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Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier beim Winterlichen Konzert im Auswärtigen Amt

12.02.2014 - Rede

--- es gilt das gesprochene Wort ---

Lieber Peter Limbourg,
sehr geehrter Herr Steinbeis,
meine Damen und Herren,
liebe Gäste,

begrüßen Sie ganz zu Anfang mit mir gemeinsam den Gast, der den weitesten Weg hierher nach Berlin hatte, den Außenminister Togos: Herzlich Willkommen, lieber Robert Duffy!

Herzlich Willkommen sage ich Ihnen allen!

Für den Fall, dass der eine oder andere sich wundert, dass ich hier stehe: ich find´s auch nicht selbstverständlich – im Gegenteil: hätte ich Ihnen beim Abschied vor 4 Jahren gesagt, dass ich nach 4 Jahren wiederkomme, hätten Sie gesagt: der Mann muss zum Arzt! Und ich hätte Ihnen nicht mal widersprochen!

Widerspruch verlangt aber die Einladung zum Winterkonzert! Konzert: ja; Winter: nein!

Im Gegenteil: bei uns im Garten blühen Krokusse. Wir haben uns deshalb die Freiheit genommen, Ihnen beim Reinkommen etwas Winter vorzugaukeln – und Sie können sich vorstellen, wie schwer es einem Haus voller Diplomaten fällt, die Dinge schöner zu reden, als sie sind.

Ich freue mich nicht nur wieder hier zu sein, sondern an der Pflege einer Tradition mitzuwirken, an der ich selbst ein bisschen mitarbeiten durfte. Vor 8 Jahren haben wir die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Symphonieorchester und der Deutschen begründet.

Für mich ist dieses schöne Konzert auch Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass Kultur unter dem Dach des Auswärtigen Amtes ihren Platz hat. Und zwar nicht nur an Abenden wie heute. Sondern täglich!

Kultur ist die dritte Säule der Außenpolitik, wie Willy Brandt gesagt hat. Nicht nur das Sahnehäubchen obendrauf, ein „Nice to Have“! Sondern konstitutiver Bestandteil.

Alles, was Sie mit Diplomatie verbinden, ist gut und wichtig: Besuche im Ausland, Gespräche, Verträge, Notenaustausch, Beschwerden, Drohungen, - und bei Journalisten besonders beliebt: Botschaftseinbestellungen, Sanktionen … Nur: Diese Werkzeuge laufen ins Leere, ohne einen gemeinsamen Boden von Respekt und Verständigung. Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik baut an genau diesem Fundament. Und deshalb gehört sie ganz essentiell in den Instrumentenkasten der Diplomatie.

Und nicht nur „immer noch“, sondern immer mehr! Ein wacher Blick auf die Welt zeigt uns: Da verändert sich was. Da ziehen im Fernen Osten, in Südamerika, zunehmend – lieber Robert – auch in Afrika neue Player auf. Die sind nicht nur wirtschaftlich stark, sondern die wollen auch mitreden über die Zukunft dieser Welt. Es sind Staaten mit einer eigenen Geschichte, eigenen Traditionen und einem stolzen Blick auf die eigene Kultur.

Europa bleibt wichtig, aber die Welt dreht sich nicht mehr allein um die europäische Sonne. Traditionen und Kulturen werden immer mehr im Wettbewerb stehen. Daraus kann man zwei unterschiedliche Schlüsse ziehen:

Die einen resignieren und sagen: die Europäer werden eine immer kleinere Gruppe in der Weltbevölkerung und spielen keine Rolle mehr.

Ich sage: Kein Grund zur Resignation – im Gegenteil: wir müssen stärker für die Werte werben, die wir in die Welt von morgen mitbringen können: das Erbe der europäischen Aufklärung.

Das tun für uns, das Auswärtige Amt, ganz viele: das Goethe-Institut, der Deutsche Akademische Austauschdienst, das breite Netzwerk, das deutsche Kunst, Literatur, Musik und Sprache in die Welt trägt. Das trägt dazu bei, dass die Welt uns – wie wir denken, wie wir handeln – besser versteht, gerade dann, wenn Vermerke und Formeln versagen.

Viele Stipendien, 114 Partnerschulen, 1500 Partnerschulen bringen junge Menschen auf der ganzen Welt mit Deutschland in Kontakt. Manche von ihnen sehen wir im Laufe ihres Lebens dann hier bei uns – nicht alle als Botschafter, aber viele, die hier leben und arbeiten.

Und wie breit das Feld der auswärtigen Kulturpolitik ist, das werden Sie hoffentlich in einigen Monaten merken, wenn endlich das Morden in Syrien aufhört und das Deutsche Archäologische Institut eingeladen wird, die beschädigten und bedrohten Kulturgüter zu retten.

Henry Kissinger hat gesagt: Außenpolitik ist „perception“. Ich sage: Das müssen wir wieder mehr lernen in der Außenpolitik, nämlich die Fähigkeit, die Welt mit den Augen der anderen zu sehen, statt Einigeln in Vorurteilen, Ressentiments und nationaler Eiferei. Das auch die Mahnung der Geschichte an die die Diplomatie im Gedenkjahr 2014! Vielleicht haben Sie Florian Illies Buch „1913“ gelesen – ein wunderbares Buch, bei dem man den Eindruck hat, der Erste Weltkrieg musste zwangsläufig ausbrechen. Wenn Sie Herfried Münkler oder Christopher Clark lesen, ist der Eindruck der gegenteilige: Das Jahr 2014 war kein Jahr, in dem der Krieg ausbrechen musste. Viele haben ihn für unwahrscheinlich gehalten. Clark hat in seinem Buch „Die Schlafwandler“ minutiös dokumentiert, wie in wenigen Wochen des Jahres 1914 aufgrund von Sprachlosigkeit, Entfremdung, persönlichem Geltungsdrang und nationaler Kraftmeierei erst Europa und dann die Welt in der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts versank. Binnen weniger Wochen war die Lage nicht mehr beherrschbar, alle Verbindungen gekappt und der Tod fraß sich in Europa von Haus zu Haus.

Am Beginn unseres Konzertes stehen heute zwei französische Komponisten, die beide den Ersten Weltkrieg erlebt haben.

Claude Debussy hat der Krieg tief erschüttert. Er starb am 25. März 1918 in Paris, mitten unter dem schwerem Beschuss der deutschen Frühjahrsoffensive. Der große Sänger Dietrich Fischer-Dieskau hat darüber einmal treffend geschrieben: „Welch Ironie des Schicksals, dass ein die Stille so innig liebender Musiker wie Debussy unter dem Krachen von Artilleriefeuer bestattet wurde!“

Wie unendlich weit sind wir seither gekommen! Seit fast 70 Jahren herrscht Frieden im Herzen Europas. Wenn wir gleich in Debussys Musik eintauchen, sollten wir uns bewusst sein über diesen weiten Weg des geeinten Europas, und über das Fundament, das ihn ermöglicht hat.

Dass wir neben Debussy auch Stücke von Theodore Dubois, Astor Piazzola und Antonio Vivaldi hören können, dass es überhaupt ein gut herausragender musikalischer Abend wird, verdanken Sie nicht mir und dem Auswärtigen Amt. Mein Dank gilt der Deutschen Welle, die unser Konzert weit über diesen Saal hinaustragen wird. Ich danke unserem Sponsor BMW und ich danke natürlich ganz besonders den Musikerinnen und Musikern des Deutschen Symphonieorchesters für das vielseitige Programm, das vor uns liegt.

Peter Limbourg wird für die Deutsche Welle noch einige Worte an Sie richten. Ich wünsche Ihnen schon jetzt einen wunderbaren Konzertabend. Wir sehen uns hoffentlich später beim Sekt. Viel Vergnügen!

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