.
Denn der Aktionsrahmen für unsere Zusammenarbeit in den kommenden Jahren basiert auf der Verschränkung unserer beiderseitigen Interessen: China braucht Deutschland und Europa für die Umsetzung seiner ambitionierten Reformagenda. Und Deutschland hat ein großes Interesse an einem sich friedlich und nachhaltig entwickelnden China.
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Was ich für die bilateralen Beziehungen gesagt habe, gilt ebenso für unsere wirtschaftlichen Verbindungen: Als strategischer Partner wird China immer wichtiger für uns – politisch und wirtschaftlich.
Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen bewegen sich weiter auf hohem Niveau. Trotz gewisser Schwankungen wächst der Außenhandel zwischen unseren Ländern stetig. Im Jahr 2014 sind die deutschen Exporte im Vergleich zum Vorjahr um gut 11 Prozent auf 74 Milliarden Euro gestiegen. Auch die deutschen Importe aus China haben 2014 um 6 Prozent auf 79 Milliarden Euro zugenommen. Deutschland bleibt damit mit Abstand Chinas wichtigster Handelspartner in der EU. China wiederum ist Deutschlands wichtigster Handelspartner in Asien.
Wir sollten nicht aus dem Blick verlieren: China war gerade während der Euro-Krise ein hilfreicher Partner – sowohl durch seine stabilisierenden Anleihekäufe, aber auch als ausgleichender Exportmarkt für viele Betriebe, die unter der schweren Wirtschaftskrise in der Eurozone gelitten haben. Das hat auch bei uns in Deutschland dazu beigetragen, dass viele Arbeitsplätze erhalten blieben.
Für deutsche Unternehmen bietet der riesige chinesische Markt weiterhin viele Chancen – vor allem in den Branchen Maschinenbau, Chemie- und Automobilindustrie. Auch wenn sich das Wirtschaftswachstum zuletzt etwas verlangsamt hat: Von Wachstumsraten von sieben Prozent können wir in Europa oder in Deutschland derzeit nur träumen. Teil der Wahrheit ist aber auch: Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt auch zulasten der Umwelt und vieler Beschäftigten, die zu Billiglöhnen und unter schwierigsten Bedingungen arbeiten müssen.
Der geplante Umbau der bisher maßgeblich exportgetriebenen chinesischen Wirtschaft hin zu einem nachhaltigeren, stärker vom Binnenkonsum getragenen Wachstum bietet für die deutsche Wirtschaft gewaltige Chancen. Schon jetzt ist Deutschland mit Abstand der größte Investor in China: Etwa 2.500 Unternehmen haben bislang rund 45 Mrd. Euro investiert. Und aktuelle Umfragen zeigen, dass die große Mehrheit der deutschen Unternehmen ihr China-Engagement auch weiterhin als profitabel bewertet.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Mammutaufgabe der Urbanisierung, die in den kommenden Jahren vor China liegt. Schon jetzt leben in China rund 730 Millionen Menschen in 142 Megacities. Und jedes Jahr strömen weitere zehn Millionen Menschen in die Großstädte, wo im Jahr 2030 etwa eine Milliarde Menschen leben werden.
Die Infrastruktur in den Städten muss daher dringend ausgebaut und modernisiert werden, damit sie diesem Ansturm gerecht werden kann. Und was das faktisch bedeutet, verdeutlicht diese beeindruckende Zahl: Alle zwei Jahre werden in China schon jetzt so viele neue Gebäude errichtet, wie in ganz Deutschland insgesamt an Bausubstanz vorhanden ist!
Im März 2014 hat die chinesische Regierung einen Urbanisierungsplan mit ausgesprochen ehrgeizigen Zielen veröffentlicht: Der ÖPNV-Anteil soll in den Millionenstädten auf 60 Prozent steigen, 90 Prozent aller Haushalte sollen an das Wassernetz angeschlossen werden und grüne Bauten sollen künftig 50 Prozent aller Neubauten ausmachen.
Nachhaltiges Wirtschaften, energieeffizienter und sozialer Wohnungsbau und klimafreundlicher Verkehr sind also Kernelemente der „neuen“ Urbanisierung, für die China weitere Ideen und Technologien dringend benötigt. Dabei können vor allem auch deutsche Unternehmen helfen. Für beide Seiten ist das also eine echte Win-Win-Situation!
Und China hat zuletzt einiges getan, um für ausländische Unternehmen attraktiver zu werden. Seit dem WTO-Beitritt im Jahr 2001 hat China seine Märkte geöffnet und viele bestehenden Handels- und Investitionsbarrieren abgebaut. Zudem hat die chinesische Führung Ende 2013 wichtige Weichenstellungen angekündigt, die eigentlich jeden Unternehmer und Betriebsrat erfreuen müssen: Bürokratieabbau, Dezentralisierung und Rückzug aus der Mikrosteuerung, insbesondere durch den Abbau von Genehmigungs- und Zulassungserfordernissen.
Gleichwohl bleiben in China die Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen oftmals schwierig, beispielsweise im Hinblick auf den Schutz des geistigen Eigentums, unfreiwilligen Technologietransfer, technische Barrieren beim Marktzugang oder Diskriminierung im öffentlichen Beschaffungswesen. Zudem macht sich in China ein zunehmender „Wirtschaftsnationalismus“ bemerkbar. Die geplanten neuen Sicherheitsgesetze mit indirekten Marktzugangsbarrieren (z.B. im IT-Bereich) stehen einem wirtschaftsfreundlichen Umfeld entgegen.
Sie sehen: Wir sind keineswegs blauäugig gegenüber bestehenden Schwierigkeiten in den Wirtschaftsbeziehungen zu China – und nehmen diese Themen bei Gesprächen und Verhandlungen mit unseren Partnern auch immer wieder auf.
Dazu zählt auch die Frage, ob China im Jahr 2016 der Status als Marktwirtschaft gewährt wird, den es in Folge seines WTO-Beitritts fordert. Die Entscheidung darüber liegt am Ende bei der EU-Kommission, die dies aber eng mit den Mitgliedstaaten abstimmen wird. Deutschland wird dabei besonders darauf achten, wie sich die dann erforderlichen Anpassungen der Anti-Dumping-Regeln auf einen verstärkten Verdrängungswettbewerb auswirken. Dies ist nicht zuletzt für die deutsche Chemieindustrie von zentraler Bedeutung.
In unserem Aktionsrahmen haben wir das Prinzip einer gleichberechtigten Partnerschaft verankert. Um die Dynamik unserer wirtschaftlichen Beziehungen beizubehalten, brauchen wir faire und transparente Spielregeln, die für beide Seiten gleichermaßen gelten. Das gilt für den Marktzugang gleichermaßen wie für den Schutz des geistigen Eigentums, für transparente öffentliche Ausschreibungen ebenso wie für die Regeln zur Einhaltung eines fairen Wettbewerbs.
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Eine Frage der Fairness sind auch starke Arbeitnehmerrechte. Denn je intensiver sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern entwickeln, desto relevanter werden die in China vorherrschenden Arbeits- und Produktionsbedingungen auch für uns als Handelspartner. Und die Realität in China sieht so aus: Auch wenn die Lohnkosten in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen sind – Tag für Tag produziert in China ein Heer an Wanderarbeitern zu niedrigen Löhnen Billigprodukte für den globalen Export.
Deshalb darf es uns auch nicht gleichgültig sein, welche Möglichkeiten der betrieblichen Mitbestimmung von Beschäftigten in China bestehen. Und wir müssen uns auch fragen: Wie können wir uns als Gewerkschafter oder Regierungsvertreter mit unseren deutschen Erfahrungen konstruktiv in China einbringen?
Im Auswärtigen Amt, aber viel mehr noch aus den zuständigen Ministerien wie auch aus der betrieblichen Praxis, bekommen wir immer wieder zurückgespiegelt: Unser deutsches System der Arbeitsbeziehungen – also das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften – genießt in China einen ausgezeichneten Ruf, ja sogar Modellcharakter.
Der Grund dafür ist recht einleuchtend: Aus chinesischer Perspektive verkörpert das deutsche Modell die ziemlich einmalige Verknüpfung von wirtschaftlicher Dynamik und sozialer Stabilität. Soziale Stabilität wiederum ist in der chinesischen Staatsräson ein zentraler politischer Wert. Für die Kommunistische Partei Chinas ist sie sogar schlicht eine Überlebensfrage.
Gewerkschaften agieren in China als verlängerter Arm der Partei. Ihnen kommt traditionell die Aufgabe zu, für Stabilität und Harmonie in den Betrieben zu sorgen. Sie organisieren Betriebsfeste und Feriencamps für die Angestellten und engagieren sich für Arbeitssicherheit. In Konfliktfällen spielen Gewerkschaften bislang allerdings eher die Rolle des Interessenvermittlers.
Mit der zunehmenden Öffnung und Privatisierung der chinesischen Wirtschaft ist dieses in erster Linie auf Harmonie ausgerichtetes Gewerkschaftsmodell in den vergangenen Jahren jedoch immer stärker unter Druck geraten. Gewerkschaften, die als reine Interessenvermittler auftreten, sind den Beschäftigten, die heutzutage mehrheitlich im privaten Sektor arbeiten, nicht mehr genug. Sie verlangen nach echten Interessenvertretern, die sich in den zunehmend schärferen Verteilungskonflikten um bessere Löhne, Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen wirksam durchsetzen können.
Große Teile der Beschäftigten in China trauen dies der staatlichen Gewerkschaft nicht zu und nehmen deshalb ihr Schicksal selbst in die Hand. Deshalb ist es in den vergangenen Jahren immer wieder zu sozialen Unruhen, Protesten und Streiks gekommen. Gewerkschaften spielen dabei für die Beschäftigten allenfalls eine Nebenrolle. Wenn überhaupt, dann wenden sich die Beschäftigten an so genannte Labour-NGOs, also Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzen.
Und Sie werden sich nun völlig zu Recht folgende Fragen stellen: Wie sieht hierzu die Position der Bundesregierung aus? Auf welchen Ebenen und mit welchen Instrumenten kann Deutschland auf die betriebliche Mitbestimmung in China einwirken?
Die Bundesregierung verfolgt in dieser Frage eine zweigleisige Strategie: Zum einen verstehen wir sehr gut das Bedürfnis vieler Beschäftigter nach echter Interessenvertretung und Durchsetzung besserer Arbeits- und Entlohnungsbedingungen. Es entspricht schließlich unserem deutschen Verständnis von Tarifautonomie, frei gewählten Gewerkschaften und freien Kollektivverhandlungen.
Zum anderen verfolgen wir seit mehreren Jahren die Strategie, den behutsamen Reformprozess des All-Chinesischen-Gewerkschaftsbundes, ACGB, mittels solider Expertise kritisch-solidarisch zu unterstützen.
Gute, vertrauensvolle Beziehungen zwischen deutschen und chinesischen Gewerkschaften werden inzwischen auf unterschiedlichen Ebenen gepflegt. Solche Kontakte bilden den eigentlichen Kitt zwischen unseren beiden Ländern.
Seit 2013 kommen die Spitzen von DGB und ACGB in einem Gewerkschaftsforum zusammen. Das mehrtägige Forum findet im Wechsel in Deutschland und Peking statt und behandelt jeweils unterschiedliche Themenschwerpunkte. In bester deutscher Tradition findet das Forum ohne Einmischung der Regierung statt. Details über vergangene und zukünftige Foren müssen und werden folglich andere Referenten berichten können.
Zwar herrscht in der Spitze des ACGB immer noch das Bild einer Gewerkschaft vor, die den Willen der Kommunistischen Partei umsetzt und deren vorrangige Aufgabe darin liegt, die programmatischen Ziele in die Arbeitswelt zu übersetzen. Achtet man jedoch auf die zahlreichen Zwischentöne und immer wieder aufflammenden Reforminitiativen innerhalb der Staatsgewerkschaft wird deutlich, dass das chinesische Gewerkschaftssystem in Bewegung geraten ist.
Offen ist die Frage, ob sich der Wandel durch politische Entscheidungen „von oben“ steuern lässt? Oder ob längst die normative Kraft des Faktischen in Betrieben und einzelnen Regionen die Richtung bestimmt?
Aus unserer Sicht bietet der ACGB gemäß seinem heutigen Selbstverständnis einige hoch interessante Anknüpfungspunkte für einen deutsch-chinesischen Gewerkschaftsdialog: Der ACGB stellt sich als lernende Organisation dar, die sich durchaus kritisch mit ausländischen Gewerkschaftsmodellen auseinandersetzt. Das deutsche Modell dient dabei immer wieder als Bezugspunkt. Die deutsche „Sozialpartnerschaft“ und das chinesische Ideal „harmonischer Arbeitsbeziehungen“ werden von chinesischer Seite nicht selten als Wahlverwandtschaft dargestellt.
Wenig Erfolg versprechend ist aus meiner Sicht aber der Versuch, deutsche Kerninstitutionen wie Mitbestimmung und Tarifautonomie deckungsgleich auf die chinesischen Verhältnisse übertragen zu wollen. Die Entwicklung der vergangenen Jahre legt vielmehr den Schluss nahe: China wird seine ganz eigenen Institutionen und Strukturen auf den Weg bringen. Wenn der Aufbau eines gleichermaßen demokratischen wie intelligenten Systems der Arbeits- und Konfliktregulierung gelingt, dann hätte China ganz nebenbei entscheidende Voraussetzungen geschaffen, um seine Wirtschaft und Industrie weiterzuentwickeln: mehr Qualität und mehr Innovation.
Wir alle – Bundesregierung, Gewerkschaften, Betriebsräte und Unternehmen – tun gut daran, diesen Prozess in den kommenden Jahren durch eine Doppelstrategie zu unterstützen: einerseits wollen wir mit dem ACGB weiterhin kritisch-konstruktiv diskutieren und dabei andererseits die zahlreichen dezentralen Organisationen und Reformkräfte so gut es geht einbinden. Das ist zugegebenermaßen anstrengend, aber eben auch lohnenswert.
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Schon heute hat der Aufstieg Chinas als politischer und wirtschaftlicher Akteur bereits in einem größeren Maße Einfluss auf die globale Weltordnung und auch Europa als viele bislang realisiert haben. Richtungsweisende Entscheidungen in Peking haben oft unmittelbare Auswirkungen auf viele Partner in der ganzen Welt. Dies gilt in besonderem Maße auch für Deutschland, das als Exportnation mit China in der „Champions League“ konkurriert – und kooperiert.
Im Titel Ihrer Konferenz haben Sie mit den Schlagworten „Globalisierung“ und „Nachhaltigkeit“ bereits die beiden zentralen Punkte benannt, in deren Spannungsfeld der politische und wirtschaftliche Aufstieg Chinas erfolgt. Nachhaltigkeit umfasst für mich zwingend einen verantwortungsvollen Umgang mit Umwelt und Beschäftigten unter Achtung von Menschen- und Arbeitnehmerrechten. Auf diesem Weg unterstützen wir unsere chinesischen Partner gerne mit Rat und Tat.
Ich freue mich über die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema hier auf dem Branchenforum Chemie. Ich bin mir sicher: dadurch werden nicht nur wichtige Impulse für ihre Arbeit ausgehen. Es wird auch zur weiteren Stärkung des deutsch-chinesischen Austauschs in diesem Bereich beitragen. Ich danke Ihnen daher für Ihr bisheriges Engagement und wünsche Ihnen für Ihre wichtige Arbeit weiterhin viel Erfolg! Glück auf!