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Rede von Staatsminister Roth zur Einbringung des Mandats für EUTM Somalia im Deutschen Bundestag
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Schon seit Wochen wird die öffentliche Debatte über die deutsche Afrikapolitik nur von einer Frage bestimmt: Werden deutsche Soldatinnen und Soldaten zum Einsatz kommen, um die politischen Krisen in Zentralafrika, Mali, Südsudan oder Somalia in den Griff zu bekommen?
Eine Verengung der Diskussion auf die Frage der Militäreinsätze ist aber nicht nur sachlich falsch. Sie zeugt auch von einer zutiefst verzerrten Wahrnehmung unseres Nachbarkontinents. Afrika als Kontinent der Gefahren und Risiken – von diesem einfachen Bild müssen wir uns lösen. Trotz aller Probleme und Schwierigkeiten, die es weiterhin gibt, zeigt die Entwicklung der vergangenen Jahre: Wir Europäerinnen und Europäer haben allen Anlass, unseren Blick mit etwas mehr Zuversicht in Richtung Afrika zu richten. Unser Bild wird realistischer, wenn wir zur Kenntnis nehmen: Afrika ist auch ein Kontinent der Hoffnung, Chancen und Potenziale.
Deshalb lassen Sie uns heute bei der Entscheidung über das Mandat für die Entsendung von deutschen Soldatinnen und Soldaten zur EU-Ausbildungsmission in Somalia nicht nur den sicherheitspolitischen Rahmen im Blick haben. Dieses Mandat ist vielmehr ein kleiner, aber wichtiger Baustein eines umfassenden Gesamtansatzes in der Afrikapolitik.
Afrika hat sich in den vergangenen Jahren viel schneller gewandelt als unser Blick von außen auf Afrika. Dabei müssen wir uns bewusst sein: Der Kontinent, seine Länder und Regionen entwickeln sich nicht nur mit zunehmender Dynamik, sondern auch in ganz unterschiedlicher Weise und Geschwindigkeit. Wir müssen lernen, diese Entwicklungen und die damit verbundenen Chancen frühzeitig zu erkennen und in ihrer jeweiligen Eigenart zu erfassen. So komplex die Ausgangslagen sind, so differenziert sollten auch unsere Antworten sein. Wenn wir erfolgreich sein wollen, gilt es, das gesamte Instrumentarium unserer Außenpolitik einzusetzen.
Denn Fragen von Politik und Sicherheit, von Wirtschaft und Gesellschaft sind untrennbar miteinander verknüpft. Frieden und Sicherheit sind zwingende Voraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand. Das Wachstum Afrikas in den vergangenen Jahren eröffnet beachtliche wirtschaftliche Perspektiven für zahlreiche Länder. Aber wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass der wirtschaftliche Aufschwung am Ende bei den Menschen ankommt. Mehr Arbeitsplätze, eine gerechte Einkommensverteilung und eine gesicherte Versorgung mit Nahrungsmitteln, Wasser, Energie und Gesundheitsleistungen sind letztlich das beste Stabilitätsprogramm für den ganzen Kontinent.
Es gibt aber eben auch die Schattenseiten. Die Bundesregierung sieht mit Sorge, wie in vielen afrikanischen Staaten Frauen oder ethnische, religiöse und sexuelle Minderheiten teilweise unterdrückt und politisch verfolgt werden. Dazu dürfen und werden wir nicht schweigen!
Unsere Auseinandersetzung mit Afrika darf nicht heute in eine sicherheitspolitische Debatte, morgen in eine entwicklungspolitische Debatte und übermorgen in eine wirtschaftspolitische Debatte zerfasern. Denn unser vielseitiges Engagement für und in Afrika muss ineinander greifen, wenn wir einen verantwortungsvollen Beitrag für mehr politische und wirtschaftliche Stabilität leisten wollen.
Der vierte EU-Afrika-Gipfel, der im April 2014 in Brüssel stattfindet, ist ein guter Anlass, um gemeinsam mit unseren afrikanischen Partnern Bilanz zu ziehen und neue Impulse für die Afrikapolitik zu vereinbaren. Es wird eines der großen Projekte der EU in den kommenden Jahren sein, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, die der Bedeutung unseres Nachbarkontinents endlich gerecht wird. Ein Kernanliegen ist für uns eine fortschreitende Integration Afrikas und die Förderung von sicherheitspolitischer Eigenverantwortung. Die Afrikanische Union (AU) spielt dabei eine zentrale Rolle. Unsere Unterstützung beschränkt sich nicht allein auf das Krisenmanagement, etwa durch finanzielle Unterstützung für die AU-Missionstruppen in Somalia oder Hilfe beim Aufbau einer afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur.
Um Frieden und Sicherheit dauerhaft zu sichern, brauchen wir aber mehr als reaktives Krisenmanagement. Noch viel wichtiger ist eine vorausschauende Krisenprävention, damit politische Krisen und gewaltsame Konflikte im besten Fall gar nicht erst entstehen. Erfolgsbeispiele gibt es einige – wie die Einrichtung von Frühwarnsystemen oder das Grenzmanagementprogramm der Afrikanischen Union, bei dem durch gemeinsame Grenzdemarkationen Konflikte über den Grenzverlauf ausgeräumt werden sollen. Krisenprävention betreiben wir aber auch, indem wir die restriktive Kontrolle von Kleinwaffen in Westafrika und der Sahelzone fördern.
Auch in Mali geht es uns nicht allein um die Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten. Wir unterstützen das Land bei einer umfassenden Reform des Sicherheitssektors. An dieser Stelle will ich Mali auch als ein positives Beispiel dafür nennen, dass wir unser Engagement mit gutem Grund auf einzelne Ländern konzentrieren: Langjährige Erfahrung, Vertrautheit mit den Verhältnissen vor Ort und gegenseitiges Vertrauen sind wie im Falle Malis eine gute Voraussetzung dafür, dass unser Handeln am Ende auch von Erfolg gekrönt ist.
Staaten und Gesellschaften in Afrika gewinnen vielerorts an Stabilität. Rechtsstaatlichkeit, der Zugang zu Bildung und eine starke Zivilgesellschaft sind hierfür ganz besonders wichtige Voraussetzungen. Ein funktionierender Rechtsstaat trägt maßgeblich dazu bei, die Menschen- und Bürgerrechte zu schützen und gute wirtschaftliche und unternehmerische Rahmenbedingungen zu schaffen. Afrikanische Staaten stehen dabei vor ganz unterschiedlichen Problemen und Schwierigkeiten, bei deren Bewältigung wir mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ein gutes Beispiel dafür ist der deutsch-tansanische Erfahrungsaustausch bei der Ausbildung von Rechtsstaatsvertretern in Daressalam. Diese kleinen Erfolgsgeschichten machen uns Mut. Lassen Sie uns darauf auch in Zukunft aufbauen.
Der von mir skizzierte umfassende afrikapolitische Ansatz ist Grundlage unserer heutigen Entscheidung. Mit dem Votum des Bundestages für eine weitere Beteiligung deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Ausbildungsmission EUTM Somalia können wir heute ein wichtiges Signal für das deutsche und europäische Engagement am Horn von Afrika senden. Dieses Signal kommt in mehrfacher Hinsicht zur rechten Zeit.
Seit dem 3. März 2014 gehen die Truppen der Mission AMISOM der Afrikanischen Union gemeinsam mit Einheiten der somalischen Streitkräfte gegen die radikalislamistische al-Shabaab vor. Den Kern der somalischen Streitkräfte bilden dabei die rund 3.600 somalischen Soldaten, die bis Ende 2013 im Rahmen der EU-Mission ausgebildet wurden.
Neben dieser militärischen Offensive müssen aber auch weitere nicht-militärische Schritte folgen. Nur so kann es gelingen, die befreiten Gebiete dauerhaft zu halten und die Lebensbedingungen der dortigen Bevölkerung nachhaltig zu verbessern. Auch hier setzt deutsche Unterstützung an, beispielsweise durch KfW-Kredite zur Finanzierung sogenannter „quick impact“-Projekte. Mit diesen Projekten unterstützen wir die Menschen in der Region schnell und gezielt.
Unverzichtbar ist aber auch, dass wir der somalischen Zentralregierung aktiv beim Wiederaufbau von handlungsfähigen Verwaltungs- und föderalen Strukturen helfen.. Nur dann kann sie den Stabilisierungsprozess des Landes so gestalten und steuern, wie es ihr in der Übergangsverfassung von 2012 zugewiesen wird. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, braucht die Zentralregierung aber zwingend einen funktionierenden Sicherheitsapparat, dessen Strukturen und Fähigkeiten derzeit nur sehr schwach ausgeprägt sind. Genau an diesem Punkt setzt die Mission EUTM Somalia an. Wir wissen aber sehr genau: Schnelle Erfolge dürfen wir nicht erwarten. Vor uns – und vor unseren Partnern in Somalia – liegt eher ein langer Marathonlauf als ein kurzer Sprint.
Ein erster wichtiger Schritt auf diesem Weg war es, den Ausbildungsauftrag um Beratungsleistungen für das somalische Verteidigungsministerium und die militärischen Führungsstrukturen zu erweitern. Ebenso richtig ist es, die Mission nun schrittweise von Uganda (wo die Ausbildung bislang stattfand) nach Somalia zu verlagern. Auf diesem Fundament baut die Mission nun vor Ort weiter auf. Unsere somalischen Partner zeigen viel Wertschätzung für diese Unterstützung – auch weil diese nun endlich im eigenen Land stattfindet.
Klar ist: Für die Mission in Mogadischu ist die Bedrohungslage ohne Zweifel höher als bislang in Uganda. Daher hat die Bundesregierung die Sicherheitslage sehr sorgfältig geprüft. Auch wenn die Situation in Somalia auf absehbare Zeit weiter sehr fragil bleibt, ist angesichts der bereits ergriffenen Schutzmaßnahmen eine erneute Beteiligung deutscher Soldatinnen und Soldaten nicht nur sicherheitspolitisch richtig, sondern auch vertretbar. Ein Restrisiko von Rückschlägen muss angesichts der instabilen Lage in Somalia allerdings immer einkalkuliert werden. Dessen sind sich die Bundesregierung ebenso wie die EU bewusst. Wir prüfen die Bedrohungslage fortwährend und passen die Schutzmaßnahmen gegebenenfalls an.
Mit zunächst einem permanent vor Ort stationierten Berater und der abschnittsweisen Entsendung von drei Ausbildern bleibt der Umfang der deutschen Beteiligung an EUTM Somalia zunächst verhältnismäßig bescheiden. Dennoch haben die somalische Regierung und unsere europäischen Partner dieses wichtige Signal unserer Unterstützung für Somalia mit Nachdruck begrüßt. Um auch künftig flexibel auf Personalbedarfsmeldungen der Mission reagieren zu können, sieht das Mandat eine Obergrenze von bis zu 20 Soldatinnen und Soldaten vor.
Das Engagement Deutschlands und der EU zur Unterstützung der Sicherheitsinstitutionen in Somalia ist eingebettet in einen umfassenden Ansatz zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen und staatlichen Strukturen Somalias, zu seiner wirtschaftlichen Entwicklung sowie zur humanitären Hilfe für die somalische Bevölkerung.
Deutschland setzt mit der erneuten Beteiligung an der EUTM-Mission in Somalia ein Zeichen der Solidarität und der konkreten Hilfe. Unser militärisches Engagement ist ein bescheidenes, aber notwendiges Element einer Afrika-Strategie, die Frieden, Stabilität und Sicherheit verpflichtet ist.
Dafür bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, um Ihre tatkräftige Unterstützung.