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Worauf wir gemeinsam bauen: Europa und der nächste US-Präsident

03.11.2012 - Interview

Außenminister Westerwelle zu den Aufgaben, die Europa gemeinsam mit den USA nach den US-Präsidentschaftswahlen angehen muss.

Außenminister Guido Westerwelle zu den bevorstehenden US-Wahlen. Erschienen in der Frankfurter Rundschau vom 03.11.2012.

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Kommenden Dienstag wählt das amerikanische Volk einen neuen Präsidenten. Viele Menschen in Deutschland, in Europa und weltweit verfolgen diese Wahl mit großer Spannung. Mir geht es nicht anders.

Die Richtungsentscheidung der amerikanischen Wähler wird Folgen für uns alle haben: Wie wir den Wandel zu einer multipolaren Welt friedlich und produktiv gestalten können. Wie wir den Aufstieg neuer Mächte bewältigen und mit unserer wachsenden gegenseitigen Abhängigkeit umgehen. Aber wie in Europa geht es auch in den USAzunächst darum, das Fundament außenpolitischer Handlungsfähigkeit wieder zu festigen. Die Konsolidierung der Haushalte, die Umstellung auf eine nachhaltige Fiskal- und Wirtschaftspolitik und die Festigung des gesellschaftlichen Zusammenhalts stehen ganz oben auf unserer europäischen und auch der Tagesordnung des nächsten US-Präsidenten.

Ich habe die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den USA und vor allem mit Hillary Clinton in den vergangenen Jahren sehr geschätzt. Gemeinsam haben wir ein neues Strategisches Konzept der NATO entwickelt, mit dem sich das Bündnis auf eine veränderte Sicherheitslage einstellt. Wir haben unsere Allianz wieder für Abrüstungsfragen geöffnet und Elemente kooperativer Sicherheit in die Bündnisstrategie integriert. Wir sind uns einig über das langfristige Ziel einer Welt ohne Atomwaffen. Die NATO bleibt unsere „Lebensversicherung“ über den Atlantik hinweg.

Europa ist nicht länger ein Problem für die USA. Europa ist Teil der Lösung. Wir arbeiten eng und vertrauensvoll mit den USA. Bei der Stabilisierung Afghanistans auch nach 2014, beim Ringen um eine politische Lösung für das iranische Nuklearprogramm und auch für ein möglichst rasches Ende des unsäglichen Blutvergießens in Syrien.

In Asien sind unsere Unternehmen oft Konkurrenten. Aber wir teilen ein überragendes Interesse am Aufbau einer friedlichen, kooperativen Ordnung, an Rechtsstaatlichkeit, Stabilität, Wohlstand und der Achtung der Menschenrechte auch in Asien.

Darüber hinaus sind mir vier Aufgaben wichtig, die wir gemeinsam mit den USA angehen sollten:

Erstens sollten wir die demokratischen Umbrüche in Nordafrika und im Nahen Osten trotz Rückschlägen und Umwegen entschieden und mit langem Atem unterstützen. Dringlich ist auch, einen neuen Anlauf für eine dauerhafte Lösung des Nahostkonflikts auf der Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung zu nehmen. Wirklich voran kommen wir hier nur durch den entschlossenen Einsatz auch der USA.

Ich setze zweitens auf die Weiterführung der ehrgeizigen gemeinsamen Agenda für Nichtverbreitung und nukleare Abrüstung. Fortschritte brauchen insbesondere einen konstruktiven Ausgleich mit einem nicht einfachen Partner Russland, auch in der Frage der Raketenabwehr.

Drittens brauchen wir eine Wiederbelebung der US-Anstrengungen für eine weltweit bindende Übereinkunft zur Bekämpfung des Klimawandels.

Viertens ist mir sehr wichtig, dass wir unser gemeinsames Interessenfundament stärken und ausbauen. Dafür sollten wir unseren dichten Wirtschaftsbeziehungen einen neuen Impuls geben. Wenn wir in der Doha-Runde weiter nicht vorankommen, sollten sich Amerikaner und Europäer bald auf konkrete Verhandlungen über eine Transatlantische Freihandelszone einigen. Europa und Amerika müssen beide in einem härter werdenden globalen Wettbewerb bestehen. Eine Freihandelszone zwischen den beiden weltgrößten Wirtschaftsräumen schafft Wachstum, neue Arbeitsplätze und festigt das dichte Netz täglicher Kontakte über den Atlantik. Wir sollten den ersten Besuch des neuen amerikanischen Präsidenten in Europa nach der Wahl nutzen, um das Projekt einer solchen Transatlantischen Freihandelszone aufs Gleis zu setzen.

Natürlich haben auch die USA Erwartungen an Europa und an Deutschland. Sie erwarten eine dauerhafte Lösung der Schuldenkrise als Beitrag zu Wachstum und wirtschaftlicher Stabilität weltweit. Das ist angesichts unserer hohen wirtschaftlichen Verflechtung nur zu verständlich. Mit unserer Strategie aus Solidität, Solidarität und Wachstum haben wir die Weichen dafür richtig gestellt.

Uns sollte auch nicht überraschen, dass die USA angesichts knapper eigener Ressourcen von Europa die Übernahme von mehr Verantwortung in unserer südlichen und östlichen Nachbarschaft erwarten. Die Stärkung der gemeinsamen europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik komplementär zur NATO wird eine Hauptaufgabe Europas in den kommenden Jahren.

In einer immer enger vernetzten Welt ist das engste, dichteste Netz über den Atlantik gespannt. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Entscheidend für eine gute Zukunft unserer Völker bleibt die feste Entschlossenheit, gemeinsam einzutreten für die unteilbare Sicherheit, für eine freiheitliche Weltwirtschaftsordnung, für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte, für die Würde des Einzelnen als Maßstab aller staatlichen Politik. Darauf gründet unsere Allianz, darauf wollen wir auch in Zukunft bauen.

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