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Ägypten: „Alle Kräfte an einen Tisch“
Im Interview mit dem Wiesbadener Tagblatt sprach Außenminister Guido Westerwelle über die Lage in Ägypten, die deutsch-amerikanischen Beziehungen und die europäische Schuldenkrise.
In Ägypten eskaliert die Lage. Ist in einem Land, das so zerrissen ist, überhaupt eine Lösung möglich?
Die internationale Gemeinschaft muss darauf drängen, dass eine weitere Eskalation der Gewalt ausbleibt und ein Abrutschen Ägyptens in bürgerkriegsähnliche Zustände verhindert wird.
Wie kann das verhindert werden?
Die internationale Gemeinschaft ist für eine gute wirtschaftliche und soziale Entwicklung Ägyptens entscheidend. Das Land ist auf Investitionen aus dem Ausland angewiesen und darauf, dass Touristen ins Land kommen. Deshalb hat Ägypten großes Interesse daran, zur Stabilität zurückzukehren. Die Gewalt war vermeidbar. Ich habe am Samstag in meinem Gespräch mit dem ägyptischen Außenminister noch einmal deutlich gemacht, dass alle Kräfte an einem Tisch über einen Neuanfang verhandeln müssen. Wir wollen, dass Ägypten wieder zu einer verfassungsmäßigen Ordnung und zu freien und fairen Wahlen zurückkehrt.
Spricht die Europäische Union mit einer Stimme?
Dafür stimmen wir uns in Europa jetzt eng ab. Heute kommen die EU-Botschafter in Brüssel für Beratungen zusammen.
Sind aktuell deutsche Staatsbürger bedroht?
Wir raten von Reisen nach Ägypten ab und fordern alle Deutschen, die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes zu befolgen. Etwa 40.000 deutsche Touristen sind derzeit in den Urlaubsgebieten Ägyptens. Die Veranstalter haben mitgeteilt, dass keine neuen Reisen nach Ägypten stattfinden.
Zu Ihren Baustellen gehört die NSA-Affäre. Ist durch sie das deutsch-amerikanische Verhältnis beschädigt?
Nein. Und das dürfen wir auch nicht zulassen. Natürlich verlangen wir, dass in Deutschland deutsches Recht eingehalten wird. Wir drängen unsere Verbündeten, auch die USA darauf, die richtige Balance zwischen notwendigen Sicherheitsinteressen und dem Schutz der Privatsphäre zu finden. Das ist Ausdruck unserer westlichen Wertegemeinschaft. Für manche anti-amerikanischen Töne in dieser Debatte habe ich allerdings kein Verständnis. Die USA sind eine parlamentarische Demokratie mit unabhängiger Justiz und der wichtigste Verbündete Deutschlands außerhalb Europas.
Teilen Sie die Befürchtung, dass die Deutschen die Zeche für die Schulden der Euro-Krisenländer zahlen müssen?
Wir Deutschen haben sehr von unserer gemeinsamen europäischen Währung profitiert.
Welche Konsequenzen müssen Länder der Euro-Zone fürchten, die sich nicht an die Haushaltsdisziplin halten?
Wir gewähren nur Hilfen, wenn die damit einhergehenden Reformen umgesetzt werden. Seit einiger Zeit können wir einen Silberstreif am Horizont sehen; jetzt ist die Euro-Zone auch zu Wirtschaftswachstum zurückgekehrt. Wir sind aber noch nicht über den Berg, kommen aber 'raus aus dem tiefen Tal, wenn wir jetzt nicht in unseren Reformbemühungen nachlassen. Die Schuldenkrise in Europa lässt sich nicht durch neue Schulden lösen, sondern nur, wenn Reformen angepackt werden und die Wettbewerbsfähigkeit verbessert wird.
Ist für Sie der Ausschluss eines Landes, das sich nicht an die Haushaltsdisziplin hält, die ultima ratio?
Für alle, die Europa als Schicksal- und Kulturgemeinschaft verstehen, gibt es für solche Gedankenspiele keinen Anlass.
Erschienen im Wiesbadener Tagblatt vom 19.08.2013. Die Fragen stellten Stefan Schröder, Karl Schlieker und Christoph Cuntz. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Rhein Main GmbH.