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Ebola: „Viel zu früh für Entwarnung“
Interview mit dem Sonderbeauftragten der Bundesregierung für den Kampf gegen Ebola, Walter Lindner, über die aktuelle Lage in den von der Epidemie betroffenen Ländern. Erschienen auf www.spiegel.de (22.12.2014).
Interview mit dem Sonderbeauftragten der Bundesregierung für den Kampf gegen Ebola, Walter Lindner, über die aktuelle Lage in den von der Epidemie betroffenen Ländern. Erschienen auf www.spiegel.de (22.12.2014).
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Herr Lindner, die Ebola-Seuche in Afrika - hauptsächlich in Sierra Leone, Liberia und Guinea - ist fast aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden. Besteht etwa Anlass zu Optimismus?
Die Lage bleibt vor Ort schwierig und alles andere als entspannt. Auch wenn mancherorts die Zahl der Erkrankungen zurückgegangen ist, so ist es noch viel zu früh für eine Entwarnung. Dass Ebola in den vergangenen Wochen in den Hintergrund gerückt ist, liegt natürlich auch daran, dass wir weltweit ständig neue, auch parallel laufende große Themen haben.
Vor kurzem gab es Meldungen, wonach in Nigeria und Senegal keine neuen Ebola-Fälle auftauchten.
Man sollte mit solchen Einschätzungen sehr vorsichtig umgehen. Ebola ist regional, auch in den Ländern selbst, sehr unterschiedlich verbreitet. In Liberia ist die Zahl der Neuinfektionen bis auf 10-20 pro Tag abgesunken, ähnliche Tendenz in Conakry, der Hauptstadt Guineas. In Sierra Leone hingegen liegt die Zahl der Neuinfektionen immer noch bei rund 500 pro Woche. Wir lernen alle - ich betone alle - jeden Tag hinzu, wie sich Ebola verbreitet und wie wir das Virus am besten bekämpfen können. Es wird immer wieder Rückschläge geben, wir haben noch einen langen Weg vor uns.
Sie waren vier Mal in der Region. Wie gehen Sie mit Ebola um?
21 Tage lang beobachte ich mich natürlich genau, dazu gehört auch das Fiebermessen. Ich vermeide auch das Händeschütteln und Körperkontakt. Meine Umgebung weiß das: Familie, Mitarbeiter, Journalisten, selbst die beteiligten Minister und die Kanzlerin. Eines ist wichtig: Man darf nicht leichtsinnig werden, nach dem Motto, nach der fünften Reise gehe ich es mal lockerer an! Die Infektionsgefahr vor Ort ist - bei vernünftigem, vorsichtigen Verhalten - zwar gering, auch für jemand wie mich, der auch in die Behandlungszelte geht. Aber dennoch: Man muss stets konzentriert und wachsam sein.
Es gab zunächst viel Kritik am Umgang der Bundesregierung mit der Seuche. Wie konkret ist die Hilfe Deutschlands?
Natürlich kamen wir alle spät - das gilt für die gesamte Staatengemeinschaft. Mein Job ist jetzt nicht die Rückschau, sondern dafür zu sorgen, dass die deutsche Hilfe ankommt. Und das tut sie. Ein Beispiel ist die Luftbrücke der Luftwaffe mit bis jetzt über 130 Flügen in der Region. Sie bringt für die Uno und einzelne Hilfsorganisationen alles Mögliche vor Ort - von Nahrungsmitteln, technischem Gerät über Decken bis hin zu Spielzeug. Das wird von allen überaus geschätzt und wahrgenommen. Oder - das Technische Hilfswerk stellte 400 Motorräder mit Kühlboxen für den schnellen Transport von Blutproben zu Laboren zur Verfügung. In mehreren Ländern Afrikas haben wir auch Untersuchungslabore installiert.
Wie steht es um die Bettenstationen?
Rotes Kreuz und Bundeswehr betreiben in der liberianischen Hauptstadt Monrovia ein Behandlungszentrum. Das Rote Kreuz ist zudem substantiell an einer vom Internationalen Roten Kreuz betriebenen Ebola-Station in Kenema, einer Provinzhauptstadt in Sierra Leone, beteiligt. Gegenwärtig werden zudem Details einer Ausweitung des Engagements von Internationalem und Deutschem Roten Kreuz in Sierra Leone geprüft.
Wie ist die Lage in Liberias Hauptstadt Monrovia?
Die Zahlen in Monrovia sind tatsächlich seit einigen Wochen gesunken. Dennoch ist es zu früh, die weitere Entwicklung abzusehen. So stehen Senatswahlen in Liberia an, dann folgen die Weihnachtsfeiertage mit Besuchsreisen. All dies sind zusätzliche Unsicherheitsfaktoren - die positiven Zahlen können sich also jederzeit wieder ändern. Alle Behandlungszentren in Monrovia bleiben im Stand-by, auch wenn es zur Zeit überzählige Bettenkapazitäten gibt. Dies gilt auch für das vom Roten Kreuz und der Bundeswehr betriebene Behandlungszentrum.
Was machen die Ärzte jetzt konkret?
Um auch in Stand-by-Phasen unsere freiwilligen Helfer vor Ort flexibel und auf die Entwicklung der Fallzahlen einsetzen zu können, hatten wir vor Wochen zusätzliche Einsatzmöglichkeiten identifiziert. So organisieren deutsche Ärzte und Helfer seit über zwei Wochen unter anderem Ebola-Eingangskontrollen, die sogenannte Triage für das größte Krankenhaus von Monrovia, das John-F.-Kennedy-Krankenhaus. Sie teilen also Infizierte bei Ankunft nach dem Infektionsgrad ein, um eine passende Behandlung sicherzustellen. Gleiches wird auch für das Uno-Krankenhaus organisiert, das für Tausende Blauhelme der Unmil-Mission zuständig ist.
Reicht das deutsche Personal aus?
Für die gegenwärtige Besetzung in beiden Behandlungszentren ja. Auch die nachfolgendende Personengruppe ist abgedeckt. Danach kann sich weiterer Bedarf abzeichnen. Auch müssen wir sehen, ob es zu einem zusätzlichen Engagement des Internationalen Roten Kreuzes in Sierra Leone kommt. Vielleicht wird das Deutsche Rote Kreuz dann dort zusätzliche Betten betreuen. Das müssen wir sehen. Wir gehen da Schritt für Schritt vor. Schon jetzt Personal in Deutschland auszubilden für Einsätze, die noch Wochen entfernt sind, macht wenig Sinn. Das Training soll möglichst nahe vor dem Einsatz erfolgen.
Interview: Severin Weiland. Übernahme mit freundlicher Genehmigung von Spiegel online.
www.spiegel.de