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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 03.12.2025
Reise des Bundesaußenministers nach London und zur Sitzung des OSZE-Ministerrats in Wien
Giese (AA)
Ich habe eine Reiseankündigung. Außenminister Wadephul wird heute nach dem NATO-Außenministertreffen weiter nach London reisen, wo er Bundespräsident Steinmeier bei dessen Staatsbesuch im Vereinigten Königreich begleiten wird.
Am Donnerstagmorgen wird der Außenminister dann weiter nach Wien zum OSZE-Ministerrat reisen. Auch dort wird es insbesondere um die klare Unterstützung der Ukraine seitens der meisten OSZE-Teilnehmerstaaten gehen.
Äußerungen des russischen Präsidenten über einen möglichen Krieg Russlands gegen Europa/russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine
Frage
Ich habe eine Frage zu Aussagen des russischen Präsidenten. Der hat gestern ungewöhnlich offen über einen Krieg gegen Europa und über die Ukraine hinaus gesprochen und einen möglichen Atomwaffeneinsatz angedeutet. Wie haben Sie die Worte denn wahrgenommen? Ändern diese Worte Ihre Einschätzung der Lage?
Meyer (BReg)
Diese aggressive Rhetorik seitens Russlands ist aus unserer Sicht jetzt nichts wirklich Neues. Putin bedient damit erneut ein paar altbekannte Botschaften und stellt den Westen darin als Bedrohung dar.
Ich will hier noch einmal klar für uns sagen, die NATO und insbesondere Europa: Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis. Wir in Europa sind in unserer gesamten Konstitution darauf ausgerichtet, dass wir hier in Frieden und in Freiheit zusammenleben wollen. Wenn es in den vergangenen Monaten und Jahren zu Entscheidungen gekommen ist, zum Beispiel im Bereich der militärischen Unterstützung oder auch, wenn wir über den neuen Wehrdienst und andere Dinge sprechen, dann reagiert das ja auf eine Entwicklung, und es reagiert auf die Entwicklung, dass Russland die Ukraine überfallen hat und auch immer deutlicher damit droht, unsere Sicherheit hier in Europa zu gefährden. Wir sehen heute schon hybride Angriffe und vieles andere. Insofern ist uns die Rhetorik durchaus bekannt.
Sie ist auch nicht ohne Ironie, weil ich noch einmal sagen will: Wir in Europa leben friedfertig zusammen. Unsere gesamte Konstitution ist darauf ausgerichtet, friedlich zusammenzuleben, mit unseren Nachbarn friedlich zusammenzuleben. Die Partei, die jeden Tag, jede Nacht Zivilisten bombardiert, Bomben abwirft und in ein Land einmarschiert ist, ist Russland. Insofern brauchen wir, glaube ich, da auch keine Belehrungen, sondern wir stehen auf der Seite des Friedens und auf der Seite der Freiheit. Wie das andere sehen, müssen dann andere beantworten.
Zusatzfrage
Der russische Präsident hat sich ja gestern auch mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff getroffen. Wurden Sie von den USA schon über die Ergebnisse informiert?
Meyer (BReg)
Wir befinden uns in der Tat in unterschiedlichen Formaten in laufendem Austausch, begleiten diese Gespräche weiterhin sehr eng, und es wird sicherlich in den nächsten Tagen auch noch weitere Gelegenheiten geben, das entsprechend auszuwerten. Uns ist, noch einmal gesagt, wichtig, die Ukraine für mögliche Gespräche stark zu machen, so stark wie möglich. Es ist auch wichtig, dass, wenn es denn zu Entscheidungen kommt, diese nicht über die Ukraine hinweg und insbesondere auch nicht über Europa hinweg getroffen werden können, denn unser Ziel in diesem gesamten Prozess, und das haben wir immer wieder betont, ist ein dauerhafter und nachhaltiger Frieden. Das ist das Entscheidende. Niemandem wäre geholfen, es wäre nichts gewonnen, wenn ein Frieden so aussähe, dass er eine kurze Atempause beinhaltet und eigentlich nur wiederum Zeit gewonnen wird, um in Zukunft neue Angriffe zu fahren. Das ist nicht das, was wir wollen, sondern wir wollen zu einer Friedensordnung zurückkehren, die langfristig und nachhaltig ist, und dafür führen wir in unterschiedlichen Formaten Gespräche, unter anderem auch im Umfeld dieser Gespräche, die dort stattgefunden haben.
Frage
Herr Meyer, Herr Giese, die EU-Kommission hat jetzt die Rechtstexte für die Nutzung der russischen sogenannten „frozen assets“ vorgelegt. Der belgische Außenminister hat danach gesagt, dass die Vorbehalte Belgiens gegen diese Nutzung weiterhin nicht ausgeräumt seien. Die EU-Kommission habe keine Antworten auf die Bedenken der Belgier gegeben. Deswegen hätte ich ganz gerne gewusst, ob dieser Weg jetzt aus Sicht der Bundesregierung endgültig versperrt ist, oder setzen Sie weiter darauf, dass man am 18. Dezember einen Beschluss innerhalb der EU fassen kann?
Meyer (BReg)
Wir setzen definitiv weiter darauf, dass es uns gelingt, hier einen Schritt weiter zu kommen. Ich will vielleicht auch noch einmal ein, zwei Sätze zur Begründung sagen, da das immer so ein bisschen untergeht: Wir wollen, und das zeigen ja auch diese laufenden Gespräche, den Druck auf Russland weiter hoch halten, damit es am Ende bereit ist, nicht nur in Richtung Frieden zu blinken und das anzutäuschen, sondern tatsächlich an den Tisch zu kommen und ernsthaft in Gespräche einzusteigen. Denn wir sehen ja auch immer wieder, dass echte Verhandlungsbereitschaft bisher insbesondere von der ukrainischen Seite gezeigt wird, insbesondere auch von den USA gezeigt wird und von Russland leider nach wie vor nur in begrenztem Maße gezeigt wird. Deshalb ist die Nutzung dieser “frozen assets” für uns weiter ein entscheidendes Mittel, um den Druck auf Russland hochzufahren und auch vielleicht die Rechnung, die im Kreml hinsichtlich der Frage gemacht wird, ob sich eine Fortsetzung dieses Krieges lohnt oder nicht, ein Stück weit zu verändern. Deshalb ‑ Herr Kornelius hat, glaube ich, vom Plan A gesprochen, den wir weiterhin verfolgen ‑ gilt das selbstverständlich weiterhin. Wir werden auf Bedenken sicherlich eingehen und auch weitere Gespräche führen. Das Ziel bleibt aber eine Verabschiedung.
Zusatzfrage
Darf ich noch einmal nachfragen? Jetzt haben Sie allgemein geantwortet, aber nicht hinsichtlich des konkreten neuen Vorschlags, der jetzt vorgelegt wurde, und der belgischen Zurückweisung. Wie beurteilt die Bundesregierung also diese Vorschläge der Kommission, die aus Brüssel kommen, und den belgischen Wider- oder Einspruch?
Meyer (BReg)
Wir werden natürlich alles auswerten und uns genau anschauen, was dort vorgelegt wird. Wie gesagt, die Bedenken waren bekannt, die sind bekannt, und es wird sicherlich weitere Gespräche geben, um Bedenken auch ausräumen zu können. Wir setzen weiterhin darauf, am Ende zu einem gemeinsamen Beschluss zu kommen.
Vorsitzende Hamberger
Ergänzen Sie etwas, Herr Giese?
Giese (AA)
Nein. Wir verfolgen die gleiche Linie.
Frage
Ich habe eine Frage an Herrn Meyer und Herrn Müller. Der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses erklärte kürzlich, dass man überlege, auf hybride Bedrohungen durch Russland aggressiver und proaktiver zu reagieren, und brachte auch einen Präventivschlag als defensive Maßnahme ins Spiel. Befürwortet die Bundesregierung solch ein Abrücken von einer reaktiven Haltung gegenüber Moskau, und wie könnten solche Operationen aussehen?
Meyer (BReg)
Ich weiß nicht, ob Sie da jetzt exakt zitiert haben, aber ich will trotzdem einmal auf die Äußerungen Bezug nehmen. Die haben wir zur Kenntnis genommen. Hybride Bedrohungen und Angriffe Russlands auf NATO-Mitglieder sind tagtägliche Realität, beispielhaft Spionage, Sabotage, Cyberangriffe, Luftraumverletzungen. Darüber haben wir auch hier immer wieder gesprochen. Wir nehmen diese Angriffe sehr ernst, die wir fortlaufend sehen. Wir stimmen unsere Reaktionen darauf innerhalb der NATO fortlaufend ab und passen unsere Reaktionen auch entsprechend an. Das ist alles, was es dazu zu sagen gibt.
Zusatzfrage
Sie wollen also nicht genau Stellung dazu beziehen, ob Präventivschläge in Zukunft auch eine Option sind?
Meyer (BReg)
Ich habe, glaube ich, noch einmal sehr klar darauf hingewiesen, dass die NATO ein Verteidigungsbündnis ist. Das ist die Konstitution dieser NATO. Daran wird natürlich nichts geändert.
Frage
Herr Meyer, Sie hatten gerade noch einmal von hybriden Angriffen Russlands und im Kontext damit auch vom Eindringen in den Luftraum gesprochen. Jetzt wurde erst kürzlich eine umfassende Studie von einer niederländischen Tageszeitung und einer anderen niederländischen Organisation veröffentlicht, die sich explizit den Drohnensichtungen gewidmet haben. Die sind zum Schluss gekommen, dass von den Drohnensichtungen von September bis heute zumindest in Westeuropa keine einzige Russland zugeschrieben werden könne. Ein Großteil wurde tatsächlich auf Hubschrauber, hell leuchtende Sterne, etc. zurückgeführt.
Vorsitzende Hamberger
Könnten Sie bitte zur Frage kommen?
Zusatzfrage
Ja. Ganz kurz zur Einleitung ein bisschen Kontext für Herrn Meyer! - Die Frage dahinter lautet, ob der Bundesregierung diese Studie vorliegt und was der Kanzler denn für Rückschlüsse daraus zieht, auch eingedenk seiner recht expliziten Aussagen, in denen er tatsächlich explizit von einer sehr wahrscheinlich russischen Täterschaft bei diesen drohenden Vorfällen gesprochen hat, etwa am 5. Oktober.
Meyer (BReg)
Mir ist diese Studie nicht bekannt. Aber es ist schon eine gewagte These, die hybriden Bedrohungen, die von Russland ausgehen, hier einmal eben mit einem Federstrich oder auch mit Verweis auf Berichterstattung so zur Seite zu wischen.
Zuruf
Das habe ich nicht getan. Ich habe nur auf die Drohnenproblematik verwiesen.
Meyer (BReg)
Das ist der Eindruck, der bei mir in der Frage entstanden ist, wie Sie sie an mich gestellt haben.
Zuruf
War falsch!
Meyer (BReg)
Ich kann jedenfalls noch einmal sagen, dass die hybride Bedrohung, die aus Russland ausgeht, in keiner Weise kleingeredet werden sollte, in keiner Weise. Die ist sehr real. Das stützt sich natürlich auf alle möglichen Informationen, die wir in unterschiedlichen Bereichen haben. Ich glaube, daran gibt es auch überhaupt keinen Zweifel.
Zusatzfrage
Aber ich habe noch eine Verständnisfrage sowohl an Sie, Herr Meyer, als auch an Herrn Müller. Jetzt war diese Drohnenthematik in den letzten Monaten ja wirklich sehr präsent, auch immer mit Verweis auf Russland. Deswegen würde mich interessieren, wie viele Belege in der Rückschau denn mittlerweile, Anfang Dezember 2025, der Bundesregierung dafür vorliegen, dass es sich tatsächlich um Drohnen, die auch in irgendeinem Kontext zu Russland stehen, gehandelt hat?
Meyer (BReg)
Ich würde noch einmal einen Satz sagen: Der Wesenszug von hybriden Angriffen ist ja genau, dass damit Unsicherheit geschürt werden soll, dass dann immer einmal wieder in Frage gestellt werden soll, wer denn eigentlich genau dahintersteckt. Wir erleben bei diesen hybriden Angriffen, wie gesagt, in der gesamten Bandbreite ‑ Cyberangriffe, auch Desinformationen und andere Dinge, die wir dort sehen ‑, dass die für Verunsicherung sorgen sollen. Die sollen sicherlich auch Einfluss auf Entscheidungen nehmen, die in Europa getroffen werden. Wie gesagt, ich warne wirklich davor, diese Gefahr kleinzureden. Wie gesagt, der Wesenszug von hybriden Angriffen ist ja genau, diese Unsicherheit zu erzeugen, die vielleicht auch in Ihrer Frage ein bisschen mitschwang. Aber vielleicht sagt Herr Müller noch einmal etwas zum Konkreten.
Müller (BMVg)
Genau, ich wollte auch auf den Wesenszug dieser hybriden Bedrohung eingehen. Eine Auswertung eines Onlineportals einer niederländischen Zeitung ist für uns, finde ich, nicht maßgeblich für eine Bewertung. Das sage ich ganz eindeutig.
Zuruf
Ich habe ja nach Ihren Beispielen gefragt!
Müller (BMVg)
Lassen Sie mich bitte ausreden, das wäre sehr freundlich. Danke sehr. ‑ Wir nutzen für ein Gesamtlagebild natürlich eine vielfältige Informationsbreite. Dazu gehören auch Nachrichten und Erkenntnisse unserer Partner und unserer eigenen Quellen, die andere nicht haben. Natürlich nutzen wir darüber hinaus Informationen, die sich mittelbar ergeben, also über die Technik, über Zielobjekte, was genau in welchem Umfang vorgefallen ist. Daraus ergeben sich Korrelationen, und daraus leiten wir unsere Bewertungen ab. Ich sehe aktuell keinen Grund, aus dem wir unsere Bewertungen der letzten Monate korrigieren müssten.
Frage
Herr Meyer und gegebenenfalls Herr Giese, wie schätzen Sie die Rolle der Europäer im Verhandlungsprozess ein? Putin hat ja sehr deutlich gesagt oder behauptet ‑ und Peskow hat das auch noch einmal getan ‑, Europa habe sich selbst aus den Verhandlungen genommen, und hat darauf beharrt, dass allein die 28 ursprünglichen Trump-Punkte ‑ die ja wohl wesentlich von Russland vorformuliert waren ‑ Verhandlungsgrundlage sein könnten. Wie groß ist Ihre Hoffnung, Ihr Wissen, Ihr Vertrauen, dass Trump sich tatsächlich an die reduzierte Liste von 21 oder 22 Punkten halten wird? Wird er unter dem Druck Putins nicht doch wieder sagen: „Nein, es gelten die 28 Punkte“?
Meyer (BReg)
Ich will jetzt nicht spekulieren, was die konkreten Gespräche, die dort gelaufen sind, gebracht haben. Der Bundeskanzler hat immer wieder betont, dass ein zwischen Großmächten verhandeltes Abkommen ohne die Zustimmung der Ukraine und ohne die Zustimmung der Europäer keine Grundlage für einen echten und tragfähigen Frieden sein kann. Deshalb ist natürlich entscheidend, dass wir uns als Europäer in diesen Prozess immer wieder einbringen. Denn wenn es darum geht, eine Sicherheitsarchitektur aufzubauen, die wirklich für Generationen Sicherheit und Frieden in Europa und auch in der Ukraine möglich macht, dann geht das am Ende nur mit den Europäern. Ich denke, das ist auch allen Beteiligten bewusst.
Zusatzfrage
Ja, das ist die europäische Position; aber es geht ja erst recht nicht ohne die Zustimmung von Putin und Trump. Sind Sie auf den Fall vorbereitet, dass diese beiden imperialen Großmächte dann eben doch sagen: Schluss jetzt, das ist unsere Position. Wir alle wissen: Sie können die Ukraine nötigen, dem weitgehend zuzustimmen, und dann sind die Europäer draußen. Sind Sie auf dieses Szenario vorbereitet?
Meyer (BReg)
All unsere Kraft verwenden wir ja genau darauf ‑ das haben wir auch in den letzten Tagen gesehen ‑, dass wir in diesen Fragen sehr eng abgestimmt agieren, insbesondere mit der Ukraine und den europäischen Partnern, aber natürlich auch mit den USA. Insofern stellt sich diese Frage nicht.
Frage
An das Außenministerium: Herr Giese, der deutsche Botschafter in Indien hat einen Meinungsartikel mit den Botschaftern aus Frankreich und Großbritannien in der „Times of India“ veröffentlicht, in dem er Russlands Krieg in der Ukraine kritisiert. Der Artikel wurde kurz vor Putins Besuch in Indien veröffentlich, und jetzt kritisiert der Außenminister Indiens diesen Artikel als diplomatisch nicht angepasst. Hat er recht?
Giese (AA)
Das Außenministerium informiert sowohl hier in der Regierungspressekonferenz als auch über andere Kanäle. Genauso sind unsere Botschafterinnen und Botschafter weltweit dazu aufgefordert, über die Politik Deutschlands und über die Politik Europas zu informieren.
Der Namensartikel, den Sie ansprechen, stellt eine Einschätzung des russischen Verhaltens dar, die weltweit von den allermeisten Ländern geteilt wird, und das ist gemeinsam mit anderen Ländern veröffentlicht worden. Diese Art von Information in einer Tageszeitung ist auch genau die Aufgabe, die unsere Botschafter weltweit zu erfüllen haben. Das ist keine Einmischung, sondern das ist eine Darstellung der deutschen Haltung. Die vertreten wir hier in Deutschland, die vertreten wir weltweit, und wir stehen da komplett hinter unserem Botschafter.
Zusatzfrage
Eine kurze Nachfrage. Der russische Botschafter in Indien hat jetzt seinen eigenen Meinungsartikel veröffentlicht, in dem er Europa für den fehlenden Frieden in der Ukraine kritisiert. War es strategisch eine gute Idee, einen solchen Artikel des deutschen Botschafters zu diesem Zeitpunkt zu veröffentlichen?
Giese (AA)
Es ist immer eine gute Idee, zu seiner Meinung zu stehen und seine Meinung zu verbreiten. Wie gesagt, das tun wir hier und das tun wir weltweit. Welche Reaktionen das bei einem russischen Botschafter irgendwo in der Welt auslöst, ist uns ehrlich gesagt egal.
Resolution der UN-Vollversammlung zu den Golanhöhen / Nahostkonflikt
Frage
Herr Giese, mit großer Mehrheit ist einer Resolution der UN-Vollversammlung zugestimmt worden, nach der Israel die Golanhöhen an Syrien zurückgeben soll. Deutschland hat sich, wenn ich richtig informiert bin, enthalten. Können Sie erklären, wieso sich Deutschland enthalten hat und nicht entweder dafür oder dagegen gestimmt hat? Was folgt aus dieser Resolution?
Giese (AA)
Das müsste ich Ihnen nachliefern. Es ist mir jetzt nicht bekannt, wie wir uns da verhalten haben.
Frage
Zum Nahostkonflikt und Gaza: Herr Giese, können Sie ein Update geben, wie hoch die Zahl der seit dem Waffenstillstand getöteten Palästinenser in Gaza Ihrer Kenntnis nach ist?
Zweitens. Wie hoch ist die Anzahl der Hilfstransporte, die derzeit täglich Gaza erreichen?
Giese (AA)
Die genaue Anzahl kann ich Ihnen nicht nennen. Ich kann aber ganz klar sagen: Die Anzahl ist zu hoch. Die hohe Anzahl von Toten und Verletzten in den vergangenen Tagen ist extrem besorgniserregend. Es ist zentral, dass sich alle Seiten an die Vereinbarung halten, den gerade erreichten Waffenstillstand nicht zu gefährden. Darauf richten sich auch unsere diplomatischen Bemühungen und darauf richten sich auch die Gespräche, die beispielsweise der Außenminister mit seinem israelischen Counterpart und wir alle im Auswärtigen Amt mit unseren jeweiligen Counterparts führen; das ist ganz klar.
Die Zahlen, die ich in Bezug auf die humanitäre Hilfe habe, sind nicht immer tagesaktuell, aber ich kann Ihnen sagen, dass, wenn kommerzielle Transporte berücksichtigt werden, zuletzt die Zielmarke von mindestens 4200 Lkw pro Woche erreicht wurde. Aufgrund von Regenfällen wird dies allerdings diese Woche nicht möglich sein. Grundsätzlich ist aber die Zielmarke, die auch in dem 20-Punkte-Plan vereinbart worden ist, erreicht.
Gleichzeitig ist es so, dass die vereinbarte Zielmarke von 250 Lkw der Vereinten Nationen pro Tag unerreicht bleibt. Entscheidend für nachhaltige humanitäre Hilfslieferungen wäre hier die Öffnung des Grenzübergangs Allenby. Das hat der Außenminister auch im Gespräch mit seinem jordanischen Außenministerkollegen in der vergangenen Woche betont. Diese Öffnung sollte dringend erfolgen.
Ebenso gilt entsprechend des 20-Punkte-Plans, dass es Fortschritte bei der Rehabilitierung von Krankenhäusern und der Wasser-, Abwasser- und Elektrizitätsinfrastruktur geben muss. Auch darüber sprechen wir mit unseren israelischen Counterparts, die im CMCC, dem zivilmilitärischen Koordinierungsstab, vertreten sind, um darauf hinzuwirken, dass das auch geschieht.
Zusatzfrage
Könnten Sie entweder jetzt benennen oder gegebenenfalls nachliefern, wer aus Sicht der Bundesregierung sowohl für die, wie Sie sagen, zu hohe Zahl der zivilen Toten als auch für die immer noch zum Teil mangelhafte Versorgung mit Hilfstransporten verantwortlich ist? Nur zu sagen, dass man an alle Seiten appelliert, entspricht ja nicht einem tatsächlichen Kenntnisstand.
Giese (AA)
Ich habe das gerade ziemlich ausführlich ausgeführt, und dabei würde ich gerne bleiben.
Frage
Herr Giese, heute wurde angekündigt, dass der Grenzübergang in Rafah in Richtung Ägypten wieder geöffnet wird. Wie schätzt die deutsche Regierung diese Entwicklung ein? Wie viel Druck wird jetzt gemacht, dass der Übergang wieder in beide Richtungen geöffnet wird?
Giese (AA)
Wir haben diese Ankündigung zur Kenntnis genommen. Diese Ankündigung der COGAT-Behörde, den Grenzübergang Rafah zu öffnen, sehen wir als grundsätzlich positives Signal. Während der Waffenruhe im Januar 2025 konnten über diesen Weg beispielsweise verletzte Personen den Gazastreifen zur Behandlung in Ägypten verlassen. Wir müssen jetzt sehen, ob die Öffnung tatsächlich auch wie angekündigt erfolgt ‑ nach meinem Wissen ist das erst einmal nur angekündigt und nicht erfolgt.
Davon unbenommen bleibt natürlich ‑ darauf zielt Ihre Frage ja auch ab ‑, dass alle Personen, die aus Gaza ausreisen, auch die Möglichkeit haben müssen, dorthin wieder zurückzukehren, wenn sie das wünschen. Das ist ganz klar die Haltung der Bundesregierung.
Noch einmal an die Frage von Herrn Jessen anknüpfend: Grundsätzlich setzen wir uns weiterhin dafür ein, dass weitere Grenzübergänge auch für den Güterverkehr geöffnet werden, um die humanitäre Versorgung der Menschen in Gaza zu erleichtern.
Zusatzfrage
Gibt es Pläne, dass Verletzte, die Gaza verlassen können, vielleicht auch in Deutschland behandelt werden können?
Giese (AA)
Wir haben dieses Thema hier schon häufiger besprochen. Diese Einreise zu ermöglichen, ist eine Entscheidung, die zum einen beim Bundesinnenministerium, zum anderen allerdings auch bei den Innenbehörden der Länder liegt.
Ganz grundsätzlich setzt sich die Bundesregierung vor allem dafür ein, die Betreuung der Menschen im Gazastreifen mit medizinischer Versorgung zu verbessern. Unsere Überzeugung ist, dass es besser da vor Ort sein soll. Jeder Transport von ein oder zwei Personen nach Deutschland ist sehr aufwendig und sehr teuer. In manchen Fällen, bei ganz komplizierten Sachen, ist eine Betreuung im Ausland vielleicht erforderlich. Für die allergrößte Anzahl der Personen wäre es allerdings in ihrem Interesse besser und einfacher, in den Nachbarländern behandelt zu werden, also in Jordanien und Ägypten. Die Öffnung von Rafah kann dazu ein Beitrag sein. Ich glaube, im Interesse einer schnellen und guten medizinischen Betreuung ist das entscheidend, und genauso die Wiederherstellung der Krankenversorgung in Gaza selbst. Deshalb drängen wir darauf, dass die erforderlichen Güter in den Gazastreifen eingeführt werden können, um Krankenhäuser, Feldlazarette etc. wiederherzustellen.
Vorsitzende Hamberger
Herr Zanetti, wollen Sie ergänzen?
Zanetti (BMI)
Hierzu würde erst einmal nichts ergänzen. Ich kann schauen, ob ich dazu noch etwas nachliefern kann. Ansonsten haben wir uns dazu in der Vergangenheit, meine ich, auch umfangreich geäußert.
Frage
Genau in diesem Kontext: Parteiübergreifend haben EU-Abgeordnete am 28. November einen offenen Brief an Herrn Wadephul verfasst und veröffentlicht. In diesem Brief fordern sie ihn auf, auf die israelische Regierung einzuwirken, damit die seit Monaten anhaltende Blockierung von EU-Hilfsgütern in Form von Medikamenten und chirurgischen Instrumenten für abertausende Kriegsverletzte in Gaza aufgehoben wird. Da würde mich interessieren: Hat der Außenminister diesen Brief erhalten, und wenn ja, plant er, dieser Forderung nachzukommen?
Giese (AA)
Mir ist jetzt genau dieser Brief nicht bekannt. Ich kann das nicht beantworten, ob er den erhalten hat. Allerdings ist die Forderung ja öffentlich bekannt. Ich habe gerade ausgeführt, dass wir dieser Forderung und dieser Bitte natürlich Folge leisten. Das ist auch unsere Überzeugung, dass das geschehen sollte. Das habe ich gerade gesagt.
Zusatzfrage
Jetzt blockiert Israel nachweislich insbesondere EU-Hilfstransporte nach Gaza, also den Transport von medizinischen Hilfsgütern, Skalpellen, Medikamenten und Titanplatten zur Wiederherstellung von abgerissenen Gliedern. Dieses Verbot begründet Israel damit, dass dies Dual-Use-Güter seien, die man auch militärisch nutzen könne. Da würde mich interessieren: Kauft die Bundesregierung dies der israelischen Regierung als ein ernsthaftes Argument ab, wodurch man tausende palästinensische Schwerverletzte von diesen Hilfsgütern ausschließen würde?
Giese (AA)
Ich habe gerade gesagt, worauf wir drängen. Was wichtig ist, ist die medizinische Versorgung. Dazu gehören auch Güter, die in einer sehr, sehr langen möglichen Dual-Use-Güterliste enthalten wären. Fast jeden Gegenstand, der fest und aus Metall ist, kann man natürlich auch in einer negativen Art und Weise verwenden. Bei den allermeisten medizinischen Gegenständen würden wir das allerdings nicht so sehen.
Dennoch: Für uns sind natürlich auch die israelischen Sicherheitsinteressen von großer Wichtigkeit. Da sind wir im Dialog mit Israel und drängen darauf zu ermöglichen, mehr medizinische Güter in den Gazastreifen gelangen zu lassen.
Frage
Ich möchte noch einmal auf das Thema Angebot mehrerer westdeutscher oder deutscher Kommunen zur Aufnahme und Behandlung verletzter oder traumatisierter Kinder aus Gaza in deutschen Kommunen zurückkommen. In der Vergangenheit hat die Bundesregierung eine Zustimmung zu diesen Angeboten abgelehnt. Das ist jetzt noch einmal in den parlamentarischen Prozess gekommen und ist Thema von Verhandlungen oder Gesprächen im Bundestag. Hat sich an der ablehnenden Haltung der Bundesregierung in den letzten Tagen und Wochen irgendetwas geändert?
Vorsitzende Hamberger
Wer möchte?
Zusatzfrage
Ich glaube, es geht an das BMI. Die sind, glaube ich, in der Ablehnung federführend.
Zanetti (BMI)
Ich kann da nur wiederholen, was ich gerade schon gesagt habe, dass wir uns dazu in der Vergangenheit umfangreich geäußert haben und ich im Moment nichts Neues hinzuzufügen habe.
Giese (AA)
Ich habe eine Nachreichung zur Frage zur Abstimmung über die Golanhöhen.
Mir war das deswegen nicht bekannt, weil das auch keine richtige Information ist. Wir haben bei dieser Erklärung der Generalversammlung über die Golanhöhen mit Ja gestimmt. Wir haben sie also unterstützt.
Frage
Sie haben unterstützt ‑ nur, um es richtig zu verstehen ‑, dass Israel sich von den Golanhöhen zurückziehen soll?
Giese (AA)
Der Inhalt dieser Resolution ist ja ziemlich ausführlich und ziemlich groß. Einer der Inhalte ist ‑ Sie müssten sie, wie gesagt, noch einmal nachlesen ‑, dass der Golan völkerrechtlich zu Syrien gehört.
Frage
Noch einmal eine Verständnisfrage: Einerseits nimmt die Bundesregierung die Haltung ein, dass man schwerverletzte palästinensische Kinder oder auch Erwachsene nicht nach Deutschland einfliegt, weil man die Kapazitäten vor Ort stärken will. Gleichzeitig werden die medizinischen Hilfsgüter, die ‑ maßgeblich auch mit deutschem Steuergeld finanziert ‑ nach Gaza gehen sollen, von COGAT, also von den dafür zuständigen israelischen Behörden, zurückgehalten. Das ist jetzt ein Status, der seit Monaten so anhält. Da würde mich noch interessieren: Wieso haben denn nach Bewertung der Bundesregierung die Bemühungen Deutschlands und auch der EU, da endlich eine Freigabe zu erlangen, so wenig Wirkung beim israelischen Partner?
Giese (AA)
Wir haben ja ‑ ‑ ‑ Jetzt kommen wir schon wieder zu dem Themenbereich zurück, den wir, glaube ich, schon fast abgeschlossen hatten.
Zusatz
Nein, nur durch Ihre Nachreichung wurde der verlassen.
Giese (AA)
Okay.
Ganz grundsätzlich ‑ ich habe es ja ausgeführt ‑: Wir wollen, dass mehr medizinische Güter nach Gaza gelangen. Wir setzen uns dafür ein, dass Grenzübergänge eröffnet werden, dass medizinische Behandlung in Jordanien und auch in Ägypten, generell in der geografischen Nachbarschaft, möglich ist. Darüber hinaus setzen wir uns auch dafür ein, dass diese Behandlung in Gaza möglich ist. Wir sprechen darüber mit der israelischen Seite. Ich glaube, wir sind da nicht die einzigen, sondern alle Europäer tun das. Wir erwarten da eine Besserung. ‑ Ich glaube, dabei bleibt es.
In Bezug auf die Behandlung in Deutschland: Wie gesagt, das ist eine Frage, die man auch mit einem vernünftigen Einsatz von Mitteln beantworten muss. Da gibt es sehr, sehr viele Menschen, denen es sehr schlecht geht, die dringend auf medizinische Behandlungen angewiesen sind. Ich glaube, da ist beim Mitteleinsatz insbesondere geboten, so effektiv wie möglich vorzugehen. Da ist unsere Präferenz, das vor Ort zu erledigen. Da kann man mehr Menschen mit weniger Mitteln helfen.
Zusatzfrage
Meine Frage war aber, wie sich die Bundesregierung erklärt, dass sie so wenig Einfluss auf den israelischen Partner hat und explizit die genannten EU-medizinischen Hilfsgüter seit Monaten zurückgehalten werden, insbesondere in Rafah.
Giese (AA)
Es gibt Gespräche, und es gibt ein Gesamtbild. Die humanitäre Versorgung in Gaza hat sich ganz erheblich verbessert. Die Zielmarken sind da erreicht. Es gibt weitere Gebiete, wo noch eine Verbesserung erforderlich ist, wo wir darauf drängen. Daran arbeiten wir. Wir sind aber zuversichtlich, dass das auch gelingen kann.
Frage
Herr Meyer, der Kanzler reist jetzt nach Israel. Können Sie sagen, ob das auch auf der Agenda des Kanzlers steht, ob er sich also dafür einsetzt, dass die Versorgung der Palästinenser sich verbessert?
Meyer (BReg)
Sie können davon ausgehen, dass alle Elemente des 20-Punkte-Friedensplans und die entsprechende Umsetzung ein wesentlicher Teil der Gespräche sind. Im Einzelnen kann und will ich da nicht vorgreifen. Das müssen wir auf der Reise oder im Anschluss noch einmal im Detail machen.
Aber natürlich ist absolut naheliegend, dass der gesamte Komplex eine Rolle spielen wird. Wie das langfristig und nachhaltig abgesichert werden kann, wie wir dort zu weiteren Verbesserungen und zu einer Stabilisierung in der Region kommen, das ist natürlich Teil von Gesprächen.
Zusatzfrage
Wird er auch die Gewalt jüdischer Siedler im Westjordanland ansprechen?
Meyer (BReg)
Sie kennen die Position der Bundesregierung dazu. Was er genau ansprechen wird und was nicht, dem kann ich leider nicht vorweggreifen.