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Rede von Außenminister Guido Westerwelle anlässlich der Vorstellung des Konzepts der Bundesregierung „Globalisierung gestalten – Partnerschaften ausbauen – Verantwortung teilen“ am 08.02.2012 im Weltsaal des Auswärtigen Amts

08.02.2012 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort ! --

Exzellenzen,
sehr geehrte Damen und Herren,

heute haben wir im Bundeskabinett das Konzept „Globalisierung gestalten – Partnerschaften ausbauen – Verantwortung teilen“ verabschiedet. Ich möchte hier auch den Kollegen aus den anderen Bundesressorts danken, die daran mitgewirkt haben.

Unsere Partnerschaften in Europa und über den Atlantik sind das Fundament unserer Außenpolitik. Das war so und es wird so bleiben. Gerade jetzt bei der Bewältigung der Schuldenkrise ist unsere Lösung mehr Europa und nicht weniger.

Aber die Welt befindet sich auch im Wandel: Es entstehen neue Kraftzentren in der Welt, in Asien, in Lateinamerika und anderswo. Der Anteil Europas an der Weltbevölkerung schrumpft. China ist zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt geworden. Brasilien hat Großbritannien überholt. Schwellenländer besitzen mehr Devisenreserven als die Industrieländer und erzeugen im Moment den Großteil des Wirtschaftswachstums.

Was dieser Wandel für die Außenpolitik bedeutet und wie wir mit ihm umgehen wollen, darum geht es in unserem Konzept.

Der wirtschaftliche Aufschwung in immer weiteren Nationen ist für uns die zentrale Veränderung unserer Zeit in der internationalen Politik.

Vor allem ist er ein großartiger Erfolg. Das Recht auf Entwicklung erkennen wir nicht nur an, wir haben es als wichtiger Geber in der Entwicklungs-zusammenarbeit seit langem aktiv befördert. Auch durch die bessere Integration der Schwellenländer in die Weltwirtschaft ist die Zahl der Armen in der Welt alleine bis 2005 um 400 Millionen gesunken – trotz Bevölkerungswachstums. Und der Aufstieg des einen bedeutet gerade nicht den Abstieg eines anderen. Außenpolitik ist kein Nullsummenspiel. Das Wachstum dort bietet uns hier neue Chancen, im Export.

Aber Globalisierung und das Entstehen neuer Schwergewichte bieten auch eine doppelte Herausforderung: Es gilt neue globale Fragen zu lösen, und das im Zusammenspiel mit mehr und neuen Partnern.

Natürlich gibt es zwischen den aufsteigenden Ländern auch große Unterschiede. Und natürlich geht es dabei auch um Werte.

Wir sehen in den wirtschaftlich aufstrebenden Ländern mehr als nur „Schwellenländer“. Für uns sind sie neue Gestaltungsmächte. Viele von ihnen sind längst auch politisch und kulturell zu neuen Kraftzentren geworden. Sie übernehmen Verantwortung und sie erheben zurecht einen stärkeren Gestaltungsanspruch in der internationalen Politik.

Mit ihnen wollen wir neue Partnerschaften eingehen. Denn wer Globalisierung gestalten will, braucht starke Partner.

Unser Konzept verfolgt drei Ziele: Es formuliert und definiert erstens die Ziele der Bundesregierung in der globalen Politik. Es macht zweitens Angebote an die Partner, wie eine vertiefte Zusammenarbeit ausssehen kann. Und es trifft drittens Beschlüsse über die Abstimmungen der Bundesministerien für mehr Kohärenz in unserer auswärtigen Politik.

Deutschland setzt sich ein für eine regelgeleitete Globalisierung. Finanzmarktstabilität ist längst ein globales Thema. Klimaschutz, Nahrungsmittel-preise oder Rohstoffe sind Themen, die in einer Welt mit 7 Milliarden Menschen und der Industrialisierung immer weiterer Staaten immer dringlicher werden. Und in einer Welt gegenseitiger Vernetzung und Abhängigkeit sind etwa Welthandelsregeln eine Frage wirtschaftlicher Effizienz wie auch politischer Stabilität.

Es wird immer schwieriger Themen der Innen- und Außenpolitik voneinander zu trennen. Immer mehr Themen werden international verhandelt. Kooperationen von der Umweltpolitik über Energiefragen bis hin zur Abrüstungspolitik bringen neue Akteure mit sich. Und wir fördern den Austausch in Zivilgesellschaft, Kultur und Wissenschaft.

Das Auswärtige Amt mit seinen Vertretungen weltweit ist Plattform deutscher Außenpolitik, die heute nur noch als ein Netzwerk vieler Akteure erfolgreich sein kann. Mit unserem Konzept wird auch die Vielfalt unserer Kooperationsformate kanalisiert.

Die neuen Kraftzentren haben einen natürlichen Platz in der global governance. Deutschland hat sich schon früh dafür eingesetzt, dass sie in internationalen Foren angemessen vertreten sind, von den G8 über den Sicherheitsrat bis zu IWF und Weltbank. Und wir brauchen sie dort.

Deutschland als Partner hat auch bilateral viel anzubieten. Unsere Unternehmen arbeiten nachhaltig und sind der zweitgrößte Investor weltweit. Und wir bieten Erfahrungen, die in den sich rasant verändernden Gesellschaften dieser Länder gefragt sind: vom Modell der sozialen Marktwirtschaft über umwelt- und energiepolitische Lösungen bis zur viel gefragten dualen Ausbildung.

Deutschland ist zudem ein verlässlicher und engagierter Partner in der Sicherheitspolitik. Ehrlicher Makler wollen wir auch gegenüber den neuen Gestaltungsmächten sein, ob in den Vereinten Nationen oder anderswo.

Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit machen den Kern westlicher Staaten aus. Die universelle Gültigkeit der Menschenrechte steht für uns außer Frage. Wir sprechen von diesen fundamentalen Prinzipien nicht, um anderen unser Lebensmodell aufzudrängen. Das könnten wir auch gar nicht. Wir können aber als gutes Beispiel voran gehen und Unterstützung anbieten. Das tun wir mit Selbstbewusstsein und in dem Bewusstsein der großen Überzeugungskraft die unsere Werte haben.

Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte und Demokratie sind Voraussetzung für Stabilität, wirtschaftliche Entwicklung und Frieden. Das ist nicht politische Theorie, sondern bedeutet aktuell beispielsweise, dass die internationale Gemeinschaft den Menschen in Syrien dringend ein Handeln des VN-Sicherheitsrats schuldet.

Natürlich sind Deutschland und die neuen Gestaltungsmächte schon heute eng miteinander verbunden, nicht nur wirtschaftlich. Manche dieser Beziehungen können auf eine lange Geschichte zurück blicken. Die Partnerschaften möchten wir vertiefen und thematisch ausweiten, zum gegenseitigen Nutzen und in Verantwortung für das Ganze.

Ich meine dabei nicht nur die viel zitierten „BRICS“. Eine Vielzahl anderer Länder hat sich auf den gleichen Weg gemacht, ob Mexiko, Indonesien, Vietnam, Kolumbien oder viele andere mehr. Und natürlich bleibt Deutschland auch darüber hinaus ein offener und engagierter Partner, bilateral, in den Vereinten Nationen, dem Herzstück der Weltinnenpolitik, oder anderswo.

Um in der multipolaren Welt weiter Gehör zu finden, brauchen wir mehr denn je ein starkes und geeintes Europa. Unser Konzept ergänzt europäische Ansätze wie die „strategischen Partnerschaften“, die wir auch in Brüssel voranbringen. Europa ist kein Projekt von gestern. Europa ist unsere Zukunft, weil Europa unsere Antwort auf die Globalisierung ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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