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Rede des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Michael Georg Link, anlässlich der Eröffnung des „3. Berliner Forum Außenpolitik“ der Körber-Stiftung in Berlin am 26.11.2013

26.11.2013 - Rede

--es gilt das gesprochene Wort--

Lieber Herr Wehmeier,
Exzellenzen,
sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrte Damen und Herren,

Auch im Namen des Auswärtigen Amtes möchte ich Sie ganz herzlich willkommen heißen.

Das 3. Berliner Forum Außenpolitik findet zu einem Zeitpunkt bedeutender Weichenstellungen statt: In Vilnius trifft sich in zwei Tagen die EU mit den Staaten der Östlichen Partnerschaften. In Kabul hat die Loya Jirga gerade wichtige Entscheidungen für unser Engagement in Afghanistan nach 2014 getroffen. Und in Genf haben am Wochenende die E3+3 mit dem Iran eine Vereinbarung zu dessen Atomprogramm geschlossen, die einen bedeutenden Wendepunkt nach fast 10 Jahren harter Verhandlungen bedeutet. Ich freue mich ganz besonders auf das Panel zu diesem Thema.

Bei all den genannten Themen spielt Deutschland eine gewichtige Rolle. Wir übernehmen Verantwortung – und dies wird auch von uns erwartet.

Auch deshalb ist das Timing des diesjährigen Forums so interessant: Denn nicht nur alle Deutschen schauen gespannt auf die Koalitionsverhandlungen.

Vor allem in Europa, aber auch darüber hinaus, wird mit Spannung die Regierungsbildung erwartet: Welche Rolle wird Deutschland in Zukunft übernehmen? Wie wird es Europas Zukunft mitgestalten? Und was bedeutet dies für Europas Position in der globalisierten Welt?

Wer nach der Rolle Europas in der Welt fragt, denkt nicht zuletzt auch an die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union. Die EU hat in den vergangenen Jahren mit der Schuldenkrise eine existenzielle Belastungsprobe durchlebt.

Manches haben wir zu Beginn unterschätzt, manches erst im Laufe der Krise dazugelernt. Zu jedem Zeitpunkt aber war der Bundesregierung klar: Die Bewahrung und Weiterentwicklung der europäischen Integration ist von überragendem deutschen Interesse.

Heute sehen wir, dass die beschlossenen Reformen und Instrumente – wie der ESM, der Fiskalpakt und der Pakt für Wachstum und Beschäftigung – zu greifen beginnen. Wirtschaftlich gibt es deutliche Anzeichen für einen erfolgreichen „turnaround“. Die Leistungsbilanzdefizite sind stark zurückgegangen. Gleichwohl wissen wir, dass es nach wie vor Kritik am deutschen Leistungsbilanzüberschuss gibt - eine Kritik, die wir nicht teilen, auch wenn wir sie ernst nehmen. Entscheidend ist: Die europäische Wirtschaft bewegt sich allmählich wieder in die Wachstumszone. Die ehrgeizigen Anstrengungen in unseren Nachbarstaaten verdienen unseren Respekt.

Aber: Wir sind noch lange nicht über den Berg. Das gilt wirtschaftlich, sozial und politisch.

Die Arbeitslosigkeit in vielen Ländern Europas ist gerade unter Jugendlichen nach wie vor unannehmbar hoch. Dies ist eine Hypothek auf die Zukunft und bedroht die Perspektiven einer ganzen Generation. Das bedroht damit auch unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Auch deshalb muss der Wachstums- und Beschäftigungspakt entschlossen umgesetzt werden.

Wir müssen die strukturellen Probleme des Euro angehen und unsere Währungsunion um eine echte Wirtschaftsunion ergänzen. Nur so erreichen wir eine engere Koordinierung der Finanz-, Fiskal- und Wirtschaftspolitik. Das Ziel ist unverändert: Europa muss insgesamt so wettbewerbsfähig sein, dass es in der globalisierten Weltwirtschaft bestehen kann. Dafür brauchen wir nachhaltiges Wachstum, Innovation und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Europa ist ein Zukunftsprojekt. Damit es gelingt, muss die Bevölkerung teilhaben und mitgenommen werden. Die Europawahlen im kommenden Jahr werden ein entscheidender Bezugspunkt sein. Die Entbehrungen aufgrund der Krise haben dazu geführt, dass bei vielen Bürgern das Vertrauen in das gemeinsame europäische Projekt und den Einigungsprozess geschwunden sind.

Viele werden diese Wahlen als eine Abstimmung über das europäische Integrationsprojekt an sich sehen. Populisten und Nationalisten spielt das in die Hände. Sie wähnen sich bereits im Aufwind. Wir dürfen den Europa-Skeptikern aber nicht das Feld überlassen. Populismus bietet keine echten Alternativen an. Weniger Europa ist nicht die Lösung. Nur gemeinsam verfügen wir über die notwendigen Ressourcen, Ideen und Institutionen, um in einer sich rasant wandelnden Welt bestehen zu können.

Wir stehen nun vor der Aufgabe, uns diesen populistischen Parolen entgegenzustellen und das Vertrauen der Bürger in den europäischen Einigungsprozess zurückzugewinnen: Vertrauen in die Fähigkeiten der EU, Vertrauen in die Notwendigkeit der europäischen Integration, Vertrauen in Europas gemeinsame Zukunft.

Zur Stärkung des Vertrauens der Bürger in die EU gehört auch die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips. Die EU kann nur dann erfolgreich sein und von den Bürgern akzeptiert werden, wenn sie dort tätig wird, wo sie gegenüber dem Handeln auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene einen echten Mehrwert bietet.

Wir alle profitieren enorm vom Gemeinsamen Markt, von unserer Gemeinsamen Handelspolitik und vom Schengen-Raum – um einige Beispiele zu nennen. Aber nicht jeder Lebensaspekt in Europa muss harmonisiert werden. Einige Bereiche sind schlicht ungeeignet dafür. Wir wollen ein optimales Europa, kein maximales Europa.

Alles in allem gilt: Wir dürfen den Wert der europäischen Integration nicht aus den Augen verlieren. Die Europäische Union ist sehr viel mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft. Sie ist eine Gemeinschaft geteilter Werte und ein politisches Projekt.

Auch deshalb ist es in meinen Augen richtig, ein neues Verfahren in der EU zum Schutz unserer gemeinsamen Grundwerte zu schaffen, wenn Entwicklungen in einzelnen EU-Mitgliedstaaten diese Grundwerte bedrohen. Genau deshalb hat Außenminister Westerwelle mit einigen seiner Amtskollegen die EU-Rechtsstaatsinitiative vorgeschlagen.

Die Gewichte auf der Welt verschieben sich. Wir können als Europäer unsere Werte und unsere freiheitliche Art zu leben nur gemeinsam behaupten in einer Welt des Wandels.

Im Alleingang wird das Deutschland genauso wenig gelingen wie den anderen Staaten Europas.

Was europäische Diplomatie gemeinsam und mit der Hohen Vertreterin an der Spitze erreichen kann, haben wir dieses Jahr auf dem Westbalkan und im Iran gesehen. Diese unumstrittenen Erfolge der europäischen Diplomatie sollten uns ermutigen.

Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes ist nicht nur in diesem Sinne eine weltweit einmalige Leistung. Momentan läuft der erste Überprüfungsprozess des EAD.

Es gilt nun, diesen Dienst und die Hohe Vertreterin zu stärken, damit sie auch in Zukunft europäische Interessen und Werte schlagkräftig in der Welt vertreten können. Denn Europa wird künftig mehr Verantwortung in der Außenpolitik übernehmen müssen – allem voran in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.

Übermorgen beginnt in Vilnius das Gipfeltreffen der EU mit den Staaten der Östlichen Partnerschaft. Die EU besitzt für diese Gesellschaften eine enorme Anziehungs- und Transformationskraft. Zugleich braucht es harte Arbeit, wenn wir in der konkreten Zusammenarbeit unseren Werten und Standards Geltung verschaffen wollen.

Die Vorbereitungen auf den Gipfel und die Entscheidung der Ukraine haben gezeigt, dass dies ein langer und schwieriger Prozess ist. Die EU hat der Ukraine ein weit reichendes Angebot enger politischer und wirtschaftlicher Zusammenarbeit gemacht. Dieses Angebot einer echten Partnerschaft steht, unser Interesse an guten Beziehungen zur Ukraine ist ungebrochen. Es setzt aber voraus, dass in Kiew der Wille herrscht, einen europäischen Weg der Entwicklung zu gehen. Wir wünschen uns eine Ukraine, die unsere Werte teilt und mit uns ihren Weg zu mehr Freiheit und Wohlstand geht.

Die Euroschuldenkrise hat eine breite, international geführte Diskussion über Deutschlands Rolle in Europa und der Welt ausgelöst. Das deutsche Handeln in dieser Krise hat wie selten zuvor die Aufmerksamkeit politischer Beobachter und Akteure auf sich gezogen.

Diese gesteigerte Aufmerksamkeit ist auch Ausdruck einer gewissen Erwartungshaltung: Deutschland ist aus einer Position wirtschaftlicher Stärke heraus besondere Verantwortung zugewachsen. Es gibt daher einerseits Rufe nach einer deutschen Führungsrolle, andererseits auch Kritik hieran.

Deutschland ist tatsächlich besonders gefordert und deshalb üben wir in der Schuldenkrise Solidarität mit unseren Partnern. Wir setzen uns dafür ein, den Euro und die EU zukunftsfest zu machen. Es ist aber offensichtlich, dass sich Verantwortung im geeinten Europa nur gemeinschaftlich wahrnehmen lässt.

Dazu gehört die Einsicht, aus übergeordnetem Interesse heraus Kompromisse einzugehen und gemeinsame Lösungen möglich zu machen. Vor allem gehört dazu aber auch, unsere Prinzipien zu erklären, für unsere Ideen zu werben und Lösungsansätze offen zu diskutieren, Konzepte zu erläutern und Partner einzubinden.

Veranstaltungen wie das Berliner Forum Außenpolitik sind dafür wichtige Plattformen. Von Iran bis China, von der transatlantischen Partnerschaft bis zum Nahostfriedensprozess erwarten uns schwierige Fragen und intensive Diskussionen. Ich freue mich auf den Austausch und zahlreiche lebhafte Debatten.

Vielen Dank!

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