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„Assad ist zu weit gegangen“

14.01.2013 - Interview

Außenminister Westerwelle fordert einen Regimewechsel in Syrien. Dabei ist ihm der Schutz der Christen ein Anliegen. Im Palästina-Konflikt hält er an der Zwei-Staaten-Lösung fest. Weitere Themen; iranisches Atomproramm, Europäische Union. Erschienen in der Ausgsburger Allgemeinen vom 14.01.2013.

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Herr Westerwelle, der Bürgerkrieg in Syrien verschärft sich, gleichzeitig zeigt Machthaber Baschar al-Assad keine Bereitschaft zum Einlenken. Ist es nicht an der Zeit, mehr als nur warnende Erklärungen abzugeben?

Wir wollen den Erosionsprozess des Regimes beschleunigen und arbeiten daran auf mehreren Ebenen. Deutschland beteiligt sich an der internationalen Isolierung Syriens, an den internationalen Sanktionen und unterstützt die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte.

UN-Vermittler Brahimi hat erklärt, dass Assad auch nicht an einer Übergangslösung beteiligt werden könne...

Dies ist die richtige Reaktion auf die uneinsichtige und martialische Rede Assads vor wenigen Tagen. Ein demokratischer und friedlicher Neuanfang ist mit diesem Präsidenten nicht mehr möglich. Für eine „jemenitische Lösung“ (Bildung einer Übergangsregierung, während der bisherige Machthaber im Land bleibt, d.Red.) ist es zu spät. Assad ist zu weit gegangen.

Die syrischen Christen, die teilweise als Unterstützer Assads wahrgenommen werden, könnten in eine gefährliche Situation geraten, wenn Islamisten die Oberhand gewinnen. Wie lässt sich der Schutz der Christen verbessern?

Ich habe, ebenso wie US-Außenministerin Hillary Clinton, darauf bestanden, dass sich die Oppositionsgruppen nicht nur einigen, sondern auch einen demokratischen und pluralen Ansatz vertreten. Sunniten, Alawiten, Christen und Schiiten müssen beteiligt sein. Das hat die Nationale Koalition zugesagt.

Aber bereits heute wird von Übergriffen auf Christen berichtet...

Der Schutz von Christen ist ein Kernanliegen deutscher Außenpolitik. Ich kann nicht alles verifizieren, was zu diesem Thema gesagt wird. Hier ist auch Vorsicht geboten. Wir verfolgen zwei Ziele: Syrien einen demokratischen und pluralistischen Neuanfang zu ermöglichen und einen Flächenbrand in der Region zu verhindern.

Würde Deutschland bei einem Nato-Einsatz in Syrien mitmachen?

Deutschland beteiligt sich weder an Spekulationen noch an Vorbereitungen für irgendwelche Interventionen in Syrien.

Ist das Ihr letztes Wort?

Nochmals: Ich spekuliere nicht. Dazu besteht auch kein Anlass.

Auch der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ist ungelöst. Einer ihrer Amtsvorgänger, Joschka Fischer, meinte kürzlich, das Friedensmodell einer Zwei-Staaten-Lösung stehe vor dem Aus. Stimmt das?

Diese These mag in akademischen Kreisen Aufmerksamkeit erregen. Aber es wäre falsch, die Zwei-Staaten-Lösung aufzugeben. Die deutsche Außenpolitik wirkt in Übereinstimmung mit den internationalen Partnern und der EU darauf hin, dass die Zwei-Staaten-Lösung als Ergebnis direkter Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern vereinbart wird. 2013 muss es einen neuen Anlauf für direkte Gespräche zwischen beiden Seiten geben.

Wenn Israel den Siedlungsbau im Westjordanland wie angekündigt weiterführt, werden die territorialen Voraussetzungen für einen Palästinenserstaat möglicherweise zerstört. Das kann doch nicht angehen?

Wir müssen schon deswegen an der Zwei-Staaten-Lösung festhalten, um keinen der Beteiligten aus seiner Verantwortung zu entlassen. Die Siedlungspolitik Israels wird von uns auch kritisiert. Vor allem aber kritisieren wir mit großer Empörung die Hassreden von Hamas-Vertretern, in denen sie das Existenzrecht Israels bestreiten.

Fürchten Sie, dass es im Atomstreit mit dem Iran zu militärischen Auseinandersetzungen kommt?

Wir teilen die Auffassung von Präsident Obama, dass eine politische und diplomatische Lösung erarbeitet werden muss. Die Sanktionen wirken. Dies zeigt, dass die Chance auf eine Verhandlungslösung besteht. Eine nukleare Bewaffnung Irans wäre nicht nur eine Gefahr für Israel, sondern auch für die gesamte Region und würde die globale Sicherheitsarchitektur erschüttern.

Europa ist keine Insel der Seligen. EU-Sozialkommissar László Andor warnte vor einer wachsenden Kluft zwischen Nord und Süd. Was lässt sich dagegen unternehmen?

Die Schuldenkrise ist nicht zu lösen, indem man das Schuldenmachen, etwa durch Eurobonds, leichter macht. Ich warne davor, die notwendigen Reform- und Konsolidierungsprozesse abzubrechen. Wir helfen Griechenland und Spanien, damit sie nicht dauerhaft von der Arbeitslosigkeit betroffen sind. Das deutsche Volk zeigt vorbildliche Solidarität, indem es Garantien in Höhe eines kompletten Bundeshaushalts übernommen hat.

Wie lange kann Europa noch zusehen, wenn in Griechenland und Spanien jeder zweite Jugendliche arbeitslos ist?

Man darf überhaupt nicht zusehen. Aber neue Arbeitsplätze kann man nicht durch neue Schulden kaufen. Notwendig sind Reformen in den Bereichen Bildung, Infrastruktur und Energie. Das deutsche Modell der dualen Berufsausbildung ist ein Exportschlager auf der ganzen Welt.

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Interview: Winfried Züfle. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Augsburger Allgemeinen.

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