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Menschenrechtsdialog mit China: „sehr mühsamer und langwieriger Prozess“

16.05.2013 - Interview

Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, im Interview mit dem Deutschlandfunk über seine Gespräche beim 11. Deutsch-Chinesischen Menschenrechtsdialog in Yinchuan (Provinz Ningxia).

Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, über seine Gespräche beim 11. Deutsch-Chinesischen Menschenrechtsdialog in Yinchuan (Provinz Ningxia). Gesendet im Deutschlandfunk am 16.05.2013.

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Es gibt zahlreiche Dialogforen zwischen China und Deutschland, insgesamt über 40, viele davon auf hoher Regierungsebene zwischen Fachministern, Staatssekretären, Leitern von Regierungsbehörden. Und es gibt den deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialog, und der fand gerade statt, genau gesagt gestern und vorgestern. Und dort vor Ort in China begrüße ich jetzt den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning von der FDP. Ich grüße Sie!

Thema Minderheiten: Markus Löning und der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat (2.v.l.), treffen sich in einer Moschee mit drei chinesischen Imamen
Thema Minderheiten: Markus Löning und der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat (2.v.l.), treffen sich in einer Moschee mit drei chinesischen Imamen© AA

Guten Morgen!

Herr Löning, wo genau erreichen wir Sie?

Ich bin jetzt in Kanton und wir hatten gestern und vorgestern den Dialog in Zentralchina in der Provinz Jiangxi und davor bin ich in Peking gewesen.

Mit wem haben Sie gesprochen?

Der Dialog selber findet immer mit meinem Gegenüber, mit einer Abteilungsleiterin aus dem Außenministerium, sowie mit Experten aus verschiedenen anderen Ministerien statt. Da sind Vertreter des Justizministeriums, es war ein Richter vom Obersten Volksgerichtshof da und andere Fachvertreter, die auch Bereiche wie zum Beispiel Soziales und Arbeit abdecken. Also es ist ein Spektrum von Vertretern der Regierung und damit findet der eigentliche Dialog statt, aber rings herum führe ich eben eine ganze Reihe von anderen Gesprächen wie jetzt zum Beispiel hier in Kanton mit Vertretern von Wanderarbeitern.

Sie führen Gespräche, lassen Sie uns noch mal bei dem offiziellen Teil kurz bleiben. Wie müssen wir uns das vorstellen? Der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland verlangt dort eine bessere Einhaltung und Wahrung der Menschenrechte und die Gegenseite betont, sie tue schon alles, oder wie?

Das ist sehr verkürzt. Es ist in der Tat so, dass wir natürlich uns gegenseitig Fragen stellen und Kritik zur jeweiligen Situation äußern. Wir haben immer einen allgemeinen Teil, in dem wir eine ganze Reihe von großen Themenspektren durchsprechen, und wir haben einen spezifischen Teil, und das ist dieses Mal der Bereich Minderheiten gewesen, und da ist diesmal auf meine Einladung Kenan Kolat, der Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland, mitgekommen und hat die Situation der türkischen Minderheit dargestellt gegenüber den Chinesen und wiederum dann auch gefragt, nachdem wir in einer Gegend waren, wo es eine starke muslimische Minderheit gibt, nach der Situation der Minderheit dort: Thema Uiguren, Stichwort Tibet. All das hat auch eine Rolle gespielt in diesem Bereich.

… hat eine Rolle gespielt. Wie offen hat sich die chinesische Seite denn gezeigt?

Sagen wir mal, wenn wir die Themen nehmen, die sonst angesprochen werden, Rechtsstaatlichkeit, Justiz, dann ist das immer so: Sie erkennen natürlich an, dass da noch vieles zu tun ist, dass die Justiz weit davon entfernt ist, perfekt zu sein. In diesen sachlichen Punkten, da gibt es durchaus Anerkennung unserer Kritik oder unserer Nachfragen. Schwierig wird es immer dann, wenn es um politische Freiheiten geht, wenn wir darauf dringen, dass die Medienfreiheit gewährleistet werden muss, dass es keine Sippenhaft für Angehörige von politischen Dissidenten geben darf, wenn wir darauf drängen, dass Meinungsfreiheit auch für Demonstrationen und Ähnliches gegeben werden muss, für politische Äußerungen. Da wird dann von der anderen Seite schon, na ja, mindestens mal mit den Augenbrauen gerollt. Das wird dann teilweise auch abgestritten, dass es so ist, wie sich uns das darstellt.

Das heißt, man muss sagen, es gab keine Ergebnisse?

Der Menschenrechtsdialog hat so gut wie nie wirklich fassbar konkrete Ergebnisse. Es geht immer darum, dass wir unsere Positionen in diesem Forum erläutern. Das ist immerhin ein Gespräch, was über sechs Stunden gedauert hat, wo wir die ganze Bandbreite unserer Sorgen und unserer Fragen einmal in Ruhe darstellen können der chinesischen Seite. Ich habe es bis jetzt bei den vier Malen, wo ich es gemacht habe, nie erlebt, dass die anderen dann gesagt haben, Mensch, gut, dass ihr es mal sagt, endlich kommen wir mal drauf, sondern das ist ein sehr mühseliger, sehr langwieriger Prozess. Was wir schaffen ist Aufmerksamkeit durchaus auch für Einzelfälle. Es wird mir immer wieder berichtet von Dissidenten, mit denen ich spreche, von Leuten, die inzwischen im Exil sind, wie zum Beispiel Chen Guangcheng, der ja jetzt gerade vor ein paar Wochen in Berlin gewesen ist, und der sagt, es ist sehr gut, dass die deutsche Seite immer diese Fragen wieder anspricht, und er sagt auch sehr deutlich, obwohl die Regierung immer abstreitet, dass die Dinge so sind, kommt unsere Botschaft sehr gut bei denen an und natürlich löst so was auch Prozesse im Hintergrund aus.

Sie, Herr Löning, leiten von deutscher Seite aus den Menschenrechtsdialog zum vierten Mal. Sie haben es gerade angesprochen. Was ist denn Ihre Bilanz? Gibt es seither in den vergangenen vier Jahren irgendwelche Veränderungen zum Besseren, was die Menschenrechtslage in China angeht, aus Ihrer Perspektive?

Wir haben, wenn wir uns China angucken, in den letzten 20, 30 Jahren natürlich enorme soziale Fortschritte, und das subjektive Empfinden vieler Chinesen über ihre persönliche Situation ist, dass sie eine gute Perspektive für ihr Leben haben. Es bleibt aber auf der anderen Seite dabei, dass gerade im Bereich der politischen Rechte es sehr, sehr schwierig ist. Es gibt eine ganze Reihe von Themen, insbesondere immer, wenn es um das Machtmonopol der Kommunistischen Partei geht, die sind absolut Tabu, da gibt es härteste Repressionen. Man sieht, dass Bewegung da ist, man sieht, dass Bemühungen da sind, Dinge zu verbessern. Das jetzt unmittelbar auf den Menschenrechtsdialog zurückzuführen, ist natürlich schwierig. Es ist sehr schwierig, hier enge Kausalketten darzustellen, aber ich denke, es ist wichtig, dass in den Beziehungen, die wir mit den Chinesen haben, die schwierigen Dinge auch immer wieder angesprochen werden. Ich glaube, das sind wir denjenigen schuldig, die hier in China für politische Freiheit streiten und die immer wieder sagen, es ist so wichtig, dass ihr uns da unterstützt.

Sie haben die Lage der Minderheiten angesprochen und auch, dass Sie mit Wanderarbeitern sprechen konnten. Welches Bild haben Sie über deren Situation, von deren Situation gefunden?

Das ist ein durchaus gemischtes Bild. Wir haben gestern eine Textilfabrik zum Beispiel angeschaut, wo versucht wird, in Zentralchina die Leute vor Ort zu halten und ihnen dort Arbeit zu geben und dort eine Perspektive zu vermitteln. Das ist nicht leicht und gelingt auch nicht durch die Bank. Aber man sieht, dass da von staatlicher Seite ein gewisses Verantwortungsgefühl da ist. Wenn man sich die Situation der Wanderarbeiter hier jetzt an der Küste oder hier in Kanton anschaut, wo natürlich die Fabrik Chinas, die Fabrik der Welt ist, dann ist die Situation objektiv gesehen sehr schlecht. Aber man sieht, dass Verbesserungen Stückchen für Stückchen durchaus erreicht werden, und man sieht, da ist auch ein sachliches Interesse daran, mit uns zu reden über Situationen im sozialen Sicherheitssystem, wie kann man so etwas gestalten.

Also es ist nicht so, dass dort nur mit Repressionen gearbeitet wird, sondern es ist durchaus ein Interesse da, hier Situationen zu verbessern. Die Streiks, die es gegeben hat in den letzten Jahren, die vielen Streiks, haben durchaus Effekte gezeigt. Man sieht, dass die Löhne steigen, dass sich die Situation so Schrittchen für Schrittchen verbessert.

Markus Löning, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, im Augenblick in China zum deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialog, mit seinen Eindrücken direkt von vor Ort. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Löning.

Vielen Dank, Frau Klein.

Fragen: Bettina Klein. Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Deutschlandfunks.

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