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Myanmar: „Deutliche Fortschritte bei Demokratisierung“ (Interview mit Markus Löning)

30.03.2012 - Interview

„Die Atmosphäre der Angst ist nicht mehr da“, so der Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning bei seiner Reise nach Myanmar. In dem südostasiatischen Land findet am 1. April eine Parlamentsnachwahl statt, bei der auch die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi als Kandidatin antritt. Lesen Sie hier das Interview mit Markus Löning in Deutschlandradio Kultur.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, sieht Myanmar auf einem guten Weg. Als Beobachter des dortigen Wahlkampfes sagte Löning, die Situation habe sich seit den letzten Wahlen im November 2010 deutlich verbessert. Gesendet in Deutschlandradio Kultur am 30.03.2012.

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Es geht um gerade einmal zehn Prozent der Sitze, die müssen neu besetzt werden. Aber für die Menschen in Birma, auch bekannt als Myanmar, geht es bei diesen Parlamentsnachwahlen um viel mehr. Die jahrelang eingesperrte Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi tritt bei dieser Abstimmung am Sonntag als Kandidatin an, erstmals seit der Auflösung der Militärdiktatur. Der Friedensnobelpreisträgerin werden gute Chancen eingeräumt, in das Parlament zu kommen - und es ist ein wichtiger Test für den Reformwillen der Regierung von Ex-General Thein Sein, seit einem Jahr Präsident von Birma. Auch der Westen beobachtet aufmerksam diese Wahl.

Die Bundesregierung ist in Person ihres Beauftragten für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe vor Ort. Das ist Markus Löning von der FDP, und den begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Löning!

Guten Morgen!

Was ist Ihr Eindruck, verläuft dieser Wahlkampf fair?

Also, man muss, glaube ich, den Maßstab anlegen des Wahlkampfes vom November 2010. Damals durften die Oppositionsparteien im Grunde genommen keine Werbung machen, sie durften im Grunde genommen die Wähler nicht richtig ansprechen, es war fast alles verboten, was man in einem normalen Wahlkampf kennt, und was ich jetzt sehen kann: Auf der Straße hängen Plakate von Aung San Suu Kyi, ich habe gestern eine Wahlkampfversammlung gesehen in Rangun, da waren lange Autokorsos, zehn, zwölf Autos mit roten Fahnen dran mit dem Logo der NLD, mit dem Logo ihrer Partei, da war eine große Menschenmenge, 200, 300 Leute, da war ein Mann, der über einen Lautsprecher eine Rede gehalten hat - also ein Riesenauftrieb, das ist schon mal ein ganz großer Unterschied, dass an der Stelle sichtbar Wahlkampf geführt werden kann. Und die Lady, wie sie hier genannt wird, zieht durchs Land, zieht die Menschen in großen, großen Massen an, kann auftreten - es gab an einer Stelle eine Schwierigkeit, die ist dann aber auch wohl aufgelöst worden. Also es ist eine ganz andere Atmosphäre, als das bei den Wahlen im November 2010 gewesen ist, und ich glaube, ob das am Ende wirklich frei und fair gewesen ist, das muss man am Ende der Wahl bewerten, aber die Indikatoren sehen ziemlich gut aus.

Andererseits beschwert sich ja Suu Kyi, dass zum Beispiel Plakate ihrer Partei beschädigt werden, ihre Rede, die im Staatsfernsehen - eine Wahlkampfrede - ausgestrahlt worden ist, die ist zensiert worden. Bekommen Sie davon was mit?

Ich habe das gelesen auch mit der Rede, es gibt auch Beschwerden darüber, dass die Wählerregister nicht richtig geführt werden, dass dort Menschen drin sind, die eigentlich schon lange tot sind und Ähnliches mehr. Also das mit den Plakaten, muss ich sagen, das passiert auch im deutschen Wahlkampf, da kommt es immer auf die Frage an, wie viel ist das, ist das organisiert oder ist das eben hier und da einmal ein Plakat. Aus meiner Sicht kann ich sagen, das ist sicher nicht perfekt, was hier passiert, das ist nun auch ein Entwicklungsland, das noch eine Menge Entwicklung vor sich hat, auch was Staatliche Strukturen angeht, aber es ist sicher deutlich besser, als es gewesen ist vor anderthalb Jahren, und vor allem, man spürt, wenn man mit den Leuten redet, dass diese Atmosphäre der Angst nicht mehr da ist. Man kann auf der Straße T-Shirts kaufen mit dem Konterfei von Aung San Suu Kyi, das ist etwas, das ist noch letztes Jahr unvorstellbar gewesen, die Leute wären verhaftet worden, wenn sie versucht hätten, solche T-Shirts zu verkaufen.

Haben Sie persönlich irgendwelche Auflagen oder können Sie sich tatsächlich auch ganz frei bewegen und mit jedem sprechen, mit dem Sie sprechen möchten?

Ich kann mich frei bewegen, und ich muss sagen, es ist im Vergleich zu meinem letzten Besuch im letzten Sommer - ich bin im letzten Juni hier gewesen -, damals habe ich versucht, einen der politischen Gefangenen, nämlich den Komiker Zarganar, im Gefängnis zu besuchen. Ich habe ihn vorgestern getroffen, er ist seit ein paar Wochen wieder draußen. Ich konnte mich mit einem der Führer der 88er-Studenten treffen, ich habe mich mit einem der Shan-Führer, also einem Führer der Minderheiten getroffen. Alle das sind politische Gefangene gewesen. Wir haben gestern Abend zusammengesessen mit einer großen Gruppe von Bürgerrechtsaktivisten, von Umweltaktivisten, von Leuten, die sich im Bereich Erziehung einsetzen. Viele von denen haben im Gefängnis gesessen, wir haben rund um den Tisch gesessen und eifrig diskutiert über die Zukunft dieses Landes, also ich kann inzwischen wirklich sehr viele Leute treffen. Es gibt immer noch eine Handvoll politischer Gefangener, die müssen auch noch rauskommen, aber es ist ein deutlicher Fortschritt zu spüren, und alle sprechen wirklich frei über die Zukunft ihres Landes, das ist schon ein ganz, wirklich ein bewegendes Gefühl, das zu erleben.

Haben Sie auch Gelegenheit, mit Aung San Suu Kyi persönlich zu sprechen, der großen Heldin der Demokratiebewegung?

Ich hatte ja bei meinem letzten Besuch im Juni ein sehr ausführliches Gespräch mit ihr gehabt, und im Moment bin ich in der Shan-Region, in einem der Minderheiten-Gebieten in den Bergen hier, deswegen ist auch unsere Telefonverbindung so schwierig. Ich hoffe, wenn ich übermorgen nach Rangun zurückkehre, dass wir uns dann treffen können. Ich hoffe, dass wir am Wahlabend die Gelegenheit haben, da auch ein paar Worte miteinander zu reden, aber da schaut natürlich die ganze Welt auf sie. Ich hoffe, dass ich ihr dann Glückwünsche für eine hoffentlich gelungene Wahl überbringen kann.

Herr Löning, Sie haben jetzt viel über Ihre Gespräche in dem Land gesprochen. Sie haben gesagt, da herrscht mittlerweile ein ganz anderes Klima als früher, die Menschen würden frei und offen sprechen. Wenn man sich aber jetzt die Opposition anhört, wenn man sich auch anguckt, was Dissidenten fordern, dann ist das ein wenig anders, das Bild. Die Exilopposition fordert zum Beispiel, den Druck auf das Regime von Thein Sein so lange aufrecht zu erhalten, bis alle politischen Gefangenen wieder aus dem Gefängnis entlassen worden sind. Ist es zu früh, wenn die Europäische Union jetzt schon Lockerungen der Sanktionen in Aussicht stellt nur für den Fall, dass die Wahlen fair verlaufen?

Also die Europäische Union hat ja einen Teil ihrer Sanktionen schon gelockert. Sie hat Einreiseverbote gegen einige Mitglieder der Regierung schon aufgehoben, weil wir gesagt haben, es ist wichtig, mit den Menschen zu reden. Man muss zu den Forderungen der Exilopposition auch wissen, dass die Forderungen der Exilopposition schon immer andere gewesen sind und wesentlich härter und wesentlich schärfer gewesen sind als die der Opposition hier im Land. Alle Menschen, mit denen ich hier im Land gesprochen habe, gerade Leute, die jetzt aus dem Gefängnis kommen, haben gesagt, die Sanktionen, die wir verhängt haben, das war richtig, ein Signal zu setzen, ein klares Signal zu setzen, dass wir das falsch finden, was hier passiert. Aber man muss eben sehen, dass diese Sanktionen auch vielen, vielen normalen Leuten geschadet haben, und alle haben gesagt, haltet den politischen Druck auf das Regime aufrecht, damit die Demokratisierung weitergeht, aber hebt die Sanktionen bitte auf.

Birma vor den Parlamentswahlen, das war Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung. Der FDP-Politiker ist zurzeit in Birma unterwegs. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Löning!

Vielen Dank auch nach Deutschland!

Interview: André Hatting. Übernahme mit freundlicher Genehmigung von Deutschlandradio Kultur.

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