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„Partner in harten Zeiten“ - Harald Leibrecht in der FR

19.07.2011 - Interview

Namensartikel von Harald Leibrecht, Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit, in der Frankfurter Rundschau

Die USA sind und bleiben Deutschlands engster Partner außerhalb Europas. Dieser Grundsatz deutscher Außenpolitik hat heute ebenso Bestand wie vor zwanzig oder fünfzig Jahren. Die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA, Deutschland und Kanada sind über Jahrzehnte gewachsen, sie sind eng, und sie sind belastbar. Das verbindet uns genauso wie historische Erfahrungen und gemeinsame Werte.

Ich bin im amerikanischen Chicago geboren und in Deutschland aufgewachsen. Zwei meiner Brüder leben mit ihren Familien in den USA. Und sie leben nicht nur dort, sie sind Amerikaner. Ich würde sagen, sie fühlen und denken zu 90 Prozent amerikanisch. Und was sie denken, über das Leben, die Welt und eben auch über die Politik, das sagen sie mir – ungeschminkt und unverblümt. Über unseren engen familiären Kontakt hinaus bleibt so für mich ein Fenster mit direktem Blick nach Amerika geöffnet. Aber nicht nur dadurch: Ich habe gute Freunde in den USA und Kanada, war als Kind oft dort und habe natürlich durch meine Arbeit diverse Kontakte. Ich weiß, wie eng Deutschland und die USA, Deutschland und Kanada – insbesondere auf der Ebene der Zivilgesellschaften – miteinander verwoben sind. Ich weiß aber auch um das, was uns trennt. Die Amerikaner sind nicht einfach „andere Europäer“. Und wir sind nicht „andere Amerikaner“. Das möchte ich hier wie dort erklären.

Entscheidend für die Beziehungen zwischen Nordamerika und Deutschland sind unsere Gemeinsamkeiten: Tausende deutscher Schüler verbringen jedes Jahr ein „High School Year“ in den USA und Kanada, deutsche und amerikanische Studierende besuchen die Hochschulen des jeweils anderen Landes. Die USA sind für Deutschland der wichtigste Handelspartner außerhalb der EU. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der USA in Europa. Gemeinsam erwirtschaften die USA, Kanada und die EU über 50 Prozent des weltweiten BIP. Wo immer Deutschland sich international engagiert, tun wir dies in enger Kooperation mit unseren Partnern auf der anderen Seite des Atlantiks. Wir setzen uns gemeinsam für die Stabilisierung Afghanistans, gegen eine nukleare Bewaffnung des Iran, für Frieden in Nahost und für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in der arabischen Welt ein.

Unsere Gemeinsamkeiten stehen unter neuen Vorzeichen. In einer zerbrechlicher wirkenden Welt, vor dem Hintergrund von Regimestürzen in der arabischen Welt und der andauernden Wirtschafts- und Finanzkrise wollen und müssen die USA zunehmend Verantwortung abgeben. Sie sind angewiesen auf Partner, die fähig sind, Führungsrollen anzunehmen und auszufüllen. Und sie schauen nicht mehr automatisch nach Deutschland und Europa. Viele nordamerikanische Entscheidungsträger haben einen persönlichen Bezug zu Lateinamerika und Asien, aber nicht zu Europa.

Für Deutschland bedeutet das: Einerseits sind wir in der Pflicht, unserer Verantwortung als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und größter Staat in der Europäischen Union nachzukommen. Das wissen wir, das wollen wir, das tun wir nach bestem Wissen und Gewissen, und das fordern die USA auch zu Recht von uns ein. Was diese Verantwortung aber für Deutschland bedeutet, wie wir sie interpretieren vor dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte und Werte, das dürfen und müssen wir selbst entscheiden. Oftmals sind wir uns darin einig mit den USA, und manchmal sehen wir die Dinge anders. Für unsere Sicht auf die Welt und für Verständnis darum müssen wir werben – bei den amerikanischen Entscheidungsträgern und den Menschen im Land, gleich, ob sie nun zuerst Richtung Atlantik, Pazifik oder Lateinamerika schauen.

Die US-Regierung schaut auf Deutschland, das hat Obama zuletzt deutlich gemacht, als er für die Kanzlerin ein Staatsbankett ausrichtete und ihr mit der Freiheitsmedaille die höchste zivile US-Auszeichnung verliehen hat. Nordamerika und Europa, Nordamerika und Deutschland können als transatlantische Partner das 21. Jahrhundert entscheidend mitgestalten.

Das gilt natürlich für die Außen- und Sicherheitspolitik. Es muss aber in der jetzigen Finanzkrise, in dieser Zeit harter weltweiter wirtschaftlicher Konkurrenz insbesondere auch für Wirtschafts- und Finanzpolitik gelten. In Zukunftsthemen wie „E-Mobility“ und „Green Technology“ entstehen neue Standards und Industrien. Durch enge transatlantische Kooperation können wir unsere Wirtschaftskraft bündeln und gemeinsam mehr erreichen. Und es gilt genauso für gesellschaftspolitische Fragen wie Integration, die demographische Entwicklung oder das Schaffen von Arbeitsplätzen. Wir stehen hier vor ähnlichen Herausforderungen, wir teilen viele gemeinsame Werte und wir möchten voneinander lernen – durch neue Netzwerke, zwischen Städten und Regionen, zwischen Forschungseinrichtungen und Universitäten. Aber letztlich immer: zwischen Menschen.

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