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Todesstrafe: „Es gibt ein paar Länder, die Sorge bereiten“

10.04.2013 - Interview

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, im Interview über die aktuelle Situation im Kampf für die Abschaffung der Todesstrafe. Erschienen in der Berliner Zeitung vom 10.04.2013.

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Herr Löning, mehrere Länder haben vergangenes Jahr nach längerer Pause wieder Todesurteile vollstrecken lassen, darunter auch Demokratien wie Japan oder Indien. Ist die Abschaffung der Todesstrafe unwahrscheinlicher denn je?

Nein, da bin ich optimistischer. Der langfristige Trend weist in die richtige Richtung. Inzwischen gibt es in 140 Ländern keine Todesstrafe mehr, das ist eine deutlich andere Situation als noch vor 30 Jahren. Aber es gibt ein paar Länder, die mir große Sorgen bereiten. Das ist zum einen Japan, wo es offensichtlich keinen öffentlichen Diskurs über das Thema gibt. Auch Taiwan hat nach etlichen Jahren wieder angefangen, hinzurichten, ebenso Indonesien oder Indien.

Wie erklären Sie sich die Wiederaufnahme von Hinrichtungen in so vielen Ländern? Fürchten die Regierungen nicht mehr, dass das dem Ansehen des Landes schadet?

Ein Standardargument der Politiker, das ich immer höre, ist, dass die Todesstrafe in der Bevölkerung so populär sei. Dafür gibt es nie einen Beweis, aber es ist auch sehr schwer, den Gegenbeweis anzutreten. Trotzdem heißt es in einer ganzen Reihe von Ländern, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Todesstrafe nun mal wolle. Bei solchen Befragungen wird aber nie nach Alternativen gefragt, von den Politikern werden auch keine Gegenargumente öffentlich vorgetragen.

Welche Mittel hat die internationale Gemeinschaft dann überhaupt gegen die Todesstrafe?

Sehr viele gute Argumente. Und dass die wirken, zeigt die Debatte in den USA, wo die Gegner der Todesstrafe in kleinen Schritten Erfolge vermelden können.

Wie sind denn die Reaktionen, wenn Sie bei Ihren Gesprächen mit ausländischen Regierungen die Abschaffung der Todesstrafe verlangen?

Sehr unterschiedlich. In Vietnam sagte man mir vor Kurzem, dass man im Moment gar nicht hinrichten könne, da ein entsprechendes Medikament nicht zur Verfügung stehe. In den USA sind die Reaktionen sehr gemischt, in China habe ich eigentlich mehr Todesstrafengegner getroffen, als ich das erwartet hätte. Ein Vertreter von Saudi-Arabien war dagegen nicht mal im Ansatz bereit, mit mir über die Abschaffung der Todesstrafe zu reden. Der sagte nur, das sei Gottes Wille.

Sie haben es noch nicht aufgegeben, mit manchen Staaten über die Todesstrafe zu reden?

Im Gegenteil. Man merkt zum Beispiel, dass in den USA das europäische Wort in dieser Debatte Gewicht hat. Europa hat die Todesstrafe abgeschafft und unsere Länder sind trotzdem sicher. Das erkennen die USA durchaus an. Wenn ich mit den Taiwanesen rede, merkt man, das Thema ist ihnen extrem unangenehm. Denn auch dort gibt es eine Debatte darüber. Und wie gesagt, selbst in China treffe ich immer wieder Menschen, die für die Abschaffung der Todesstrafe streiten. Es gibt Richter vom Obersten Gerichtshof, die die Todesstrafe als unmenschliche Form der Bestrafung ablehnen.

Es ist nur symbolisch, gleichwohl: Als einziges Bundesland hat Hessen in seiner Landesverfassung noch die Todesstrafe. Konnten Sie nicht auf Ihre Parteifreunde in der hessischen Landesregierung einwirken, die Verfassung zu ändern?

Natürlich habe ich das gemacht. In Hessen muss das per Volksabstimmung geändert werden. Das soll im Zuge der nächsten Verfassungsreform angegangen werden.

Fragen: Mira Gajevic. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Berliner Zeitung.

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