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Wirtschaftsförderung 'Kernanliegen der deutschen Außenpolitik'
Außenminister Guido Westerwelle im Interview zu den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm, den Waffenstillstand in Syrien, den Schutz geistigen Eigentums, das Engagement der deutschen Außenpolitik für die Wirtschaftsförderung und über Deutschlands Rolle im Nahen und Mittleren Osten. Erschienen im Handelsblatt vom 16.04.2012.
Außenminister Guido Westerwelle im Interview zu den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm, den Waffenstillstand in Syrien, den Schutz geistigen Eigentums, das Engagement der deutschen Außenpolitik für die Wirtschaftsförderung und über Deutschlands Rolle im Nahen und Mittleren Osten. Erschienen im Handelsblatt vom 16.04.2012.
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Am Wochenende haben erstmals seit dem Abbruch der Gespräche über Irans umstrittenes Atomprogramm wieder Verhandlungen mit Teheran stattgefunden. Wie bewerten Sie diese, kann ein Militärschlag gegen Iran noch verhindert werden?
In Istanbul hat sich gezeigt, dass der Verhandlungsweg schwierig, aber möglich ist. Die Verhandlungen haben in einer konstruktiven Atmosphäre stattgefunden. Das ist positiv, denn wir wollen eine politische Lösung im Streit um das iranische Atomprogramm. Nun ist entscheidend, dass bei dem vereinbarten Folgetreffen tatsächlich Fortschritte in den Substanzfragen erreicht werden können. Jedem muss bewusst sein: Die Lage ist ernst, und nur mit ernsthaften politischen Bemühungen ohne taktisches Geplänkel kann sie entschärft werden.
Welches Entgegenkommen kann es denn von westlicher Seite geben, etwa das Recht auf eine schwache Uran-Anreicherung?
Es ist nie bestritten worden, dass Iran das Recht auf die zivile Nutzung der Kernenergie hat. Im Gegenteil: Wir Deutschen haben mehrfach angeboten, bei der zivilen Nutzung der Atomkraft auch Unterstützung zu leisten. Was wir nicht akzeptieren können, ist eine nukleare Bewaffnung Irans. Da geht es um mehr als nur um die Sicherheit Israels. Es geht um die Stabilität der gesamten Region und um den Erhalt der Sicherheitsarchitektur der Welt. Denn eine atomare Bewaffnung Irans würde unmittelbar ein regionales Wettrüsten in Gang setzen, das wir verhindern müssen.
In Syrien hat das Assad-Regime endlich einem Waffenstillstand zugestimmt. Hält sie oder kommt es doch noch zum Krieg?
Die Lage ist sehr fragil und immer wieder kommt es zu Verletzungen der Waffenruhe. Wir können leider nicht sicher sein, ob der Waffenstillstand dauerhaft hält. Das Regime in Damaskus steht in der Verantwortung, die Gewalt vollständig und überall einzustellen. Wir müssen weiter Druck und Tempo machen, damit der 6-Punkte-Plan von Kofi Annan umgesetzt wird und die Lage sich stabilisiert. Der Beschluss des Uno-Sicherheitsrats zur Entsendung einer Beobachtermission war ein wichtiger Schritt. Die Risiken bleiben hoch, aber wir müssen alles dafür tun, dass der Einstieg in einen politischen Prozess gelingt.
Ein militärisches Eingreifen wie in Libyen lehnen Sie aber ab?
Es wäre fahrlässig, die Länder der arabischen Welt gleichzusetzen. Die Lage in ihnen ist höchst unterschiedlich. In Syrien geht es neben einem Ende der Gewalt und einem politischen Wandel auch darum, einen Krieg zu verhindern, der als Stellvertreterkrieg die ganze Region in Brand setzen könnte.
In Deutschland wird durch die Piraten-Partei das Urheberrecht in Frage gestellt. Wie stehen Sie dazu?
Ich bin in der Welt viel unterwegs, auch um den Schutz des geistigen Eigentums einzufordern. Es geht darum, die milliardenschweren Schäden für die deutsche Wirtschaft durch Produktpiraterie Schritt für Schritt zu verringern. Wenn Deutschland in der Welt den Schutz des geistigen Eigentums zu Recht verlangt und gegen Produktpiraterie antritt, ist es kaum nachvollziehbar, wenn im eigenen Land die Forderung nach Aufgabe des geistigen Eigentums neumodischen Zulauf bekommt.
Die Piraten-Forderungen sind also negativ für eine deutsche Außenpolitik?
Ich glaube, dass der Schutz des geistigen Eigentums im In- und im Ausland ein Kernanliegen der Exportnation Deutschland sein muss. Das ist sowohl eine Frage des Erhalts unseres Wohlstandes wie auch eine Frage der kulturellen Vielfalt. Wenn im Internet der Schutz des geistigen Eigentums ausgehöhlt wird, verlieren viele Autoren, Künstler, Kulturschaffende und Erfinder ihre Lebensgrundlage.
Wie erklären Sie sich dann aber den Zulauf zu den Piraten?
Ich rufe Wirtschaft, Kultur und Intellektuelle dazu auf, sich dem Zeitgeist der Infragestellung des geistigen Eigentums entgegenzustellen. Deutschland hat keine Rohstoffe. Wir leben vom Vermarkten unserer Erfindungen und davon, dass wir geistiges Eigentum weltweit verkaufen. Wenn wir den Schutz des geistigen Eigentums in unserem eigenen Land in Frage stellen, können wir anderswo auf der Welt kaum glaubwürdig für die Einhaltung des Urheberrechts kämpfen.
Wirtschaftsverbände haben sich im Handelsblatt in letzter Zeit immer öfter über eine mangelnde Unterstützung der Bundesregierung für deutsche Firmen in sensiblen Regionen wie der arabischen Welt beklagt. Warum tun Sie dort nicht mehr?
Im Auswärtigen Amt erhalten wir viel Zuspruch dafür, dass wir die Wirtschaftsförderung zu einem Kernanliegen der deutschen Außenpolitik gemacht haben. Die mehr als 200 deutschen Auslandvertretungen haben den klaren Auftrag, die berechtigten wirtschaftlichen Interessen unseres Landes zu vertreten und ausdrücklich auch Türen zu öffnen. Das ist zu Beginn meiner Amtszeit noch kritisiert worden, als würden wir die hehre Diplomatie in den Dienst des schnöden Mammons stellen. Aber inzwischen ist begriffen worden, dass Deutschlands Einfluss in der Welt auch wesentlich von seiner wirtschaftlichen Stärke abhängt.
Dennoch gibt es wachsende Kritik, dass Sie und die Kanzlerin zu wenig in der Region präsent sind.
Ich kann das für die Kanzlerin nicht stehen lassen und für mich auch nicht. Ich bin bereits 18 Mal im Nahen und Mittleren Osten gewesen. Das dürfte Rekord sein.
Aber viele deutsche Firmenvertreter erinnern sich an die Zeit, in der Kanzler Schröder viel aktiver in der Region war.
... vielleicht mit mehr Tam-tam. Nein, das sehe ich nicht so. Wenn ich allein an die praktischen Fortschritte in der Visapolitik denke, die ich im Auswärtigen Amt veranlasst habe.
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Fragen: Mathias Brüggmann. Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Handelsblatts.