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Interview von Außenminister Wadephul mit der Bild am Sonntag

27.07.2025 - Interview

Erschienen am 20.07.2025.

Frage:

Der russische Angriffskrieg tobt so heftig wie seit Langem nicht mehr. Verliert die Ukraine?

Johann Wadephul:

Nein. Ganz Europa steht an der Seite der Ukraine, und auch die Vereinigten Staaten von Amerika sind weiter zur Unterstützung bereit. Das ist wesentlich auf eine Initiative des deutschen Bundeskanzlers zurückzuführen.

Frage:

Welchen Anteil hat Friedrich Merz daran, dass der US-Präsident im Umgang mit Putin umgeschwenkt ist?

Johann Wadephul:

Friedrich Merz hat einen großen Anteil daran, weil er von Anfang an sehr klar gemacht hat, dass er sich für die Ukraine einsetzt. Er hat den Punkt gemacht, als er im Oval Office war. Und er hat ihn bei G7 in persönlichen Gesprächen gemacht. Friedrich Merz hat Donald Trump angerufen und gesagt, dass die USA jetzt gebraucht werden. Wir können froh sein, dass der Bundeskanzler so einen vernünftigen Draht zum US-Präsidenten entwickelt hat und die deutsche Stimme in Washington wieder gehört wird.

Frage:

Wird Merz’ Stimme auch im Zollstreit gehört? Da zieht Präsident Trump gehörig die Daumenschrauben an.

Johann Wadephul:

Ja, selbstverständlich. Der Bundeskanzler engagiert sich bei diesem Thema sehr intensiv. Wir Deutsche können uns darauf verlassen, dass es einen Bundeskanzler gibt, der unsere und die europäischen Interessen in Washington wahrt.

Frage:

Kann Ursula von der Leyen, die Hauptverantwortliche für die Zollverhandlungen, Trump stoppen?

Johann Wadephul:

Die USA werden sich genau überlegen, ob sie in eine größere Auseinandersetzung mit der gesamten EU hineingehen – denn wir stehen hier zusammen. Das würde dazu führen, dass in den USA für Verbraucher alles teurer wird. Die Europäische Union ist nicht wehrlos, und die Kommission, geführt durch die Kommissionspräsidentin, nimmt unsere europäischen Interessen wahr.

Frage:

Steht Europa wirklich zusammen, droht nicht auch ein Ausbrechen einzelner Staaten?

Johann Wadephul:

Nein. Es gibt eher Staaten, die von uns noch mehr Schärfe und Härte verlangen, als Deutschland richtig findet. Wir sind der Meinung: Auf dem Verhandlungsweg kommen wir zu einer positiven Einigung mit den USA. Europa steht zusammen.

Frage:

Was peilen Sie in den Verhandlungen an: gar keine Zölle? Oder Zölle von z. B. zehn Prozent?

Johann Wadephul:

Wir würden natürlich den kompletten Abbau aller Zölle für richtig halten.„

Frage:

Würden Sie sagen, dass Sie und der Kanzler Außenpolitik aus einem Guss machen?

Johann Wadephul:

Unbedingt.

Frage:

Über Ihre Ankündigung, die deutschen Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent hochzuschrauben, war man im Kanzleramt angeblich nicht erfreut. Haben Sie auf eigene Faust gehandelt?

Johann Wadephul:

Das Kanzleramt und der Bundeskanzler sind sehr zufrieden mit dieser Initiative gewesen und sind es nach wie vor.

Frage:

Also haben Sie da die Initiative ergriffen?

Johann Wadephul:

Ja, das war meine Initiative. Ich habe auch eine Ressortverantwortung als Außenminister. Die nehme ich wahr. Und ich glaube, an der Stelle war es genau richtig.

[...]

Frage:

In der Migrationspolitik zeichnet ein Bericht Ihres Ministeriums ein sehr düsteres Bild von Syrien. Das klingt, als ob Abschiebungen dahin kaum möglich sind – richtig?

Johann Wadephul:

Wir gucken uns Syrien mit Sorgfalt an. In der Tat haben wir gerade wieder in Drusengebieten Unruhen gesehen, die uns besorgen. Wir fordern die Übergangsregierung in Syrien auf, dafür zu sorgen, dass alle Bevölkerungsgruppen, alle Religionsgruppen in dieses diverse Land integriert werden. Und dass niemand um Leib und Leben fürchten muss. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sind wir der Meinung: Dieser Übergangsregierung müssen wir eine ernsthafte Chance geben.

Frage:

Das bedeutet?

Johann Wadephul:

Das bedeutet auch, dass wir zusammenarbeiten können – in der Weise, dass es auch grundsätzlich möglich sein kann, in Zukunft straffällig gewordene Syrer in das Land abzuschieben. Ich halte das grundsätzlich für möglich. Vorausgesetzt natürlich, dass das Land sich in diese Richtung weiterentwickelt, die ich gerade beschrieben habe.

Frage:

Es gibt auch Streit um Aufnahmeprogramme für Afghanen. Wann landet der nächste Flieger in Deutschland? Wie viele Menschen kommen noch?

Johann Wadephul:

Es gibt keine weiteren Aufnahmeprogramme. Es gibt eine gewisse Zahl von Afghanen, die positive Bescheide der Bundesrepublik Deutschland in den Händen haben. Wer einen hat, den werden wir aufnehmen, wenn nicht Sicherheitsgründe dagegensprechen. Andere nicht. Ich kann die Uhr nicht zurückdrehen und Fehlentscheidungen früherer Bundesregierungen ändern.

Frage:

Zuletzt war von ungefähr 2300 Menschen die Rede. Kommen die alle noch?

Johann Wadephul:

Das ist nicht sicher.

Frage:

Und die Programme sind aus Ihrer Sicht eine Fehlentscheidung?

Johann Wadephul:

Ich halte den Umfang, in dem derartige Entscheidungen in der Vergangenheit getroffen wurden, für kritikwürdig.

Frage:

Wie ertragen Sie den Wortbruchvorwurf in diesem Zusammenhang? Im Koalitionsvertrag hatte man formuliert: Die Programme werden beendet. Der Bürger stellt sich darunter vor, es kommt auch keiner mehr.

Johann Wadephul:

Wir setzen den Koalitionsvertrag um. Wir beenden die Programme, wir sprechen keine einzige neue Anerkennung aus. Aber wenn eine derartige Anerkennung ein Jahr alt ist, dann kann ich sie nur mit rechtsstaatlichen Mitteln ändern. Das heißt, wenn sich herausstellt, dass die Person eine falsche Identität hat. Oder dass sie überhaupt nicht mehr an dem Ort ist.

Frage:

Wadephul wird gerade im Ausland sehr unterschiedlich ausgesprochen. Was war denn bisher die lustigste Art?

Johann Wadephul:

‚Wonderful‘ (Englisch für ‚wunderbar‘, d. Red.) fand ich wundervoll.

Frage:

Wer hat Sie denn so genannt?

Johann Wadephul:

Ich weiß es gar nicht mehr. Aber es war so schön, dass ich es mir einfach gemerkt habe.

Interview: Nadja Aswad und Florian Kain

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