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Rede von Außenminister Steinmeier anlässlich der Konferenz “World Health Summit”, 19. Oktober 2014
--- Es gilt das gesprochene Wort ---
Sehr geehrter Herr Bundesminister Gröhe,
Sehr verehrte Madame Girardin,
Sehr geehrter Herr Professor Ganten,
Sehr geehrter Herr Professor Auler,
Sehr geehrter Herr Prof. Marshall,
Exzellenzen, meine Damen und Herren,
Liebe Gäste,
es ist mir eine Ehre und Freude, Sie zum sechsten World Health Summit begrüßen zu dürfen! Der World Health Summit ist weltweit eine der größten Fachkonferenzen zu globalen Gesundheitsfragen. Dass diese Konferenz nun zum zweiten Mal im Auswärtigen Amt stattfindet, hätte man hier vor kurzem womöglich noch wortreich begründen müssen. Heute genügt es, einen Satz zu zitieren: „Der historisch beispiellose Ausbruch von Ebola in Afrika ist eine Gefahr für die internationale Sicherheit und den Frieden.“ So hat es der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vor einem Monat einstimmig festgehalten.
Heute kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass Ländergrenzen überschreitende Gesundheitsgefahren nach neuen Formen der internationalen Zusammenarbeit verlangen.
Wenn wir nicht handeln, werden die Folgen – auch für uns in Deutschland – unkalkulierbar.
In den letzten Wochen haben uns dramatische Hilferufe aus der Region erreicht. Für uns ist klar: Wir dürfen die Menschen nicht allein lassen – und wir lassen sie nicht allein! Ich verstehe jeden, der den Eindruck hatte, die internationale Staatengemeinschaft würde nicht genug tun. Und ich füge selbstkritisch hinzu: Wahrscheinlich ist auch der Vorwurf richtig, dass wir auf die Größenordnung und auf die Dynamik der Epidemie nicht ausreichend vorbereitet waren. Umso wichtiger ist nun, dass alle Staaten, aber auch Sie, die Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft, ihren Beitrag leisten, um der Ausbreitung der Epidemie Herr zu werden.
Im Moment sind wir noch weit davon entfernt!
Ebola breitet sich scheinbar unaufhaltsam in Westafrika aus. Das Virus hat sich tief in die Gesellschaften in Liberia, Guinea und Sierra Leone gefressen. Rund 8.900 Menschen sind infiziert, mehr als 4.400 Tote sind bereits zu beklagen. Die WHO schätzt, dass die tatsächlichen Fallzahlen etwa doppelt so hoch sind. Unter der Last der Epidemie drohen die ohnehin schwachen öffentlichen Gesundheitssysteme zu zerfallen. Zu dieser humanitären Katstrophe tritt eine politische und soziale Krise: wo nicht bereits der Verlust von Angehörigen Gemeinschaften zerreißt, erschüttern Panik und Ausgrenzung das soziale Gefüge. Die am schlimmsten betroffenen Länder gehören ohnehin zu den ärmsten der Welt. Und nun das: Ernten werden nicht eingefahren, Schulen verwaisen, das soziale Leben gefriert. Wankende Gesellschaften und zerfallende staatliche Strukturen sind der Nährboden für Unruhen, Radikalisierung und, ja, auch Krieg. Diese schlimmen Zusammenhänge kennen wir leider bereits aus anderen Krisenregionen.
Wer sich das Ausmaß dieser Krise bewusst macht, wird einsehen: Im gemeinsamen Kampf gegen das unsichtbare Virus kann kein Land alleine erfolgreich sein, hier muss ein internationales Bündnis zusammenstehen.
Vor diesem Hintergrund hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen eine Mission für Westafrika ins Leben gerufen, die eine neue Form der internationalen Zusammenarbeit generieren soll.
Deshalb koordinieren die Vereinten Nationen und die Weltgesundheitsorganisation die internationalen Bemühungen im Kampf gegen Ebola.
Die Bundesregierung stellt ihr Engagement in den Kontext dieser internationalen Allianz:
Wir haben eine Luftbrücke eingerichtet, um gemeinsam mit bis zu 100 Soldatinnen und Soldaten eine Logistikkette aufzubauen und zu betreiben. Erste Hilfsflüge von Dakar nach Monrovia wurden durchgeführt.
Die Bundesregierung unterstützt das Deutsche Rote Kreuz dabei, Behandlungskapazitäten mit mehr als 200 Betten sowie Basisgesundheitsstationen zu betreiben. Die Bundeswehr arbeitet gerade daran, ein Lazarett für bis zu 50 Patienten in die Region zu transportieren und beim Aufbau zu helfen. Wir wollen weiteres medizinisches Hilfspersonal gewinnen und die Voraussetzungen für eine funktionsfähige Rettungskette schaffen.
Die Bundesregierung stellt Hilfe in Höhe von über 100 Millionen Euro zur Verfügung. Die Mittel gehen an die WHO und humanitäre Nichtregierungsorganisationen, die direkt vor Ort die dringend notwendige Hilfe leisten. Zudem geht es um die Unterstützung des Deutschen Roten Kreuzes, zusätzliche Diagnostiklabore und vor allem logistische Unterstützung von Hilfslieferungen.
Wir stehen in ständigem Kontakt mit Partnern der humanitären Hilfe und Entwicklungs-zusammenarbeit genau wie mit engagierten Unternehmen und privaten Initiativen, um weiteres medizinisches Material und Lebensmittel an Ort und Stelle zu bringen. Das Technische Hilfswerk ist hierbei eng eingebunden.
Darüber hinaus haben wir mit Botschafter Lindner einen Sonderbeauftragen ernannt, um die Maßnahmen Deutschlands im Kampf gegen Ebola aus einer Hand zu koordinieren und eine zentrale Anlaufstelle zu schaffen. Er wird morgen früh hier bei der Sonderveranstaltung zu Ebola über seine Eindrücke der Lage vor Ort detailliert berichten.
Wir wissen mittlerweile um die Bedeutung privaten Engagements in der Bekämpfung akuter humanitärer Krisen.
In unserem Land haben sich innerhalb weniger Tage tausende Freiwillige auf einen Aufruf der Bundesregierung und des Deutschen Roten Kreuzes gemeldet. Viele von ihnen werden derzeit für ihren Einsatz im Krisengebiet geschult. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um diesen vielfach jungen Menschen für ihre Einsatz- und Hilfsbereitschaft zu danken. Was wir in der Politik manchmal abstrakt unter „mehr Verantwortung in der Welt übernehmen“ diskutieren – sie nehmen es ganz praktisch in die Hand, vielen Dank dafür!
Und ich freue mich auch, dass erste Unternehmen dem Aufruf des Auswärtigen Amts gefolgt sind, sich zu engagieren. Die Firma Bayer stellt Medikamente im Wert von über 3 Mio. US-$ zur Verfügung. Fresenius transportiere bereits zwei Isolierstationen nach Monrovia zur Verfügung, die Firma spendet Partec mobile Diagnosesysteme, Braun-Melsungen 50.000 Desinfektionshandschuhe.
Insbesondere der Afrikaverein der deutschen Wirtschaft und die German Healthcare Partnership haben sofort auf unseren Aufruf reagiert und ihre Mitgliedsunternehmen mobilisiert. Ich weiß, dass nicht jedes Unternehmen im Millionenbereich spenden kann. Es werden jedoch auch kleinere Beiträge gebraucht – und vor allem auch Ihre fachliche Expertise!
Wir werden morgen im Kreis der europäischen Außenminister zusammenkommen, um unsere Aktivitäten zu koordinieren und erste Lehren für die Zukunft zu ziehen. Ich glaube, wir müssen als EU hier schneller und schlagkräftiger werden. Ich schlage vor, dass wir hier auf drei Ebenen ansetzen:
Erstens müssen wir besser werden darin, unsere Kapazitäten zu teilen, zu bündeln und gemeinsam zu nutzen. Deutschland etwa bildet derzeit Freiwillige für ihren Einsatz in der Krisenregion aus. An diesen Ausbildungskapazitäten könnten auch Angehörige anderer EU-Länder partizipieren.
Zweitens: Das Ausmaß der Ebola-Krise erfordert einen umfassenden Ansatz sämtlicher Instrumente der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Wir sollten daher erwägen, eine eigene zivile EU-Mission zu entsenden. Dies würde auch Mitgliedstaaten ohne eigene nationale Strukturen vor Ort eine Plattform bieten, medizinisches Personal zu entsenden.
Drittens: Die EU entsendet heute ganz selbstverständlich gemeinsam ausgebildete Wahlbeobachter in alle Welt. Ich finde wir sollten darüber nachdenken, einen vergleichbaren Pool für medizinische und logistische Experten aufzubauen, den wir bei akuten Krisen schnell und zielsicher aktivieren können.
Ich habe jetzt ausführlich über Ebola gesprochen. Doch natürlich nimmt Ihr Kongress nicht nur Ebola, sondern die ganze Bandbreite gesundheitspolitischer Herausforderungen in den Blick.
Ebola zeigt eben: Neue Krankheiten und weltweite Epidemien sind nicht nur eine menschliche Tragödie und eine nationale Katastrophe, sie bedrohen auch die nationale und internationale Sicherheit. Gesundheitsgefahren beeinträchtigen auch wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungschancen sowie die soziale und politische Stabilität von ganzen Regionen.
Wachsende Gesundheitsgefahren erfordern, dass Regierungen und Fachleute schnell und effizient überregional zusammenarbeiten und Informationen austauschen –
Der World Health Summit nimmt sich dieser Zusammenarbeit an und ich danke Ihnen, Herr Professor Ganten, dass es erneut gelungen ist, eine Konferenz zu organisieren, in der sich alle für das Gesundheitswesen maßgeblichen Akteure aktiv einbringen.
Die Politik wird– das zeigt das Beispiel Ebola – die verschiedenen Herkulesaufgaben des globalen Gesundheitswesens alleine nicht bewältigen können.
Dafür brauchen wir Sie – die Wissenschaft, die Wirtschaft und insbesondere auch die Zivilgesellschaft. Ich danke Ihnen allen daher für Ihren Einsatz und heiße Sie nochmals herzlich in unserem Hause Willkommen!