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Staatsminister Link: Grußwort bei der Jahrestagung der Deutsch-Finnischen Handelskammer, Helsinki, 14. Mai 2012

14.05.2012 - Rede

Am 14. Mai 2012 hielt der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Georg Link, folgendes Grußwort bei der Jahrestagung der Deutsch-Finnischen Handelskammer in Helsinki.


-- Es gilt das gesprochene Wort --

Ich freue mich sehr, meine Antrittsreise nach Finnland als Staatsminister im Auswärtigen Amt mit der Eröffnung der Jahrestagung der Deutsch-Finnischen Außenhandelskammer verbinden zu können. Die guten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Finnland und Deutschland sind ein bedeutender Strang unserer engen und freundschaftlichen bilateralen Verbindungen.

Den Mitarbeitern der Deutsch-Finnischen Handelskammer danke ich, dass sie ihr Expertenwissen deutschen und finnischen Unternehmen tagtäglich engagiert zur Verfügung stellen und damit dazu beitragen diesen Strang kräftiger werden zu lassen. Das Netzwerk, das Sie hier in der Handelskammer zur Verfügung stellen, umfasst die beachtliche Zahl von rund 750 finnischen und deutschen Unternehmen – das ist ein großes Lob wert.

Deutschland und Finnland sind durch bereits viele Jahrzehnte währende exzellente wirtschaftliche Beziehungen eng miteinander verbunden.
Auch 2011 war Deutschland mit einem Anteil von über 11 Prozent am finnischen Außenhandel einer der wichtigsten Handelspartner Finnlands. Sowohl die Exporte aus Deutschland als auch die Importe nach Deutschland sind trotz Krise im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gewachsen. In Finnland sind ca. 300 deutsche Unternehmen aktiv – wir halten hier den dritten Platz nach Schweden und den USA – , darunter so traditionsreiche Unternehmen wie zum Beispiel Siemens und Bosch, die bereits über 100 Jahre hier tätig sind, und so bekannte wie Bayer, BASF, Würth, Bauhaus, Lidl, Schenker und viele mehr, die ich hier alle gar nicht nennen kann.

Ich möchte den Bogen über Finnland und Deutschland hinaus spannen und den regionalen Wirtschaftsraum der Ostsee hervorheben, der neun weitere Mitgliedsländer unter einem Dach vereinigt. Die Mitgliedsländer mit Zugang zur Ostsee gehören mit Ausnahme Russlands der EU an und umfassen 29 Prozent der EU-Bevölkerung. Sie erwirtschaften knapp 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukt aller EU-Staaten. Damit ist diese Region ein bedeutsamer Wirtschaftsraum in Europa.

Dieses Jahr feiern wir das 20-jährige Jubiläum des Ostseerates. Der Ostseerat hat sich zum Ziel gesetzt, das Potential der gesamten Region durch wirtschaftliche und politische Kooperation zu fördern und damit gleichzeitig eine Brücke zwischen West und Ost zu schlagen. Im Laufe seines Bestehens hat der Ostseerat einen wichtigen Beitrag auf dem Weg der östlichen Anrainerstaaten hin zur Demokratie und Marktwirtschaft geleistet. Nach der Erweiterung der Europäischen Union im Jahr 2004 ist er ein unverzichtbares Bindeglied zwischen EU und den Nicht-EU-Mitgliedsstaaten Russland, Norwegen und Island geblieben.

Deutschland hat bis Juni dieses Jahres die Ostseeratspräsidentschaft inne. Es war und ist uns als Präsidentschaft ein Anliegen, gemeinsam mit den anderen Mitgliedsstaaten, Initativen zur Wirtschaftsförderung und verstärkter Wettbewerbsfähigkeit des Ostseeraumes nicht nur anzustoßen, sondern nachhaltig zu gestalten und fortzuentwickeln. Als ein Beispiel möchte ich das von Außenminister Westerwelle eröffnete Business Forum on the Baltic Sea Region am 24. April nennen. Mit dieser Konferenz haben wir vor allem Unternehmen und Institutionen der Wirtschaft aus allen Mitgliedsländern des Ostseerates ermutigt, das Potential im Ostseeraum noch besser zu erschließen. Im Mittelpunkt standen unter anderem der Bau der festen Fehmarnbeltquerung als eines der größten europäischen Verkehrsprojekte, der Ausbau der Energienetze sowie die Fachkräftesicherung im Ostseeraum angesichts des demographischen Wandels. Es gibt noch viele Bereiche, in denen wir gemeinsam viel erreichen können: Informations- und Kommunikationstechnologie, Verkehrsinfrastruktur und Logistik, nicht zuletzt Forschung und Entwicklung können in Zukunft noch stärker von der Ostseekooperation und deren Synergieeffekten profitieren.

Insbesondere Finnland sehen wir als wichtigen Partner und Impulsgeber im Ostseerat. Um die 50 Prozent des finnischen Außenhandels werden im Ostseeraum abgewickelt. Drei der großen Außenhandelspartner Finnlands sind Ostseeanrainer: Deutschland, Russland und Schweden. Dies dokumentiert eindrucksvoll die Bedeutung Finnlands für den Ostseeraum und vice versa des Ostseeraums für Finnland.

Der Ostseeraum war und ist eine Region mit Innovationscharakter. Über 100 Universitäten und Forschungsinstitute liegen im Einzugsbereich der Ostsee, und das nicht erst seit unserer Zeit. Finnland nimmt eine herausragende Position in der Bildungs- und Wissensregion Ostseeraum ein: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung zählen gemessen am BIP weltweit zu den höchsten.

Wir sind zuversichtlich, dass die sich positiv abzeichnenden Wachstumsaussichten des Ostseeraumes unter anstehender russischer und anschließender finnischer Präsidentschaft prosperieren werden. Hervorheben möchte ich ausdrücklich, dass von vier EU-Mitgliedern, welche 2011 die Stabilitätskriterien der Währungsunion erfüllt haben, drei auch Ostseeratsmitglieder sind: Estland, Finnland und Schweden. Das hat nicht nur per se Vorbildcharakter, sondern wirkt sich positiv auf die Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Wirtschaftsregion Ostsee aus.

Die regionale Ostsee-Kooperation ist eingebettet in den größeren Kontext der EU Wirtschafts- und Währungsunion. Die Herausforderungen der europäischen Finanz- und Schuldenkrise und eine sich wandelnde Weltwirtschaft machen „Brandmauern“ zur Eurostabilisierung notwendig. Darüber hinaus erfordern sie aber auch eine Neubesinnung auf künftige Zielsetzungen der EU-Politik.

Der Kurs zur Konsolidierung und Stabilisierung ist für die EU-Wirtschafts- und Währungsunion von essentieller Bedeutung und muss konsequent fortgesetzt werden. Gemeinsam mit Finnland und anderen arbeitet Deutschland daran, die akute Staatsschuldenkrise im Euroraum mittels einer neuen Stabilitätskultur zu überwinden. Von diesem Weg dürfen wir uns nicht abbringen lassen – auch nicht, wenn dieser Weg steiniger wird durch die Veränderung politischer Verhältnisse in Europa – etwa in Frankreich, wo mit François Hollande ein neuer französischer Präsident gewählt wurde. Die Bundesregierung ist sehr zuversichtlich, dass Deutschland und Frankreich weiterhin vertrauensoll und einvernehmlich an der Überwindung der europäischen Staatsschuldenkrise zusammenarbeiten werden. Mehr Sorgen bereiten die möglicherweise instabilen Regierungsverhältnissen in Griechenland, die nach dem schwierigen Ergebnis der Parlamentswahlen zu erwarten sind. Der Grundsatz „Solidarität für Solidität“ wird aus der Sicht der EU auch für eine neue griechische Regierung nach wie vor gelten.

Die Schuldenkrise kann nicht bekämpft werden, indem neue Schulden erleichtert und hohe Schuldenstände toleriert werden. Schuldenabbau und Haushaltskonsolidierung sind entscheidende Zielsetzungen des von 25 EU-Mitgliedsstaaten vereinbarten Fiskalpaktes. Dieser ist nach unserer festen Überzeugung Ausdruck gemeinsamer wirtschaftlicher Vernunft und nicht – wie hin und wieder zu hören ist – einer von Deutschland einseitig durchgesetzten Austeritätspolitik. Wir sind froh, in dieser Frage die von Ministerpräsident Katainen geführte finnische Regierung und Minister Stubb fest an unserer Seite zu wissen.

Neben der Haushaltskonsolidierung in den EU-Mitgliedstaaten ist es ebenso wichtig, Wachstumsimpulse in der EU zu setzen. Wachstum kann nur durch bessere Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden. Mehr Wettbewerbsfähigkeit ist die Voraussetzung dafür, dass wir auf den globalen Märkten bestehen können, die schon heute 90 Prozent des Wachstums weltweit erzeugen. Von diesem Wachstum können wir Europäer profitieren, wenn wir den Freihandel vor allem mit den neuen Gestaltungsmächten der sogenannten BRICS-Länder – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – entschlossen weiterentwickeln.

Für mehr Wettbewerbsfähigkeit der EU sind in erster Linie Anstrengungen zu Strukturreformen in den EU-Mitgliedsstaaten notwendig – abzulehnen sind hingegen schuldenfinanzierte Wachstumsspritzen, die schnell verpuffen und somit lediglich Steuergelder verschwenden. Die Reform von Arbeitsmärkten und Sozialsystemen ist nicht nur Voraussetzung, um private Investitionen zu mobilisieren, sondern auch, um unsere Gesellschaften nachhaltig fit zu machen für die wirtschaftlichen Herausforderungen der demographischen Entwicklung in Europa.

Für mehr Wettbewerbsfähigkeit brauchen wir auch die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes. Gerade Finnland macht sich gemeinsam mit uns stark, durch die Entwicklung des digitalen Binnenmarktes die Mobilisierung der großen Potentiale der digitalen Wirtschaft freizusetzen. Diese werden durch nationale Begrenzungen der Märkte und fehlende rechtliche Regelungen im Binnenmarkt nach wie vor behindert. Hier und in einer Vielzahl von anderen aktuellen Vorhaben muss der gemeinsame Nenner sein: Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen, mehr Flexibilität, weniger Bürokratie.

Über nationale Anstrengungen hinaus können wir auch auf europäischer Ebene etwas tun. Ein Beispiel: Zur Verfügung stehende EU-Mittel zur Regional- und Strukturförderung müssen gezielter für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum eingesetzt werden. Zu oft sind die für diese Förderung zur Verfügung stehenden Mittel von knapp 50 Milliarden Euro in der Vergangenheit nicht dort angekommen, wo sie dringend und zielführend hätten eingesetzt werden sollen. Für eine verbesserte Allokation dieser Fördermittel durch angepasste Kriterien setzt sich Deutschland bei den derzeit laufenden Verhandlungen zur neuen Finanzperiode der EU 2014 bis 2020 ein.

Auf dem nächsten Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs noch vor der Sommerpause werden gemeinsame wachstumsfördernde Maßnahmen in Europa im Mittelpunkt stehen.

Deutschland und Finnland haben, wie viele Staaten in der EU, bereits anspruchsvolle Strukturreformen bewältigt und diesbezüglich schwierige Entscheidungen getroffen. Wir sind uns mit unseren Partnern einig, gemeinsam den Konsolidierungs- und Reformkurs fortzusetzen, auch um langfristig und nachhaltig Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum sicher zu stellen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen eine interessante Jahrestagung mit wertvollen Anregungen und Gesprächen.


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