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„Wir dürfen die Not der Menschen in Mali nicht vergessen“

17.01.2013 - Interview

Außenminister Guido Westerwelle zur deutschen Unterstützung für die französische Intervention in Mali und zum weiteren deutschen Engagement in Afghanistan. Erschienen in der Nordwest-Zeitung vom 17.01.2013.

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Brennpunkt Mali: Wie weit kann deutsche Hilfe gehen?

Wir können als Europäer kein Interesse daran haben, dass südlich des Mittelmeers ein Staat zerfällt und ein neues Rückzugsgebiet für den Terrorismus der Welt entsteht. Deshalb war es richtig, dass Frankreich auf Bitten der malischen Regierung gehandelt hat. Wir Deutsche werden nicht mit kämpfenden Truppen eingreifen, aber Frankreich und die afrikanischen Nachbarstaaten bei der europäischen Mission unterstützen: mit zwei Transportflugzeugen der Bundeswehr für die afrikanischen Truppen von ECOWAS, aber auch mit humanitärer Hilfe für die Menschen in Mali, die auf der Flucht sind. Wir dürfen bei den wichtigen strategischen und militärischen Erwägungen die Not der Menschen nicht vergessen.

Kann es auch eine militärische Absicherung der Hilfe geben?

Ich will darüber nicht spekulieren. Kampftruppen werden wir nicht entsenden, aber Frankreich auch nicht alleine lassen. Wir können nicht bei jedem Kampfeinsatz weltweit dabei sein. Deutschland setzt sich engagiert und mit Tausenden Soldatinnen und Soldaten für die globale Sicherheit ein: in Afghanistan, mit unseren Patriot-Abwehrsystemen in der Türkei, im Libanon und auf dem Balkan.

Brauchen wir ein Bundestagsmandat?

Für die jetzt geplanten Truppentransporte ist das nicht erforderlich. Aber ungeachtet aller verfassungsrechtlicher Vorgaben: Es ist selbstverständlich, dass die Bundesregierung den Deutschen Bundestag sehr eng einbinden wird. Das haben wir auch jetzt so gehandhabt.

Stichwort Afghanistan: In den USA gibt es Stimmen, sich im Jahr 2014 ganz aus dem Land zurückzuziehen. Was bedeutet das für Deutschland?

Die internationale Gemeinschaft wird ihre Verantwortung auch nach 2014 für Afghanistan wahrnehmen. Wir wollen nicht, dass ein politisches Vakuum entsteht, in dem islamistische Terroristen Kabul wieder zu ihrer Hauptstadt machen. Richtig ist aber auch: Militärische Lösungen sind nicht dauerhaft, wir brauchen einen politischen Weg.

Was kann Deutschland mehr tun in Afghanistan nach 2014?

Unterstützung der Zivilgesellschaft, besonders von Frauen und Mädchen, Hilfe beim wirtschaftlichen Wiederaufbau, für echte soziale Perspektiven der vielen von Krieg und Instabilität geschundenen Menschen. Umso wahrscheinlicher wird eine stabile und moderne Entwicklung.

Welche Chancen sehen Sie für die deutsche Wirtschaft?

Ich sehe gerade im Norden Afghanistans gute Chancen für die deutsche Wirtschaft und Investoren. Aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen: Kampf gegen Korruption und Kriminalität. Auf Dauer stabilisiert man ein Land nur, wenn man die Gesellschaft mit einer wirtschaftlichen und sozialen Perspektive entwickelt. Investoren kommen nur dorthin, wo die Voraussetzungen stimmen. Das setzen wir gerade mit der afghanischen Regierung um.

Wie kann man die afghanischen Mitarbeiter schützen, die für Deutsche arbeiten und nach einem Abzug mit dem Leben bedroht sind?

Ich bin dankbar für die Frage. Wir müssen tatsächlich an die denken, die uns jahrelang treue Dienste in Afghanistan geleistet haben. Je stabiler sich Afghanistan entwickelt, desto besser wird auch deren Perspektive. Für sie tragen wir Verantwortung – und dieser Verantwortung werden wir gerecht werden.

Fragen: Gunars Reichenbachs. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Nordwest-Zeitung.

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