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Rede von Außenminister Wadephul in der Haushaltsdebatte des Bundestages
Vor einer Woche bin ich in die Ukraine gereist. Das war mein zweiter Besuch seit dem Amtsantritt. Dieses Mal bin ich ganz bewusst auch nach Odessa gefahren. Viele von Ihnen wissen: Die über Jahrhunderte große, prächtige Stadt am Schwarzen Meer war und ist weiterhin multikulturell, multireligiös. Unmittelbar nach meinem Besuch wurde sie wieder, wie seit der russischen Invasion, durch Russland attackiert, war Ziel von russischem Raketenterror.
Für mich war das sehr bewegend. Ich habe dort die jüdischen Kinder, die Waisenkinder, getroffen, die wir hier in Berlin aufgenommen haben, und habe stellvertretend für Sie alle, für die Bundesrepublik Deutschland den Dank entgegengenommen, den ich hier gerne weitergeben will. Wir haben diese Kinder ein Jahr lang ohne bürokratische Hürden aufgenommen. Ein herzliches Dankeschön für diese Unterstützung! Das ist ein gutes Zeichen der Solidarität, nicht nur mit Jüdinnen und Juden überall auf der Welt, sondern in ganz besonderer Weise auch mit Ukrainerinnen und Ukrainern. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, diesen klaren Kurs an der Seite der Ukraine müssen wir fortsetzen.
Ich sage ein herzliches Dankeschön und werde das auch den Verantwortlichen in Hamburg sagen. Die Hamburger Hafen und Logistik AG betreibt den Hafen in Odessa. Das wäre nicht möglich ohne ihr Engagement den ganzen Krieg hindurch; das wird dort sehr hoch anerkannt. Sie alle wissen, dass für die gesamte Ver- und Entsorgung der Ukraine, aber auch für das World Food Programme - ich habe den örtlichen Direktor dort getroffen - die ukrainische Produktion von außerordentlicher Wichtigkeit ist. Deswegen auch ein herzliches Dankeschön an die Freie und Hansestadt Hamburg für ihr Engagement, ganz praktisch, dort vor Ort, in einer anderen Hafenstadt, gelebte Städtepartnerschaft, die wir alle begrüßen sollten.
Aber wir alle wissen: Die Ukraine ist nicht der einzige Krisenherd, mit dem wir uns beschäftigen müssen. Wir erleben eine Gleichzeitigkeit von Großkonflikten. Ich denke da an den Nahen Osten, an den Iran, an Israel, an den westlichen Balkan, auf dem die Lage immer noch sehr fragil ist. Ich denke auch an viele Regionen im Globalen Süden, etwa die katastrophale Krise in Sudan und Südsudan, eine der größten humanitären Krisen, die wir derzeit auf der Welt sehen und die fast vergessen scheint, weil sie kaum Einzug in unsere Schlagzeilen findet. Frau Staatsministerin Güler wird demnächst dorthin fahren.
Ich kann uns alle in dieser Situation auch nur aufrufen, dass wir die Augen nicht verschließen vor dem Leid der Menschen - ich nenne sie exemplarisch, weil es dort die größte Krise gibt - im Südsudan.
Die Vereinigten Staaten von Amerika ziehen sich bedauerlicherweise aus allen Projekten von USAID zurück und sehen ihre internationale Verantwortung dort nicht mehr in der Art und Weise, wie wir es über Jahrzehnte gewohnt waren. In der Situation - das sage ich auch mit Blick auf diesen Haushalt - appelliere ich an Sie, Kolleginnen und Kollegen, das in den parlamentarischen Verhandlungen ernst zu nehmen, aber bitte - das werden wir in den Regierungsverhandlungen zu berücksichtigen haben - auch bei dem nächsten Haushalt und den nächsten Haushalten. Angesichts der Zahl, des Umfangs, der Tiefe und der Schärfe dieser humanitären Krise sind wir schon unter humanitären Gesichtspunkten - man kann auch sagen: unter christlichen Gesichtspunkten - als Bundesrepublik Deutschland gefordert, uns in diesen Regionen deutlicher zu engagieren, als wir das bisher tun.
Wir müssen das darüber hinaus im Übrigen auch aus eigenem Interesse tun. Das ist wichtig, sollten derartige Konflikte die ganze Situation, etwa in Afrika, weiter erodieren lassen und es weiter zu Wanderungsbewegungen, zu Migrationsbewegungen in die unmittelbare Nachbarschaft kommen. Wir sehen jetzt schon, dass viele aus dem Sudan in die Nachbarländer gehen, etwa ins südliche Ägypten. Das ist wichtig, sollte sich das fortsetzen. Ich kann es noch im Konjunktiv sagen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Wir alle haben das 2015/2016 erlebt und kurieren an manchen Symptomen politisch noch heute herum, was auch die Befragung gerade noch einmal gezeigt hat. Wir sind gefordert, die Wurzeln dieser Flüchtlingsbewegung zu bekämpfen. Deswegen ist es in unserem ureigenen Interesse, uns dort zu engagieren. Das tun wir mit dem BMZ-Haushalt, aber das tun wir auch mit dem Haushalt des Auswärtigen Amtes. Dazu brauchen wir Ihre Unterstützung, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, der ganz prinzipiell wichtig ist - er erscheint manchmal etwas klein, aber ich möchte ihn in den aktuellen Haushaltsberatungen auch für die Zukunft weiter betonen:
Der Auswärtige Dienst ist ein zentrales Element unserer Außenpolitik. Wir beschäftigen weltweit knapp 14 000 entsandte und lokal beschäftigte Kolleginnen und Kollegen, überwiegend an unseren Auslandsvertretungen. In rund 800 Liegenschaften arbeiten und leben sie; das ist die Infrastruktur unserer Partnerschaften. Und wir brauchen modern ausgestattete Auslandsvertretungen.
Ich möchte hier in der Trivialität, aber auch angesichts der Dringlichkeit der Thematik einmal sagen, wie viele Kolleginnen und Kollegen an vielen Orten der Welt arbeiten müssen: Wir haben Botschaften, die fast zusammenbrechen. Wir haben Auslandsvertretungen, die nicht hinreichend statisch gesichert sind.
Insbesondere sind sie nicht gesichert gegen mögliche gewalttätige Angriffe von außen. Und sie sind sicherheitstechnisch nicht gegen Cyberangriffe, gegen digitale Angriffe gesichert. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muss Sie herzlich bitten, diese Arbeitsbedingungen unserer - nicht nur meiner, sondern unserer - Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für uns den Dienst an schwierigen Orten der Welt tun, zu berücksichtigen und uns die notwendigen Mittel für eine Modernisierung dieser Auslandsvertretungen zur Verfügung zu stellen. Ich möchte, dass der Auswärtige Dienst wieder klarer ein auswärtiger Dienst wird, das heißt, dass ich die Kolleginnen und Kollegen mit Ihrer Unterstützung guten Gewissens in die Welt entsenden kann. Und dafür müssen wir ihnen die notwendigen materiellen Voraussetzungen geben. Dafür brauchen wir Geld in dieser Situation.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte vergessen wir nicht, dass das ein entscheidendes Kapital ist, das wir im Ausland haben, dass diese Menschen, dass die Diplomatinnen und Diplomaten, aber auch alle Konsularmitarbeitenden und sehr viele unterschiedliche Menschen, die in den Auslandsvertretungen ihren Dienst tun, unser Gesicht in der Welt sind, dass sie unsere beste Investition sind, dass sie eine Investition in gute, friedliche, erfolgreiche und übrigens auch unseren Wohlstand sichernde Beziehungen in der Welt sind. Dieses Geld ist gut investiert. Wir können es nicht mit entscheidend weniger Personal machen, auch wenn natürlich die Einsparvorgaben der Bundesregierung gelten und auch ich schauen muss, was ich einsparen kann.
Aber ich kann Ihnen sagen: Jede Frau und jeder Mann, jede Person, die wir ins Ausland entsenden, ist eine gute Investition in unsere Außenpolitik, in unsere Außenwirtschaftsbeziehungen, in unsere kulturellen Beziehungen, nicht nur zu Nachbarländern, sondern weit in die Welt hinaus. Wir haben da eine große Verantwortung. Ich bitte um Ihre Unterstützung bei den Haushaltsberatungen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.