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„Von diesem Land kann man ein Leben lang lernen“

18.10.2012 - Interview

Ein Gespräch mit Harald Leibrecht, dem Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit. Erschienen in der Braunschweiger Zeitung vom 18.10.2012.

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Ein leicht schwäbischer Einschlag bei der Zitierung amerikanischer Institutionen und Politiker hat bei Harald Leibrecht genau jenen Charme, den auch der gebürtige Fürther und frühere US-Außenminister Henry Kissinger versprüht, wenn er komplizierte weltpolitische Zusammenhänge auf Deutsch erläutert.

Dabei hatte Harald Leibrecht einen enormen Vorteil, sprachlich gesehen: Er ist – auch – Amerikaner. Leibrecht wurde 1961 in Evanston, Chicago geboren; sein Vater lehrte als Professor für Theologie und Philosophie in den USA. Später kehrte die Familie nach Baden-Württemberg zurück – und Leibrechts Amerikanisch wurde „regionalisiert“.

Der vierfache Vater ist FDP-Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie Koordinator im Auswärtigen Amt für die deutsch-amerikanischen Beziehungen – und ein begeisterter Transatlantiker, zumal zwei seiner Brüder in den USA leben.

„Von diesem riesigen Land kann man ein Leben lang lernen“, sagt Leibrecht gegenüber unserer Zeitung. Am Dienstagabend nahm er auf Einladung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung an einer Podiumsdiskussion in der IHK Braunschweig teil. Thema: „Zweiter Reagan oder zweite Chance?“

„Das Rennen ist noch offen“, sagt Leibrecht, der weiß, wie Amerikaner ticken. Er weiß natürlich auch, dass viele Europäer sich einen Sieg Barack Obamas wünschen. „Das liegt auch daran, dass Präsident Obama beispielsweise mit dem Thema Gesundheitsreform gewissermaßen in europäischer Tradition agiert und insofern leichter zu verstehen ist.“ Dennoch werde in den USA auch weiterhin eine tiefe Skepsis, ja Ablehnung gegenüber staatlichen Regelungen wie vor allem bei Renten oder eben der Gesundheit fortgelten. „Was geht das die Regierung an?“ Hinter dieser Frage steckt laut Leibrecht die amerikanische Lebensart, die zwar auf äußere Sicherheit großen Wert legt, aber ansonsten „von Washington“ möglichst unbehelligt bleibe wolle. „Das müssen wir wissen, das müssen wir lernen – so wie die Amerikaner lernen müssen, dass die EU nicht nach dem Muster der Vereinigten Staaten funktionieren kann, weil sie aus sehr unterschiedlichen Mitgliedern besteht.“

Was die Erneuerungskraft der USA angeht, ist Leibrecht optimistisch. „Die Amerikaner sind innovativ und erfindungsreich, sie werden sich wieder aufrappeln..“ Von raschen Abgesängen auf die Supermacht hält er nichts. „Natürlich gewinnt China international an Bedeutung, aber Amerika wird sich den Gegebenheiten im asiatisch-pazifischen Raum mit Erfolg stellen – übrigens, ohne Europa zu vernachlässigen.“ Insbesondere die deutsch-amerikanischen Beziehungen seien erstklassig und auch vom Respekt Washingtons für das Bemühen der Bundeskanzlerin geprägt, die Euro-Zone zusammenzuhalten. „Politische Führungskraft wird anerkannt.“

Von Reinhard Brennecke. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Braunschweiger Zeitung

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