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Wir erwarten, dass Gegner Assads sich von Extremisten distanzieren

22.04.2013 - Interview

Während seiner Istanbul-Reise zum Treffen der Kerngruppe der 'Freunde des syrischen Volkes' sprach Außenminister Guido Westerwelle mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ über die Lage in dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land. Erschienen am 22.04.2013.

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Herr Westerwelle, in Syrien sterben täglich bis zu 200 Menschen durch Gewalt. Schwindet die Hoffnung, dass aus der Krise eine Demokratie hervorgehen könnte, je länger der Krieg dauert?

Die Lage in Syrien ist unverändert bedrückend. Deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Bemühungen für eine politische Lösung verstärken. Nur das wird einen demokratischen Neuanfang für das Land möglich machen. Wir wollen ein Syrien, das sich demokratisch und vor allem auch tolerant gegenüber Minderheiten und allen Religionen aufstellt.

Wie beurteilen Sie die Sitzung der internationalen „Gruppe der Freunde des syrischen Volkes“ in Istanbul?

Wir waren uns, im Übrigen auch mit der syrischen Opposition, einig über die Notwendigkeit einer politischen Lösung. Dafür müssen wir die syrische Opposition stärken. Ich begrüße, dass sich die nationale Koalition gestern klar zu Demokratie und Pluralität und gegen Extremismus und Terrorismus positioniert hat. Das ist die Geschäftsgrundlage für unsere deutlich ausgeweitete Unterstützung.

Wie stark wird Ihr Einsatz erschwert, weil die syrische Opposition zerstritten ist und sich radikalisiert?

Wir unterstützen ausschließlich die moderaten und demokratischen Kräfte in der syrischen Opposition. Und wir helfen den Menschen in Syrien selbst, aber auch in den Flüchtlingslagern außerhalb des Bürgerkriegslandes. Wir erwarten von allen Gegnern des Regimes von Baschar al-Assad, dass sie sich distanzieren von jenen, die in Wahrheit keine Freiheitskämpfer sind, sondern ein Bollwerk des Terrorismus bauen möchten.

Wie wollen Sie Druck aufbauen gegen Extremisten?

Die Tatsache, dass Anhänger des Terrornetzwerks Al-Kaida gegen das Regime von Assad kämpfen, macht sie doch nicht zu unseren Verbündeten! Für manche militanten Kräfte ist Damaskus nur Zwischenstopp auf dem Weg nach Jerusalem. Wir haben gestern in der Freundesgruppe des syrischen Volkes gemeinsam entschieden, die internationale Unterstützung für die syrische Opposition nur noch über die legitimen Organe der syrischen Opposition zu leiten.

Die Türkei macht westliche Staaten für die Radikalisierung mitverantwortlich, weil es für die Opposition nicht dieselbe Unterstützung wie im Fall Libyens gegeben habe...

Wir sind bei dem Thema Waffenlieferungen sehr skeptisch. Die Gefahr ist einfach groß, dass sie in falsche Hände geraten – nämlich in die von Terroristen.

Die Golfstaaten Katar und Saudi-Arabien liefern...

Über die Frage der Waffenlieferungen haben wir in Istanbul intensiv gesprochen. Wir müssen ganz sorgsam abwägen. Waffen, die wir liefern, können sich, wenn sie in die falschen Hände geraten, gegen uns und unsere Freunde richten, auch jenseits der Grenzen Syriens.

Welche Rolle spielen die deutschen Panzerlieferungen nach Katar in diesem Szenario?

Es gibt da keinen Zusammenhang, und zu der sachlichen Frage kann ich nichts sagen – das gebieten die Richtlinien, die in diesen Fragen seit Jahrzehnten gelten. In der Debatte über die Region empfehle ich allgemein, die strategischen Sicherheitsinteressen unserer Partner auch mit in den Blick zu nehmen, einschließlich des Schutzes Israels.

Deutschland hilft den Opfern des syrischen Bürgerkriegs mit 145 Millionen Euro – und ist damit nach den USA der zweitgrößte Geldgeber. Wünschen Sie sich von der Staatengemeinschaft mehr Einsatz?

Die Hilferufe aus Syrien und von den humanitären Hilfsorganisationen werden gehört. Deutschland legt den Schwerpunkt auf humanitäre und medizinische Hilfe, aber auch auf Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln und Strom. Wir haben im türkisch-syrischen Grenzgebiet in der Türkei ein Kontaktbüro eingerichtet, das die Hilfe koordinieren kann. Außerdem schaffen wir einen Treuhandfonds, über den Gelder der internationalen Gemeinschaft für die syrische Opposition und den Wiederaufbau Syriens gesammelt werden. Das heißt zum Beispiel, dass Schulen wieder öffnen, Bäckereien den Betrieb aufnehmen oder Elektrizität und Wasser produziert werden. So sehen die Menschen auch, dass ihnen geholfen wird, dass es eine demokratische Alternative zu Assad gibt.

Wurden Macht und Potenzial Assads unterschätzt?

Nein. Wir wussten, dass Syrien ein hochgerüstetes Regime ist. Die Tatsache, dass Assad immer wieder Scud-Raketen gegen das eigene Volk abfeuert, zeigt leider, dass menschliche Maßstäbe bei Assad und seinen Gefolgsleuten nicht mehr gelten.

Syrien war einmal ein Touristenmagnet ...

Es soll auch wieder so werden. Es ist traurig zu sehen, wie durch Zerstörung weltweit beachteter kultureller Schätze auch hier das Land großen Schaden nimmt.

Fragen: Beate Tenfelde. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Neuen Osnabrücker Zeitung.

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