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Syrien: Welt kann nicht zur Tagesordnung übergehen

29.08.2013 - Interview

Außenminister Westerwelle im Interview mit der Freien Presse Chemnitz zur Situation in Syrien. Erschienen am 29.08.2013

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Herr Westerwelle, das Thema Syrien überschattet zurzeit alles andere. Wird es einen Militärschlag des Westens gegen das Assad-Regime geben?

Ich beteilige mich nicht an Spekulationen über zukünftige Entwicklungen. Der Einsatz von chemischen Waffen in Syrien ist ein zivilisatorisches Verbrechen. Wir werden unter denen sein, die Konsequenzen für richtig halten, falls sich der Einsatz von Massenvernichtungswaffen bewahrheitet.

Die Bundesregierung würde einen Militärschlag der USA und der Briten also unterstützen?

Wir befinden uns derzeit in einer ausgesprochen ernsten Lage. Das ist sicher nicht der Moment für Spekulationen. Ich begrüße aber die jüngste Initiative von Premierminister David Cameron, den Welt-Sicherheitsrat mit dem Ziel zu befassen, den Einsatz von chemischen Massenvernichtungswaffen in Syrien in aller Klarheit zu verurteilen. Ich appelliere an alle Mitglieder des Sicherheitsrats, vor allem an Russland, diese Gelegenheit für eine gemeinsame entschlossene Haltung gegen den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien auch zu ergreifen.

Hat die internationale Diplomatie versagt?

Es ist jedenfalls sehr bedauerlich, dass bislang keine gemeinsame Haltung im Weltsicherheitsrat aufgrund der Blockade durch Russland möglich gewesen ist. Wenn im 21. Jahrhundert zum ersten Mal chemische Massenvernichtungswaffen mit solch fürchterlichen Folgen eingesetzt werden, dann kann die Welt das nicht ignorieren und einfach zur Tagesordnung übergehen.

Welche konkreten Beweise gibt es denn tatsächlich dafür, dass das Assad-Regime für den fürchterlichen Angriff verantwortlich war?

Die Berichte und Bilder sowie die Einschätzungen von Nichtregierungsorganisationen vor Ort sprechen eine deutliche Sprache. Es ist gut, dass die Inspektoren der Vereinten Nationen derzeit in Syrien sind.

Für Sie sind die Beweise also stichhaltig?

Es gibt eine große Plausibilität. Unsere Verbündeten sind in ihrer Einschätzung sehr klar. Sie haben angekündigt, dass sie ihre Erkenntnisse über den Chemiewaffen-Angriff zeitnah veröffentlichen wollen. Auch die Vereinten Nationen wollen das tun.

Was ist der Zweck eines möglichen Militärschlages? Die USA und auch die Briten behaupten, es ginge dabei nicht um den Sturz des Regimes? Ist das nicht halbherzig?

Wir müssen klar trennen: Einerseits die Antwort der internationalen Gemeinschaft auf einen unerträglichen Tabubruch, den Einsatz von chemischen Massenvernichtungswaffen. Andererseits der Bürgerkrieg und unser anhaltender Einsatz für eine politische Lösung, die einzige Möglichkeit, Syrien dauerhaft Frieden und Stabilität zu geben.

An der türkisch-syrischen Grenze stehen deutsche Patriot-Raketen. Haben Sie die Befürchtung, dass deutsche Soldaten in den Konflikt hineingezogen werden?

Das Mandat des Bundestages für den Patriot-Einsatz ist rein defensiver Natur und wird genau befolgt.

Ist sich die Bundesregierung in der Syrien-Frage eigentlich einig? Vertreten Sie dieselbe Haltung wie die Bundeskanzlerin?

Selbstverständlich.

Sie haben erst kürzlich mit Ihrem russischen Amtskollegen Lawrow gesprochen. Wie könnte man die Russen zu einem Einlenken bewegen?

Russland hat immer gesagt, dass es den Einsatz von chemischen Massenvernichtungswaffen strikt ablehnt. Ich hoffe, dass das auch zu einer Neuorientierung des Verhaltens Russlands im Sicherheitsrat führt.

Welche Lösung gibt es für Syrien generell? Manche Experten sprechen schon von einer möglichen Teilung des Landes?

Eine nachhaltig friedliche Entwicklung und dauerhafte Stabilität in ganz Syrien können nur mit einer politischen Lösung erzielt werden. Dafür setzen wir uns ein, auch wenn die Chancen dafür nicht gerade gewachsen sind.

Wie wird sich Israel verhalten?

Israel macht sich große Sorgen um die eigene Sicherheit, auch angesichts der neu aufkeimenden Gewalt im Libanon und der Lage auf dem Sinai. Diese Sorgen teilen wir.

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Interview: Stephan Lorenz. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Freien Presse Chemnitz.

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