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EU-Haushalt: Volumen reduzieren, „Prinzip Gießkanne“ abschaffen

05.02.2013 - Interview

„Das Gesamtvolumen des EU-Haushaltsrahmens muss noch reduziert werden“, unterstreicht Staatsminister Michael Link die Position der Bundesregierung kurz vor dem 2. EU-Sondergipfel zum EU-Haushalt 2014-2020. Wenn künftig auf das „Prinzip Gießkanne“ bei der Mittelverteilung verzichtet werde, könne der EU-Haushalt auf ein Prozent der EU-Wirtschaftskraft beschränkt werden, so Link im Interview mit EurActiv.de (erschienen am 05.02.2013).

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Beim 2. Sondergipfel zum EU-Haushalt 2014-2020 wollen die EU-Chefs diese Woche nun endlich einen Kompromiss finden. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat vorab alle Länder aufgefordert, Kompromisse einzugehen. An welchen Punkten wird die Bundesregierung von ihrer bisherigen Haltung abrücken? Und wo sind die roten Linien?

Alle Mitgliedstaaten wie auch das Europäische Parlament müssen zustimmen, damit wir eine Einigung auf den neuen EU-Finanzrahmen erreichen. Deutschland setzt sich dafür ein, dass es zu dieser Einigung kommt und unterstützt Herman Van Rompuy bei seinen Bemühungen als Vorsitzender des Europäischen Rats. Ein zügiger Abschluss der Verhandlungen zum EU-Haushalt bis 2020 ist notwendig, um Planungssicherheit zu schaffen, aber auch um die Handlungsfähigkeit der EU unter Beweis zu stellen. Damit können wir das dringend notwendige Vertrauen in Europa stärken.

Einstimmigkeit setzt natürlich ein hohes Maß an Kompromissbereitschaft auf allen Seiten voraus. Alle Partner im Rat müssen sich noch bewegen. Das Gesamtvolumen des Haushaltsrahmens muss noch reduziert werden. Alle EU-Mitgliedstaaten sind derzeit auch auf nationaler Ebene darum bemüht, ihre Haushalte zu konsolidieren. Zugleich wollen wir einen modernen Haushalt, mit einem deutlichen Akzent auf Wachstum und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Das „Prinzip Gießkanne“ bei der Mittelverteilung hat ausgedient. Wenn wir die vorhandenen Mittel klüger und zielgerichteter investieren, können wir den EU-Haushalt auf 1 Prozent der EU-Wirtschaftskraft beschränken und ihn in ein echtes Wachstumsprogramm für Europa verwandeln.

Das Europäische Parlament hat seine Position zum EU-Haushalt schon lange festgelegt. Eine Kernforderung besteht in der Ausweitung der sogenannten Eigenmittel, also der Abführung national erhobener Steuern an die EU-Ebene. Außerdem wollen die Parlamentarier das Geld flexibler zwischen einzelnen Haushaltsposten verschieben können. Wird die Bundesregierung beiden Forderungen zustimmen?

Die von Ihnen angesprochenen Punkte – Eigenmittel und Flexibilität – bedürfen sicherlich noch weiterer Diskussion. Es ist bekannt, dass die Bundesregierung die Einführung neuer Eigenmittel für die EU ablehnt. Aus unserer Sicht hat der EU-Haushalt kein Finanzierungsproblem. Stattdessen würden neue Eigenmittel den bereits jetzt sehr komplizierten EU-Haushalt mit verschiedenen Einnahmequellen – Zölle, Beiträge der Mitgliedstaaten auf der Basis von Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage und Bruttonationaleinkommen, um nur einige zu nennen – nur noch komplizierter machen. Ein Beitrag zum Haushaltsgrundsatz der Klarheit wäre das jedenfalls nicht.

Zweifellos müssen wir in einen Haushaltsrahmen, der sieben Jahre abdeckt, ausreichend Flexibilität einbauen. Nur so können wir auf unvorhergesehene Situationen reagieren. Dieses Erfordernis ist aber nicht neu. Wir haben bereits gute Regeln, um diese Reaktionsfähigkeit sicherzustellen. Wir dürfen nicht vergessen: Mit dem Finanzrahmen ist auch eine politische Prioritätensetzung und Planungssicherheit verbunden. Diese darf durch spätere Interventionsmöglichkeiten nicht beliebig werden.

Elf EU-Länder, darunter Deutschland, werden mittels „verstärkter Zusammenarbeit“ eine gemeinsame Steuer auf Finanztransaktionen einführen. Deutschland kann nach Berechnungen des DIW etwa 10 Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen erwarten. Sollte das Geld in den Bundeshaushalt fließen oder in die europäische Kasse?

Die Mittel aus der Finanztransaktionssteuer sind im Bundeshaushalt bereits verplant. Wie ich schon sagte: Aus Sicht der Bundesregierung braucht der EU-Haushalt auch keine neuen Eigenmittel.

Premierminister David Cameron hat angekündigt, er wolle bestimmte EU-Kompetenzen wieder auf die nationale Ebene ziehen. Welche EU-Kompetenzen gehören aus deutscher Sicht auf den Prüfstand, um sie gegebenfalls von der EU-Ebene zurück zur nationalen Ebene zu holen?

Deutschland und Großbritannien eint das Ziel eines besseren, wettbewerbsfähigeren und demokratischeren Europas. Für die Bundesregierung hat die Finanz- und Wirtschaftskrise sehr deutlich gezeigt: Wir müssen noch enger in der Europäischen Union zusammenarbeiten und die EU zugleich effektiver und schlagkräftiger machen. Ganz besonders gilt das für die Wirtschafts- und Währungsunion. Für Deutschland kann es dabei keine Abstriche geben. Wir brauchen eine vertiefte und wirksame wirtschaftspolitische Koordinierung. Wir werden natürlich darauf achten, dass es dabei keine Verzerrungen im Binnenmarkt der EU-27 gibt. Es darf aber kein Partner außerhalb der Euro-Zone diesen Zug in Richtung Solidität blockieren.

Zugleich gilt aber auch: Brüssel soll nur dort mehr Durchgriffsrechte bekommen, wo es einen europäischen Mehrwert gibt. Europa ist ein Kontinent der Vielfalt, die nationale Ebene bleibt der zentrale Kristallisationspunkt für gesellschaftliche Debatten. Hier gilt es, das Prinzip der Subsidiarität durchzusetzen. Ich sehe keinen Grund dafür, dass Brüssel deutschen Mittelständlern vorschreibt, wie Frauen in Führungspositionen gefördert werden.

Cameron will die Briten per „in or out“-Referendum über einen EU-Austritt abstimmen lassen. Auch andere Länder könnten diesen Weg wählen. Droht uns schon bald ein Zerfall der Europäischen Union?

Entscheidend ist, dass wir diese Fragen am Tisch mit allen europäischen Partnern gemeinsam beraten und alle Partner den europäischen Acquis gleichermaßen anwenden. Die Verträge sehen bereits verschiedene, anerkannte Instrumente zur Differenzierung der Integrationstiefe vor. Ein Europa „à la carte“ mit permanenten Sonderregeln für Einzelne kann es hingegen nicht geben. So wenig aber wie die Euro-Zone trotz aller Schwanengesänge zerbrochen ist im vergangen Jahr, so wenig wird die Europäische Union zerfallen. Sie ist unsere Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung und nach wie vor ein Friedens- und Wohlstandsprojekt, das Deutschland entschieden voranbringen will.

Deutschland und Frankreich haben vor wenigen Tagen den 50. Jahrestag des Élysée-Vertrags gefeiert. Beide Regierungen tun sich allerdings sehr schwer, eine gemeinsame Antwort auf die wirtschaftlichen und soziale Krise in Europa zu finden und eine gemeinsame Position zur Reform der Europäischen Union. Hat die deutsch-französische Zusammenarbeit im europäischen Kontext an Bedeutung verloren?

Das Gegenteil ist richtig. Gerade die sehr harmonischen Feierlichkeiten zum Elysée-Jubiläum haben doch den Willen beider Seiten unterstrichen, die deutsch-französische Freundschaft in den Dienst Europas zu stellen. Außenminister Guido Westerwelle und sein französischer Amtskollege Laurent Fabius haben sich in einem gemeinsamen Beitrag unmissverständlich dazu bekannt, dass Deutschland und Frankreich sich gemeinsam dafür einsetzen wollen, die EU zukunftsfest zu machen. Dazu gehören Reformen, um unsere Gesellschaften zu modernisieren. Ich selbst stehe mit meinem Amtskollegen, dem französischen Europaminister Bernard Cazeneuve, in einem äußerst engen und freundschaftlichen Austausch, auch zur gesamten Bandbreite der europäischen Agenda. Natürlich haben beide Länder häufig unterschiedliche Traditionen und Sichtweisen. Es ist aber Teil der deutsch-französischen „DNA“ geworden, dass wir die Gemeinsamkeiten suchen und finden. Bei der Bankenunion ist uns das beispielsweise gelungen. Es wird uns auch bei den anderen zentralen europäischen Entscheidungen gelingen, die dieses Jahr anstehen.

Erstmals seit dem Amtsantritt von Präsident François Hollande wollen Frankreich und Deutschland im Juni mit einer abgestimmten Verhandlungsposition zum Europäischen Gipfel fahren. Über welche Elemente einer solchen gemeinsamen Position zum Juni-Rat haben Sie sich bereits mit ihren französischen Kollegen geeinigt? Bei welchen Details besteht noch Abstimmungsbedarf?

Es ist wichtig und richtig, dass Frankreich und Deutschland den Europäischen Rat im Juni diesen Jahres besonders intensiv in den Blick nehmen. Denn im Juni wollen wir im Kreise aller Mitgliedstaaten den weiteren Kurs zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion festklopfen. Bis dahin liegen noch einige Wegmarken, denen ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorweggreifen möchte. Entscheidend ist, dass wir mit dem festen Entschluss in das neue Jahr gestartet sind, die verschiedenen Etappen, die bis Juni anstehen, gemeinsam zurückzulegen.

Beim Europäischen Rat im Juni soll der Fahrplan für eine viel stärkere Integration der Euro-Zone festgelegt werden. Parallel zu dieser neuen Dimension der politischen Integration soll nach dem Willen Frankreichs und anderer EU-Länder, der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments eine schrittweise Vergemeinschaftung der Schulden aller Euro-Länder erfolgen. Wird die Bundesregierung den Bürgern noch vor der Bundestagswahl sagen, dass Eurobonds - wenn vielleicht auch unter anderem Namen - in naher Zukunft eingeführt werden?

Die Bundesregierung lässt keinen Zweifel daran, dass wir die aktuelle Krise nur dauerhaft überwinden können, wenn wir an ihren Ursachen ansetzen. Das Problem überbordender Defizite kann man nicht mit immer neuen Schulden in den Griff kriegen. Hier helfen nur grundlegende Strukturreformen. Die Vergemeinschaftung von Schulden – unter welchem Namen auch immer – setzt die falschen Anreize. Sie dient nur dazu, das Schuldenmachen zu erleichtern. Mit dieser Bundesregierung wird es weder Eurobonds noch sonstige Formen der gesamtschuldnerischen Haftung geben. Deutschland zeigt sich solidarisch, das haben wir schon bewiesen. Wir tragen den größten Anteil an den beiden Euro-Rettungsschirmen EFSF und ESM. Aber wir erlauben keine falschen Rezepte auf Kosten unserer Steuerzahler.

Fragen: Michael Kaczmarek. Übernahme mit freundlicher Genehmigung von http://www.euractiv.de

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