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Ansprache von Außenminister Westerwelle bei der Feierstunde anläßlich der Ausstellung der Yad-Vashem-Urkunden von Georg Ferdinand Duckwitz und Dr. Michael Jovy in der Akademie des Auswärtigen Amts am 10. Dezember 2013 in Berlin
--es gilt das gesprochene Wort--
Liebe Familie Jovy,
Lieber Botschafter Duckwitz,
Lieber Herr Finkelgruen,
Exzellenzen,
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich, Sie in der Akademie des Auswärtigen Amts begrüßen zu dürfen.
Georg Ferdinand Duckwitz und Michael Jovy wurden bereits vor Jahren von der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Die Auszeichnung ist, zumal für Deutsche, eine herausragende Ehrung.
Unser Anliegen ist es, diese beiden Männer im Gedächtnis des Auswärtigen Dienstes lebendig zu halten.
„Gerechte unter den Völkern“ – das sind jene, die unter Inkaufnahme von Lebensgefahr Juden schützten und und vor der Verfolgung bewahrten. Georg Ferdinand Duckwitz und Michael Jovy gehören zu dieser Gruppe. Ihr mutiges Handeln war von Zivilcourage und Menschlichkeit geprägt und ist bis heute Vorbild.
Wir haben uns bewußt dafür entschieden, die Urkunden an einer Stelle aufzuhängen, an der unsere jungen Anwärterinnen und Anwärter täglich vorbeigehen. Beide Männer sind leuchtende Beispiele für Zivilcourage und Menschlichkeit.
Es gibt viele Unterschiede zwischen Georg Ferdinand Duckwitz und Michael Jovy. Sie gehörten verschiedenen Generationen an. Duckwitz stand mitten im Berufsleben, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Jovy war zu dieser Zeit noch ein Kind.
Duckwitz war 1932 in die NSDAP eingetreten und begann nach eigener Aussage als „gläubiger“ Nationalsozialist.
Jovy kam aus einer katholischen Familie, die den Nazis von Anfang an ablehnend gegenüberstand. Er erlebte als junger Mann Verfolgung und Repression am eigenen Leib.
Duckwitz gehörte, wenn auch als „Quereinsteiger“, schon dem alten Auswärtigen Dienst an. Er sollte im diplomatischen Dienst der Bundesrepublik eine wichtige Rolle spielen, zuletzt als Staatssekretär und enger Berater von Willy Brandt. Er war einer der Wegbereiter einer neuen deutschen Ostpolitik, wie sie dann zu Beginn der 70er Jahre von Brandt und Außenminister Scheel verwirklicht wurde.
Michael Jovy trat erst nach dem Krieg in den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik ein. Er dürfte heute den wenigsten Angehörigen des Auswärtigen Dienstes ein Begriff sein. 1939 verhaftet, wurde er 1941 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ und „Fortführung der verbotenen bündischen Jugend“ vom Volksgerichtshof zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. 1944 wurde er aus der Haft in das berüchtigte Strafbataillon 999 überführt.
Jovy war mit den „Edelweißpiraten“ in Köln-Ehrenfeld verbunden, die Juden versteckten.
Als ihn im November 1944 die Nachricht von der Zerschlagung der Ehrenfelder Gruppe erreichte, floh er durch die Front zur US-Armee, wo er als politischer Flüchtling anerkannt wurde.
Jovy verstarb 1984 nach mehr als 30 Jahren der Tätigkeit im Auswärtigen Dienst, darunter als Botschafter in Algier und Bukarest. Bundesminister Genscher schrieb damals an seine Witwe: „In schwerer Zeit war er stark genug, für seine Überzeugungen einzutreten und Verfolgung auf sich zu nehmen. Die Ausstrahlung seiner Persönlichkeit, sein Humor und seine Herzlichkeit werden in aller Erinnerung bleiben.“
Aus heutiger Perspektive stellt sich Michael Jovy als ein Mann dar, der sich nur seinem Gewissen verpflichtet sah. Ein Non-Konformist, der unkonventionelles Handeln nicht scheute und auch aneckte. In den 50er und 60er Jahren waren durchaus nicht alle bereit, Widerstandskämpfer wie Jovy zu würdigen. Auch das lässt sich den Akten entnehmen.
Georg Ferdinand Duckwitz und Michael Jovy waren große Ausnahmepersönlichkeiten. Nur eine winzige Minderheit von Deutschen war bereit das Risiko einzugehen, Juden zu helfen.
Wie wir heute wissen, gilt dies auch für den Auswärtigen Dienst. Die Beteiligung und aktive Mitwirkung deutscher Diplomaten an der Shoah ist eine schreckliche Tatsache.
Die Schuld, die Deutschland im Zweiten Weltkrieg auf sich lud, ist unvergessen und wirkt fort. Die Verantwortung für die Shoah ist ein zentrales Element der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland.
Dies ist nicht nur eine abstrakte Haltung. Vielmehr kommt es darauf an, konkrete Schlussfolgerungen aus unserer Geschichte zu ziehen.
Dazu gehört der Kampf gegen jede Form von Antisemitismus, Diskriminierung und Rassismus in Deutschland. Dazu gehört der Einsatz für die Menschenrechte weltweit. Und schließlich gehört dazu die Solidarität mit dem Staat Israel und seinen Menschen.
Duckwitz und Jovy haben den Verbrechen der Nazis nicht tatenlos zugesehen. Beide habe ihre eigene Geschichte. Gemeinsam ist ihnen, dass sie entschlossen handelten und die daraus folgenden Risiken auf sich nahmen.
Das Auswärtige Amt gedenkt Georg Ferdinand Duckwitz und Michale Jovy mit Respekt und Dankbarkeit.