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„Afghanistan will deutsche Investitionen“
Afghanistan müsse ökonomisch auf eigene Füße kommen, fordert Michael Steiner, Beauftragter der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan. Investoren bräuchten eine ausreichende Infrastruktur, Rechts- und Investitionssicherheit sowie eine dauerhaft verbesserte Sicherheitslage. Dann könne die Wirtschaft zur Schaffung einer stabilen Zukunft für das Land beitragen.
Interview mit Michael Steiner, dem Beauftragten der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan. Erschienen in den Stuttgarter Nachrichten vom 22.11.2011
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Herr Steiner, worüber kann angesichts der schwierigen Lage am Hindukusch an nur einem Tag Einigkeit erzielt werden?
Wir bereiten diese Konferenz ja schon seit Monaten intensiv vor und stimmen uns mit der afghanischen Regierung in der Internationalen Kontaktgruppe unter meinem Vorsitz ab. Wir haben wichtige Bausteine für Bonn erarbeitet: Vor wenigen Wochen erörterten wir auf Einladung von Euromines ...
... dem europäischen Bergbauverband ...
... mit Vertretern von rund 50 Unternehmen der Privatwirtschaft, welche Voraussetzungen in Afghanistan erfüllt werden müssen, damit die dortigen Bodenschätze zum Wohle der Afghanen genutzt werden können.
Hierzu will sich die afghanische Regierung in Bonn bekennen. Auf einer Konferenz in Istanbul brachten die Staaten der Region einen Prozess der regionalen Kooperation in Gang: durch die Anerkennung von Prinzipien wie Gewaltverzicht, Nicht-Einmischung in die Angelegenheiten der Nachbarstaaten und vertrauensbildende Maßnahmen.
Auch Außenminister Westerwelle war dort, um Unterstützung für diesen Prozess zu demonstrieren. Kooperation und Vertrauen unter den Nachbarn der Region fördert die innerafghanische Aussöhnung. Afghanistan braucht die Zusammenarbeit mit seinen Nachbarn – insbesondere mit Pakistan und Iran. Auch dieses Ergebnis werden wir nach Bonn tragen.
Warum dann so eine große symbolische Konferenz, wenn die kleinen die Erfolge zeitigen?
In Bonn müssen diese einzelnen Bausteine zusammengefügt werden. Das Hauptsignal der Konferenz soll sein, dass wir als internationale Gemeinschaft Afghanistan auch nach dem Abzug der internationalen Kampftruppen Ende 2014 nicht im Stich lassen und langfristig engagiert bleiben werden.
Die erklärte Nachhaltigkeit muss glaubwürdig mit Taten unterlegt werden. Das große Interesse an Bonn zeigt: Das, was wir in Afghanistan tun, ist nicht nur ein deutsches Unternehmen, sondern eines der gesamten internationalen Gemeinschaft.
In welchen Bereichen werden wir uns engagieren?
Erstens: Die internationale Gemeinschaft wird auch über 2014 hinaus afghanische Sicherheitskräfte aus Armee und Polizei ausbilden, damit sie selbst für die Sicherheit im Land sorgen können.
Zweitens geht es um die fortgesetzte Förderung von Infrastruktur, Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft oder Verwaltung. Drittens müssen wir die regionale Wirtschaft fördern und zum Beispiel die Energieversorgung, den regionalen Verkehr und Handel voranbringen.
Lockt Deutschland die Perspektive, dass sich mit Afghanistans Bodenschätzen und Seltenen Erden Geld verdienen lässt?
Afghanistan muss ökonomisch auf eigene Füße kommen. Potenzielle Investoren haben der afghanischen Regierung gesagt, was sie brauchen,um zu investieren – unter anderem eine ausreichende Infrastruktur, ein intaktes Rechtssystem für Streitfälle und Investitionssicherheit. Daran muss die afghanische Regierung arbeiten.
Auch die Sicherheitslage ist noch nicht so, dass überall investiert werden kann. Unternehmen denken in längeren Zeiträumen. Ein Bergbauunternehmen benötigt etwa zehn Jahre, bis eine neue Mine produktiv arbeitet. Deshalb ist es wichtig, die Bedingungen für langfristiges Engagement zu schaffen.
Haben die Afghanen begriffen, dass die Bodenschätze das Fundament künftigen Wohlstands sein können?
Psychologie ist auch in Afghanistan ein ganz wichtiger Faktor – nach 30 Jahren Krieg und Bürgerkrieg weiß eine ganze traumatisierte Generation nicht mehr, was Frieden ist. Diesen Menschen müssen wir die Zuversicht geben, dass sie auch nach dem Abzug der internationalen Kampftruppen nicht im Stich gelassen werden. Dass es eine Alternative zu Krieg und Bürgerkrieg gibt. Dann kann auch der wirtschaftliche Wiederaufbau gelingen. Das Potenzial der Bodenschätze wird auf 2,2 Billionen Euro geschätzt; Lithium – für Autobatterien – ist hier ein Stichwort. Bei der Ausbeutung der Vorkommen muss Transparenz bestehen. Das Land und die Menschen müssen von der Erschließung der Bodenschätze profitieren.
Was sind die deutschen Interessen?
Entscheidend ist letztlich die Rolle wirtschaftlicher Entwicklung als Beitrag zur Stabilisierung des Landes. Hier kann die Wirtschaft dazu beitragen, eine Rolle bei der Schaffung einer stabilen Zukunft für Afghanistan zu übernehmen. Präsident Karsai betont in diesem Zusammenhang stets, wie interessiert die Afghanen gerade an europäischen und deutschen Investitionen sind.
Aber Wirtschaft allein reicht nicht aus, sie ist Teil eines großen Ganzen. Integraler Bestandteil unseres Gesamtkonzepts ist politisch ein innerafghanischer Versöhnungsund Demokratisierungsprozess.
Steht der Truppenabzug 2014? Wie groß ist die militärische Schlagkraft der Taliban?
Das Datum ist international vereinbart, bis 2014 werden die internationalen Kampftruppen abgezogen sein. Wir reduzieren schrittweise und bilden parallel dazu afghanische Streitkräfte aus, die unsere Rolle übernehmen. Die Taliban haben gegenüber 2009 an militärischer Schlagkraft verloren. Sie sind nicht überall, aber in vielen Gebieten zurückgedrängt. Deshalb setzen die Taliban nicht mehr so sehr auf militärische Aktionen, sondern auf Anschläge, auf die Ermordung von Politikern. Das ist letztlich nicht militärisch, nicht durch Soldaten zu verhindern. Frieden muss das Ergebnis eines innerafghanischen Versöhnungsprozesses sein. Solange wir hier nicht weit genug sind, müssen wir, so traurig das ist, auch weiterhin noch mit Anschlägen rechnen.
Ist Präsident Karsai der richtige Mann für den Versöhnungsprozess?
Er steht dazu, weil er – wie die internationale Gemeinschaft – weiß: es gibt keine militärische Lösung in Afghanistan. Wir brauchen zwar den militärischen Druck, aber letztlich ist eine politische Lösung unabdingbar.
Sie wird Geduld erfordern, und für den Weg dahin muss die internationale Gemeinschaft den Afghanen Zuversicht geben. Das ist die Aufgabe für Bonn.
Fragen: Claudia Lepping. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Stuttgarter Nachrichten.