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Rede von Außenminister Steinmeier vor der polnischen Botschafterkonferenz

23.07.2014 - Rede

Als erster deutscher Außenminister nahm Frank-Walter Steinmeier an der Konferenz der polnischen Botschafter in Warschau teil.

-- es gilt das gesprochene Wort --

Lieber Radek Sikorski,
Exzellenzen,
sehr geehrte Damen und Herren,

Radek Sikorski und ich kommen gerade von einem schwierigen und intensiven Außenrat in Brüssel. Natürlich wäre mein Rückweg kürzer gewesen, wenn ich nur bis Berlin geflogen wäre.

Aber es gibt ein schönes polnisches Sprichwort, das geht so:

„Kto drogi skraca, ten do domu nie wraca.“

Und der deutsche Volksmund sagt, dass man sich eine gute Gelegenheit nicht entgehen lassen soll. Deshalb bin ich der Einladung von Radoslaw Sikorski sehr gerne gefolgt. Lieber Radek, es ist mir eine große Ehre, als deutscher Außenminister auf einer polnischen Botschafterkonferenz zu sprechen, und ich danke Dir und Ihnen allen herzlich für diese Gelegenheit. Ich freue mich auf unser Gespräch!

Es ist das erste Mal, dass ein deutscher Außenminister Ihre Konferenz besucht. Und es geschieht in einem besonderen Jahr.

2014 ist ein besonderes Jahr – nicht nur wegen der Weltmeisterschaft.

Aber ich gebe zu: Auch ein bisschen wegen der Weltmeisterschaft…

Am Freudentaumel in meinem Land hatten zwei Menschen einen wichtigen Anteil: einer stammt aus Opole und der andere aus Gliwice. Ich weiß, dass sehr viele Polen mit Miro Klose und Lukas Podolski mitgefiebert haben – und deshalb vielleicht ja auch ein bisschen mit dem ganzen deutschen Team... Genug vom Fußball.

Ich sage: 2014 ist ein besonderes Jahr, weil wir –Polen und Deutsche– auf Wegmarken zurückblicken, die unsere gemeinsame Geschichte im Guten, wie im Schlechten geprägt haben.

- vor genau 100 Jahren: Zwei Pistolenschüsse in Sarajewo. Binnen Wochen versinkt Europa im Ersten Weltkrieg.

- vor 75 Jahren: Deutscher Überfall auf Polen. Deutschland entfacht den Zweiten Weltkrieg und mit ihm Menschheitsverbrechen, die in ihrem größtem Ausmaß hier, auf polnischem Boden, geschahen.

- vor 25 Jahren: Der demokratische Umbruch in Polen. Später: Mauerfall in Deutschland.

- vor 10 Jahren schließlich: die EU-Osterweiterung. Europa überwindet endgültig seine jahrzehntelange Spaltung. Und Polen wächst durch seine beeindruckende gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation ins Herz Europas – und das in fast atemberaubendem Tempo.

Ich weiß: 2014 werden viele Reden zur Geschichte des 20. Jahrhunderts gehalten.

Auch wenn es anfangs danach aussah: Ich will heute keine Geschichtsrede halten. Zumindest keine Rede, die dem Glauben entspringt, dass die Vergangenheit uns sozusagen erstarren lassen muss. Sondern im Gegenteil: Ich finde, der Blick auf die Geschichte, er sollte uns zugleich ermutigen und herausfordern!

Denn dieser Blick sendet uns zwei Botschaften:

Zum einen - auch wenn wir das ein oder andere kritisch und kontrovers diskutieren mögen: So gut wie heute waren die deutsch-polnischen Beziehungen noch nie.

Das ist gut! Doch mit dieser frohen Botschaft sollten wir uns nicht begnügen. Ich will, dass wir einen Schritt weiter gehen. Das ist die zweite Botschaft aus unserer Geschichte!

Wir gehen jetzt in eine neue Phase. Nach all dem, was im Innern gut geworden ist, ist es an der Zeit, unsere gemeinsame Kraft nach außen zu lenken!

Für all das Gute, was zwischen Polen und Deutschland in den letzten Jahrzehnten gewachsen ist: Frieden, Freundschaft, und wachsender Wohlstand –

für all das haben die Menschen in unseren Ländern Enormes geleistet.

Diese Kräfte, die in uns gewachsen sind, können wir jetzt nach außen wenden.

Es ist an der Zeit, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen in der Welt. Es ist an der Zeit, gemeinsam das Europa weiter zu entwickeln, dem wir beide, Deutschland und Polen, so viel zu verdanken haben.

Für mein Land kann ich sagen: Die Menschen wollen, dass Polen und Deutschland stärker zusammenarbeiten.

Ich habe zu Beginn meiner Amtszeit einen Review der deutschen Außenpolitik gestartet – eine breite öffentliche Debatte über die Rolle Deutschlands in der Welt. In diesem Rahmen hat unser Planungsstab eine große Meinungsumfrage durchgeführt. Eine Frage hieß: Mit welchen Ländern sollte Deutschland außenpolitisch stärker zusammenarbeiten? Mit großem Abstand nannten die Deutschen zwei Länder vor allen andern: Frankreich und Polen!

Diesen Review-Prozess der deutschen Außenpolitik habe ich auch deshalb angestoßen, weil ich einen Widerspruch empfinde: Den Widerspruch zwischen den Erwartungen von außen an uns einerseits und der Bereitschaft der Deutschen, sich stärker zu engagieren, andererseits. In Reaktion auf diesen Graben habe ich am Beginn meiner Amtszeit gesagt: Deutschland ist ein bisschen zu groß, um die Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren.

Und ich meine, etwas Ähnliches gilt für Polen. Der Economist hat das vor wenigen Wochen auf ein prägnantes Bild gebracht: Polen sei ein „Playground Turned Player“ – Polen sei vom historischen Spielplatz der Mächte zum Mitspieler geworden.

Wenn ich also von außenpolitischer Verantwortung spreche, dann meine ich nicht nur Verantwortung von Polen und von Deutschland, sondern gemeinsame Verantwortung. Was genau meine ich damit?

Eines vorneweg: Ich will nicht neuer Kraftmeierei das Wort reden. Ich will nicht, dass wir unsere eigenen Einflussmöglichkeiten überschätzen –weder wir Deutsche noch – das wissen Sie als erfahrene Diplomaten nur zu gut – noch Sie als Polen.

Was ich meine ist eine kluge gemeinsame Außenpolitik –

- eine Außenpolitik, die auch deshalb klug ist, weil sie aus ihrer Geschichte gelernt hat;

- eine Außenpolitik, die sich nicht versteckt in einer Welt, in der immer weniger Staaten über den Tellerrand der eigenen Interessen herausschauen;

- eine Außenpolitik, die gerade deshalb auf internationale Kooperation angelegt ist.

Das ist heute dringlicher denn je: Denn ausgerechnet 100 Jahre nach der Julikrise von 1914 müssen wir erleben, wie sich am östlichen Rand Europas wieder ein geopolitisches Denken, ein Denken in Einflusssphären Bahn bricht.

Russland hat mit der Krim-Annexion Völkerrecht gebrochen und die europäische Sicherheitsordnung in Frage gestellt. Das ist in jeder Hinsicht inakzeptabel und verdient schärfste Verurteilung.

Gestern im Europäischen Außenrat haben wir konstatieren müssen, dass Russland immer noch nichts tut, um in der Ostukraine ernsthaft zu deeskalieren, sondern dass – ganz im Gegenteil – Waffen und Kämpfer weiterhin über die Grenze fließen. Deshalb werden wir den Druck substanziell erhöhen müssen – die Voraussetzungen dafür haben wir gestern geschaffen.

Die Botschaft des vereinigten Europas an Russland ist klar und unmissverständlich: Europas Friedensordnung ist unsere höchste Errungenschaft seit den dunklen Epochen des 20. Jahrhunderts und wir werden sie, und die gezogenen Grenzen, verteidigen.

Ich bin daher - als einer der Ersten - nach Ausbruch der Ukraine-Krise ins Baltikum und zur Visegrad-Gruppe gereist. Ich habe deutlich gemacht, dass Deutschland an der Seite seiner Partner steht. Wir leben unter dem Schutz einer Sicherheitsarchitektur, deren Statik der unbedingte innere Zusammenhalt ist.

Alle Nationen in unserem NATO-Bündnis können sich sicher sein: Ihr werdet niemals allein dastehen! Und lassen Sie mich ganz ausdrücklich dazusagen: Die Sicherheit von Polen und Deutschland ist untrennbar verbunden.

Deshalb haben wir den Vorschlag gemacht, das multinationale Korps in Stettin, in dem Deutschland und Polen eng zusammenarbeiten, zu stärken.

Deswegen werden wir uns an verstärkten NATO-Aktivitäten beteiligen, etwa beim Air-Policing im Baltikum, den Marinemanövern in der Ostsee sowie etlichen NATO-Landmanövern. Und ich will nicht ausschließen, dass der Raum für Deutsch-Polnische Initiativen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit noch nicht erschöpft ist.

All das zeigt aus meiner Sicht: Auch unter Berücksichtigung der NATO-Russland-Grundakte sind wir handlungsfähig und können unserer Solidarität einen ganz konkreten Ausdruck geben.

Lassen Sie mich aber auch sagen: Es ist die gemeinsame Position der Deutschen Bundesregierung – darin sind die Bundeskanzlerin und ich uns einig -, dass wir beim bevorstehenden NATO-Gipfel in Wales nicht durch irgendwelche Formulierungstricks diese NATO-Russland-Grundakte unterminieren sollten.

Spätestens der schreckliche Flugzeugabschuss der MH17 – der Verlust von hunderten unschuldiger Menschenleben- er muss ein Weckruf an Russland sein:

Reißt das Ruder herum! Nutzt allen Euren Einfluss, um das zynische Treiben der Separatisten zu stoppen. Es ist doch in Russlands ureigenem Interesse, sich jetzt nicht abzuschotten, sich nicht wegzuducken – sondern die eigene Verantwortung zu erkennen und alles zu tun, um diesen Irrsinn zu stoppen.

Ich weiß, dass unsere Partner in Mittel- und Osteuropa mit ganz besonderer Sorge auf die Ukraine-Krise schauen. Doch der schreckliche Flugzeugabschuss zeigt:

Wir alle, ob nah oder fern, sind betroffen von diesem Unheil.

Wir stehen in tiefer Trauer und Verbundenheit mit denjenigen Ländern, die unschuldige Menschenleben verloren haben – ganz besonders mit unserm Nachbarn, den Niederlanden. Und wir haben, gemeinsam mit unserem niederländischen Kollegen, gestern die Botschaft gesendet: Sollte Russland nicht bereit sein, jetzt endlich mit Kooperation auf dieses Verbrechen zu antworten, sind die Weichen in noch schärfere Maßnahmen gestellt.

Aber, liebe Freunde, der Blick in unsere Vergangenheit, und gerade auf die Julikrise vor einhundert Jahren lehrt uns noch etwas anderes:

Niemals wieder darf die Diplomatie in Sprachlosigkeit verfallen!

Genau heute vor einhundert Jahren stellte Österreich-Ungarn sein scharfes Ultimatum an Serbien. Damit erreichte die Diplomatie in Europa das Ende der Fahnenstange. Bald darauf sprachen nur noch die Waffen.

Und wenn wir auf den weiteren Verlauf der letzten 100 Jahre blicken, dann müssen wir doch ehrlich analysieren: Isolation, Abschottung – all das, was manche die „harte Linie“ nennen: Erfolgsbeispiele liefert die Geschichte der letzten 70 Jahre nur sehr wenige!

Das heißt nicht, dass das Gegenteil richtig ist. Ich bin weder für Verzagtheit, noch für einen naiven Appell an Dialog. Es gibt Situationen, in denen das hilflos wirkt. Wo wir Grenzen aufzeigen müssen! Wo „Business as Usual“ endet. Das ist beim russischen Vorgehen gegenüber der Ukraine der Fall.

Aber Druck, Sanktionen oder Ultimaten sind allesamt kein Selbstzweck. Sondern sie müssen eingebettet sein in ein größeres Ziel. Druck alleine – ohne Einbettung in eine Politik, die weiß, was morgen und übermorgen stattfinden soll – ist keine Erfolgsgarantie! Druck macht dann Sinn, wenn gleichzeitig Gesprächs- und Verhandlungsangebote aufrecht erhalten bleiben; wenn es Anreize gibt, auf den Weg verantwortlicher Politik zurückzukehren, auf dem Russland derzeit ohne Zweifel nicht ist. Das ist die Logik hinter den Beschlüssen in Brüssel gestern!

In all der Krisendynamik müssen wir dennoch die Zukunft im Auge haben- den Konflikt vom Ende her denken.

Ich erinnere mich: zu Beginn dieser Krise sagte ein kanadischer Außenminister: ‚Wir müssen uns jetzt entshceiden, ob Russland Freund oder Feind oder Nachbar sein soll.‘ Ich sage: Freund oder Feind können wir entscheiden – Nachbarschaft nicht.

- Deshalb brauchen wir langfristige Perspektiven für irgendeine Form der Zusammenarbeit mit Russland.

- Wir müssen klären, welchen Platz Russland in der europäischen Sicherheitsordnung nach dieser Krise haben wird – auch wenn das derzeit sicherlich mehr an Russland liegt, als an uns.

- Wir brauchen tragfähige Konzepte für die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Raum von EU, dem weiteren Osteuropa und Russland.

Was heißt das für Polen und Deutschland? Wenn ich für eine gemeinsame europäische Außenpolitik werbe, dann ignoriere ich nicht, dass es im Innern Unterschiede gibt.

Die Erfahrungen von Polen und Deutschland miteinander, mit Europa, mit Russland haben uns unterschiedlich geprägt. Größere Teile meines Landes mussten keine Erfahrung unter dem Joch der Sowjetunion machen – ganz anders Polen. Natürlich führt uns das immer wieder zu unterschiedlichen Bewertungen – nicht nur in dieser Krise.

Doch was uns eint, das ist der unbedingte Wille, am Ende zusammenzustehen und gemeinsam zu handeln. Genau dieser Wille zur Gemeinsamkeit ist die innere Logik, der Herzschlag der Europäischen Union.

Dieser Logik dürfen wir vertrauen. Wir Deutsche vertrauen ihr auch mit unseren anderen Partnern in der Union– zum Beispiel mit Frankreich. Deutschland und Frankreich: Natürlich ist auch das eine Beziehung mit einer dunklen Vorgeschichte, mit Reibungen, Interessenskonflikten. Doch die Logik der Union – der unbedingte, historisch eingebrannte Wille zur Gemeinsamkeit – er hat aus dieser deutsch-französischen Beziehung eine Grundfeste in Europa werden lassen. Ich bin sicher: Deutschland und Polen sind auf demselben Weg!

Noch ein weiterer Gedanke zu dem, was ich unter ‚gemeinsamem Engagement‘ verstehe – ein deutlich pragmatischerer Gedanke: Europäische Außenpolitik heißt Arbeitsteilung.

Sie heißt: Engagement immer dann und dort, immer mit den Partnern und den Mitteln, durch die wir etwas bewegen können. Wohl wissend, wann und wo wir es nicht können.

Eine solche Politik ist immer ein Wechselspiel von Initiativen. Die Ukraine-Krise ist reich an Beispielen. Die Außenminister des Weimarer Dreiecks sind am 20. Februar nach Kiew gereist. Binnen 36 Stunden standen ukrainische und russische Paraphen unter dem Agreement. Auch wenn sich die Krise eine Woche später schon eine Umdrehung weiter entwickelt hatte – eines hat das Weimarer Dreieck gewiss erreicht: das Ende des Blutvergießens auf dem Maidan.

Später, im Juni, sind Radek und ich gemeinsam nach St. Petersburg gereist. Nicht als „Business as Usual“, sondern um gemeinsam zu testen, wo die russische Seite steht. Das in Petersburg zu tun, war weder für mich, noch für Radek eine Selbstverständlichkeit.

Ich frage Sie in all diesen Fällen: Hätte ein deutscher oder ein polnischer Außenminister diese Reisen alleine machen können? Wohl kaum. Hätte er durch Handeln alleine, ohne den Partner, die gleiche Wirkung gehabt? Auf keinen Fall.

Der Ukraine-Konflikt wird uns noch auf Jahre begleiten, und jeder Mosaikstein unserer Arbeit bleibt wichtig. Wenn es zum Beispiel an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wiederaufbau der Ukraine geht, so werden sich viele Augen auf Polen richten. Nicht nur weil Polen aktiv Unterstützung leistet -zum Beispiel, wenn ich an die für die Ukraine vielleicht wichtigste Frage der Dezentralisierung denke-, sondern weil Polen als Vorbild der Transformation nach dem Fall des Eisernen Vorhangs herausragt für die Menschen in der Ukraine – weil es ihnen Hoffnung gibt.

Diese hohen Erwartungen kann und soll Polen annehmen – auf diesem Weg kann Polen vorneweg schreiten! Nicht nur für die Ukraine, sondern auch in der Visegrad-Gruppe oder als Partner des Baltikums.

Die Arbeitsteilung in der Sache, sie spiegelt sich auch in den handelnden Personen wider. Sie alle sehen uns an: Radek und ich sind keine Zwillinge… Das geht schon bei der Haarfarbe los…

Dass wir verschieden sind, vielleicht unterschiedliche Stärken haben, muss kein Nachteil sein. Ich kann mich zum Beispiel noch gut erinnern, lieber Radek: Als wir am 20. Februar in Kiew waren und uns gerade mit Janukowytsch auf einen Text verständigt hatten, da rief uns Klitschko an, der zurück auf den Maidan gegangen war. Er sagte: ‚Ich kriege diese Vereinbarung hier nicht durch. Ich brauche Eure Unterstützung.‘ Also eilten wir vom Präsidentenpalast in den Maidan-Rat.

Vielleicht können Sie sich ein wenig vorstellen, wie die Arbeitsteilung zwischen uns beiden aussah: Radek hielt eine sehr emotionale Rede, und sagte: ‚Hier öffnet sich das historische Fenster, um Eure Revolution zu retten!‘ Und ich habe eher nüchtern argumentiert: ‚Ich weiß: Wir konnten nicht jede Eurer Forderungen durchsetzen. Aber glaubt mir: einen besseren Deal wird es nicht geben.„ ...

Ich glaube, unsere Arbeitsteilung funktioniert, denn uns verbindet das Ziel: eine aktive europäische Außenpolitik.

Lieber Radek, Du hast 2011 in Deiner Berliner Rede gesagt: “If we get our act together we can become a proper superpower.„

Ich will daran anknüpfen und fragen:

Was für eine Power will Europa denn sein, in dieser unübersichtlichen und multipolaren Welt? Ich glaube nicht, dass in dieser Welt ‚Stärke‘ und ‚Schwäche‘ die richtigen Kategorien von Außenpolitik sind.

Sondern wir brauchen eine Außenpolitik,

- die klug ist in ihrer Analyse,

- entschieden in ihren Standpunkten,

- kooperativ in ihren Angeboten,

- vielfältig in ihrem Instrumentenkasten,

- und attraktiv in dem Gesellschaftsmodell, das hinter uns steht.

Also: Nicht ‚weak‘. Nicht ‚strong‘. Sondern eine ‚Smart Power‘ sollten wir sein.

Liebe Freunde, für diese kluge gemeinsame Diplomatie unserer Länder will ich werben. Und dabei erinnere ich mich -ganz am Ende meiner Rede- an einige kluge Zeilen von Ryszard Kapuscinski, in dessen späten Texten ich neulich geblättert habe.

Als alt gewordener Journalist kehrte er zurück nach Polen. Aus dem kleinen Städtchen Naleczow schreibt er an einem Dezembermorgen des Jahres 1998:

“Ein trüber Tag. Das Krächzen der Krähen und Dohlen, scharf und durchdringend. Spaziergang durch einen Hohlweg.„

Auf seinen Spaziergängen reflektiert Kapuscinski die Jahrzehnte und die weiten Reisen, die hinter ihm liegen, und sagt: “Die Welt nach dem Kalten Krieg ist eine Welt diffuser Gefahren. Die Angst vor der Atombombe wurde abgelöst von der Angst vor dem Menschen, der uns auf einer dunklen Straße entgegenkommt.„

Liebe Freunde,

die deutsch-polnische Geschichte war voller dunkler Straßen. Wir haben aus ihnen gelernt, und gemeinsam ein wenig Licht in die Hohlwege gebracht. Arbeiten wir zusammen, dann werden wir Lösungen entwickeln für unsere ‚Welt diffuser Gefahren‘. Diese Welt, in der die Krisen zahlreicher sind als die Ansätze für Lösungen, wartet darauf.

Darin liegt, so glaube ich, unsere besondere Verantwortung.

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