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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 28.07.2025

29.07.2025 - Artikel

Nahostkonflikt

Frage

Der Kanzler hat gestern mit Benjamin Netanjahu telefoniert. Wie hat der Premierminister auf die Forderungen des Kanzlers in dem Gespräch reagiert?

SRS Hille

Sie wissen, dass wir Sie darüber informieren, dass solche Telefonate stattgefunden haben, aber nicht darüber, was Inhalt und Reaktionen auf unsererseits vorgetragene Aspekte waren. Ich kann Ihnen sagen, dass der Bundeskanzler gestern sehr klar unsere Erwartungen geäußert hat, schnellstmöglich einen Waffenstillstand zu erreichen und schnellstmöglich die Bedingungen für humanitäre Hilfe zu verbessern. Der Bundeskanzler hat davon gesprochen, dass es absolut inakzeptabel ist, wie sich die Lage in Gaza derzeit gestaltet.

Natürlich gilt in dem Zusammenhang, auch immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Hamas aufgefordert ist, die Waffen niederzulegen und die verbliebenen Geiseln, die seit jetzt mehr als 600 Tagen ‑ ich sage es noch einmal: seit mehr als 600 Tagen ‑ in der Hand der Hamas sind, freizulassen.

Frage

Sie sagten gerade, der Kanzler habe die Erwartungen formuliert, die Sie gerade genannt haben, und gesagt, dass die Situation absolut inakzeptabel sei. Gleichzeitig ist ja Deutschland immer noch einer der größten Alliierten Israels und dieser Aushungerungskampagne in Gaza.

Welche Konsequenzen haben Sie der israelischen Seite angekündigt? Denn sonst sind es ja einfach nur leere Worte. Die Frage geht auch an Herrn Giese.

SRS Hille

Sie wissen, dass wir mit der israelischen Regierung und dem israelischen Ministerpräsidenten in intensivem Kontakt stehen und unsere Position in den vergangenen Wochen und auch noch einmal am Wochenende sehr deutlich unterstrichen haben. Im Zentrum steht die Erwartung, dass es umgehend zu einem Waffenstillstand kommen muss, dass die humanitäre Lage im Gazastreifen umgehend verbessert werden muss und dass die Hamas die Geiseln ‑ sie sind mehr als 600 Tage in der Gewalt der Hamas ‑ freilässt.

Zusatzfrage

Es ist nichts Neues, dass das aus ihrer Sicht passieren muss. Aber welche Konsequenzen haben Sie angekündigt? Denn das, was Sie und auch die vorige Regierung sich wünschen, passiert ja seit über anderthalb Jahren nicht. Was ist denn jetzt anders? Erwartungen ohne Konsequenzen sind leere Worte.

SRS Hille

Sie nehmen doch wahr, dass durchaus Veränderungen stattfinden. Seit dem Wochenende ‑

Zuruf

Menschen hungern, ja!

SRS Hille

‑ sind erstmals wieder in größerem Umfang Lieferungen von Hilfsgütern möglich. Das muss deutlich ausgebaut werden. Die Hilfe muss die Menschen unmittelbar erreichen. Der Umfang muss deutlich erhöht werden. Aber erste Entwicklungen in eine richtige Richtung, was die Verbesserung der humanitären Lage in Gaza angeht, sind zu erkennen. Das steht möglicherweise auch im Zusammenhang mit dem stetigen Einsatz der Bundesregierung in Kontakt mit dem israelischen Ministerpräsidenten.

Vorsitzende Hamberger

Herr Giese, wollen Sie ergänzen?

Giese (AA)

Ich kann dazu nur sagen, dass natürlich auch der Außenminister mit seinem Gesprächspartner, dem israelischen Außenminister, darüber spricht. Er hat sich am Wochenende dazu geäußert und gesagt, dass das erste Schritte in die richtige Richtung sind ‑ ich möchte unterstreichen, dass es erste Schritte sind ‑ und dass sie auch Ergebnis der direkten Ansprache der Bundesregierung sind, nicht nur öffentlicher Äußerungen, sondern tatsächlich auch direkter Kontakte, der direkten Gespräche. Auf dieser Linie werden wir fortfahren.

SRS Hille

Ich weise noch einmal darauf hin, dass heute Nachmittag zu genau dieser Frage das Sicherheitskabinett zusammenkommt, um die Linie im Umgang mit Israel und Gaza abzustimmen.

Frage

Herr Giese, was will Staatsminister Hahn bei der Zweistaatenlösungskonferenz in New York erreichen?

Giese (AA)

Ganz klar ist, dass die Zweistaatenlösung die einzige Maßnahme bleibt, um den Nahostkonflikt langfristig zu lösen, auf die man sich international verständigt hat und die sowohl Palästinensern wie auch Israelis ein Leben in Frieden, Sicherheit und Würde ermöglicht.

In New York wollen wir dem Prozess hin zur Zweistaatenlösung, den die Bundesregierung unterstützt, neues Momentum verleihen. Deutschland wird deswegen, wie Sie gesagt haben, durch Staatsminister Florian Hahn vom Auswärtigen Amt und den Parlamentarischen Staatssekretär im BMZ, Johann Saathoff, vertreten. Staatsminister Hahn wird auf der Konferenz Deutschlands Ansatz und konkrete Beiträge zur Umsetzung der Zweistaatenlösung unterstreichen, geleitet von unserem unverhandelbaren Eintreten für die Sicherheit Israels, unserer Unterstützung für das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes und unserem Bemühen um Stabilität in der gesamten Region.

[…]

Frage

Herr Hille, wenn ich eine Empfehlung geben darf: Das Thema Apartheid oder Apartheidstaat, von Israel betrieben, ist wirklich seit Monaten internationales Thema. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass dieser Sachverhalt bei Ihnen nicht bekannt ist.

Meine Frage bezieht sich sehr konkret auf die Verbesserung von Hilfslieferungen. Die Vereinten Nationen sagen, es seien 500 Lkw-Ladungen täglich nötig, um wirksame Hilfe zu leisten. Wie viele sind es nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell, nachdem sich, wie Sie sagten, die Lage jetzt verbessert hat?

Giese (AA)

Die genauen Zahlen ändern sich täglich. Wenn ich Ihnen da genaue Zahlen liefern kann, werde ich das tun, wobei das immer nur eine Momentaufnahme ist. Gestern Abend sollen hundert Lkws in den Gazastreifen gefahren sein. Aber das ist, wie gesagt, eine Momentaufnahme. Ich bin mir gar nicht ganz sicher, ob ich das nachhalten kann.

Ganz grundsätzlich gibt es verschiedene Gründe dafür, dass es sehr schwierig ist, humanitäre Hilfe nach Gaza zu bekommen und sie später von den Grenzübergängen im militärischen Sperrgebiet in Gaza abzuholen und zu den Bedürftigen zu bringen. Dazu gehören vor allem die extrem gefährliche Sicherheitslage, aber auch die nicht ausreichenden israelischen Sicherheitszusagen bis zum jetzigen Zeitpunkt.

Wir sehen, dass Helferinnen und Helfer der Vereinten Nationen mit ihrer Arbeit bei laufenden Kampfhandlungen jeden Tag ihr Leben aufs Spiel setzen. Humanitäre Helferinnen und Helfer brauchen natürlich Sicherheit, um helfen zu können. Die Vereinten Nationen, die dafür in der Hauptverantwortung stehen, müssen effektiv arbeiten können. Darum kümmern wir uns und rufen Israel auf, soweit das überhaupt möglich ist, zu kooperieren und Sicherheitsgarantien dafür zu geben, dass Hilfsgüter sicher transportiert und verteilt werden können.

Vielleicht eine Information zu dem Umfang der deutschen Hilfe: Die deutsche humanitäre Hilfe für die palästinensischen Gebiete beläuft sich seit Beginn des Krieges insgesamt auf mehr als 330 Millionen Euro; davon entfällt etwa 95 Prozent auf die Bevölkerung im Gazastreifen. Erst im Mai dieses Jahres, haben wir die Hilfen angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen auch trotz der vorläufigen Haushaltsführung noch einmal um über 30 Millionen Euro aufgestockt. Die Bundesregierung setzt sich auf allen Ebenen und gemeinsam mit allen Partnern für eine Verbesserung der humanitären Lage in Gaza ein.

[…]

Frage

Ich erinnere mich aber an die vorige Bundesregierung, die gemeint hatte, dass diese Abwürfe sehr ineffizient, viel zu teuer und im Gegensatz zu den Lkws, die vor den Türen stehen, die weitaus schlechtere Lösung seien. Darum wundere ich mich darüber, dass die Lkws nicht gepusht werden.

Herr Giese, Sie sagen, dass es um 330 Millionen Euro geht, die für die Hilfe der Palästinenser in Gaza da sind. Wie viele dieser Produkte, die für das Geld gekauft wurden, stehen dann noch vor der Tür? Die sind ja nicht nach Gaza gelangt, oder haben Sie jetzt nur von Wert gesprochen, der tatsächlich jetzt nach Gaza gelangt ist? Sie möchten nicht widersprechen, Herr Harms, oder?

Harms (BMVg)

Ich möchte das nicht kommentieren. Ihre Bewertung ist, dass es ineffizient ist. So habe ich das verstanden. Das nehme ich so hin, aber ich möchte das nicht kommentieren.

Giese (AA)

Vielleicht kann man nur ergänzen, dass es ja nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch geht. Ich denke, es sollte auch in Ihrem Sinne sein, dass alle Wege genutzt werden sollten, so sie zur Verfügung stehen, um humanitäre Hilfe in den Gazastreifen bringen zu können.

Zusatzfrage

Aber ich hatte jetzt trotzdem noch gehofft, dass Herr Giese uns sagen kann, wie viele von der humanitären ‑ ‑ ‑

Giese (AA)

Ich dachte, es wäre dann das Thema zwei.

Zusatzfrage Jung

Dann warte ich kurz.

Giese (AA)

Alles, was hilft und sinnvoll ist, sollte vielleicht auch unternommen werden. Vielleicht kann man es so zusammenfassen: In Bezug auf Ihre Frage nach dem Geld kann ich Ihnen jetzt gar nicht sagen, wie viel dieser Summe ausgegeben ist, wie viel davon noch zur Verfügung steht. Ich glaube, grundsätzlich ist es so, dass es in dieser Situation nicht am Geld für humanitäre Hilfe liegt ‑ die Vereinten Nationen haben auch schon gesagt, sie hätten ausreichend Mittel, nicht nur Mittel finanzieller Art, sondern sie hätten auch ausreichend Nahrungsmittel und weitere Hilfsprodukte, die sie nach Gaza transportieren können ‑, sondern es geht wirklich um die Logistik, um den Transport. Dazu, dass das sehr schwierig ist und was wir da von Israel erwarten, habe ich mich gerade geäußert, und das kann ich nur noch einmal unterstreichen.

[…]

Frage

Die Knesset hat die Annexion der Westbank beschlossen bzw. dafür gestimmt. Sie haben jetzt wieder die Zweistaatenlösung angesprochen. Sie haben angesprochen, dass Herr Harms, glaube ich, in die USA fliegt, um die Zweistaatenlösung zu pushen. Die Annexion der Westbank, also Annexion vom palästinensischen Gebiet, ist das Gegenteil von einem Schritt in die Zweistaatenlösung. Warum habe ich bisher von der Bundesregierung zu dieser Knessetentscheidung, die ja mehr ist als das, was die rechtsextreme Regierung bisher getan hat, noch nichts gehört, wenn es ihr um die Zweistaatenlösung geht?

Giese (AA)

Ich weiß, auf welche Entscheidung der Knesset Sie sich beziehen. Sie wissen, dass das keine bindende Entscheidung der Knesset war, und trotzdem haben wir uns, die Bundesregierung, durch verschiedene Personen, sowohl den Bundeskanzler als auch den Außenminister, wiederholt dazu geäußert, dass eine Zweistaatenlösung der einzige Schritt zu einer dauerhaften Friedenslösung ist und dass wir jegliche Schritte hin zu einer Annexion der Westbank ablehnen. Ich glaube, das ist die Antwort auf Ihre Frage. Das bleibt so.

Zusatzfrage

Sie lehnen also die Entscheidung des israelischen Parlaments ab, oder?

Giese (AA)

Ich habe das gesagt, was ich gesagt habe. Ich kann es aber gerne wiederholen. Die Bundesregierung lehnt alle Schritte, die auf eine Annexion des Westjordanlandes gerichtet sind, ab.

Bundesaufnahmeprogramme für Afghaninnen und Afghanen

[…]

Frage

Wenn ich den Begriff „Aufnahmeprogramm“ auf „Aufnahmezusage“ erweitern darf: Herr Giese, vor einer Woche hat der Außenminister ja gesagt, dass die Aufnahmezusage für Afghanen, die derzeit festsitzen ‑ etwa 2400 mit gültiger Aufnahmezusage ‑ im Prinzip erfüllt werden würde. Können Sie uns ein Update geben, wie diese Im-Prinzip-Umsetzung erfolgt, vor allem in Zusammenarbeit oder auch Auseinandersetzung mit dem BMI?

Giese (AA)

Sie unterstellen da eine Äußerung, die so nicht gefallen ist. An diese Formulierung „im Prinzip“ kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß, dass der Außenminister gesagt hat, dass sich Deutschland bei all denjenigen, die eine rechtsgültige Aufnahmezusage haben und für die das rechtskräftig festgestellt worden ist, als Rechtsstaat natürlich auch daran halten und die Einreise ermöglichen wird. Das ist Gegenstand von verschiedenen Verfahren, hier vor allem vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Sie wissen, dass es da eine Entscheidung gab. Gegen die haben wir fristgerecht Beschwerde eingelegt. Das ist eine Entscheidung im Eilverfahren gewesen. Der Entscheidung im Hauptsacheverfahren bzw. der Beschwerdeentscheidung würde ich jetzt ungern vorgreifen. Aber ganz klar ist: Wenn es eine rechtliche Verpflichtung gibt, dann wird die Bundesregierung diese natürlich einhalten. Das ist ja ganz klar.

Zusatzfrage

Aber die rechtliche Verpflichtung kann dann auch so aussehen, wenn, wie hier, die Bundesregierung Widerspruch gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts einlegt, dass man dann keine rechtliche Verpflichtung als gegeben ansieht, ehe das Hauptsacheverfahren entschieden ist. Gilt das für diese Art der Aufnahmezusage, oder, wie Sie noch einmal wiederholt haben, werden rechtsverbindliche Zusagen, wenn sie gegeben wurden, eingehalten? Das ist dann eben doch dieses „im Prinzip“.

Giese (AA)

Ich habe es gerade schon ausgeführt: Das liegt jetzt beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, wenn mich nicht alles täuscht, das darüber entscheiden wird, wie in diesem Einzelfall zu verfahren ist. Es gibt weitere Verfahren, die da anhängig sind, und wir werden die Urteile natürlich befolgen. Das ist ja, wie gesagt, in einem Rechtsstaat ganz klar.

Im Übrigen werden die Aufnahmezusagen, die da gegeben worden sind, in den Einzelfällen geprüft, und in den Fällen, in denen eine rechtliche Verpflichtung gegeben ist, werden wir die, wie gesagt, einhalten.

[…]

Frage

Ich habe noch eine Verständnisfrage an Herrn Giese zu diesem Begriff der rechtlichen Verpflichtung. Sind Sie aus Ihrer Sicht erst dann rechtlich verpflichtet, wenn es eine letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung im Einzelfall gegeben hat?

Giese (AA)

Ich werde das vielleicht in einer allgemeinen Form beantworten: Das liegt immer dann vor, wenn die Bundesregierung davon überzeugt ist, dass eine rechtliche Verpflichtung vorliegt. Das kann ein letztinstanzliches Urteil sein, kann aber im Einzelfall, wenn es keinerlei Zweifel gibt, auch ohne ein Urteil erfolgen. Aber das ist einzelfallabhängig.

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