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Interview: Michael Steiner zum Thema Terrorismus und zur Lage in Südasien

04.05.2011 - Interview

Im Interview mit SWR2 analysiert der Sonderbeauftragte für Afghanistan und Pakistan, Botschafter Michael Steiner, die Situation in Afghanistan und Pakistan nach dem Tod von Osama bin Laden. Gesendet im Südwestrundfunk am 04.05.2011.

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Für wie glaubwürdig halten Sie, dass Pakistans Führung nichts gewusst haben will vom offensichtlich jahrelangen Aufenthaltsort bin Ladens?

Also, es gibt da offensichtlich Fragen, das kann man ja nicht Abrede stellen. Aber es ist gut, dass die pakistanische Regierung selbst ja öffentlich gesagt hat, sie wolle zur Aufklärung beitragen – der Botschafter hat das angekündigt. Und da ist es natürlich wichtig, dass wir auch Antworten erhalten werden.

Es gibt ja Hinweise darauf, dass der Geheimdienst oder die Armee Pakistans, dass beiden nicht so sehr zu trauen ist. Wie ist dann eigentliche eine verlässliche Zusammenarbeit zwischen westlichen Diensten und denen dort überhaupt möglich?

Ja, ich sagte ja, es gibt hier Fragen. Auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass Pakistan selbst Opfer des Terrors ist. Im letzten Jahr gab es dort 2.900 Tote bei Anschlägen. Also, Pakistan ist selbst betroffen. Aber Sie haben Recht, wir brauchen Antworten auf Fragen, die auf der Hand liegen.

Also, glaubwürdig ist es für Sie nicht?

Das will ich jetzt nicht voreilig bewerten. Aber die Untersuchung muss zu konkreten Antworten führen.

Pakistan gilt ja geradezu als Schlüsselland für die Befriedung Afghanistans. Das deutet sich schon im Titel Ihrer Funktion an. Inwieweit müssen wir befürchten, dass dieses Land, das nebenbei bemerkt ja auch Atomwaffen besitzt, zu einem failing state wird – einem zerfallenden Staat mit unklaren Machtstrukturen?

Also, wir sagen ja, und wenn ich wir sage, meine ich die ganze internationale Gemeinschaft, dass in Pakistan dringende grundlegende Reformen wichtig sind und durchgeführt werden müssen im politischen System, aber genauso im wirtschaftlichen System. Auf der anderen Seite brauchen wir Pakistan als den entscheidenden wichtigen Nachbarn für Afghanistan. Und ich glaube, dass Pakistan auch im Eigeninteresse hier an einer konstruktiven Lösung mitwirken muss.

Was tun wir denn dafür, dass Pakistan stabilisiert wird, in dem Sinne, den Sie jetzt beschrieben haben?

Wir tun da eine ganze Menge. Wir sind Vorsitzender in einer Gruppe, die sich nennt: „Die Freunde des demokratischen Pakistans“. Wir sind auch immer wieder dabei, Pakistan einzubinden. Ich selbst hatte Pakistan eingeladen, und sie sind auch gekommen in Form der Staatsministerin auf das letzte Treffen der internationalen Kontaktgruppe. Wir versuchen, Pakistan einzubinden, wir brauchen Pakistan als konstruktive Kraft in Afghanistan. Aber nicht nur in Bezug auf Afghanistan. Man darf nicht vergessen, dass Pakistan das zweitgrößte muslimische Land ist, ein sehr großes Land, das selbst als Stabilitätsfaktor natürlich beitragen muss für die Stabilisierung der Region.

Für wie wahrscheinlich halten Sie denn, dass der Terrordruck von Pakistan aus ist, insbesondere aus diesem berüchtigten Grenzgebiet, erst mal noch wächst auf Afghanistan?

Also, ich glaube zunächst einmal, haben wir allen Grund, Genugtuung darüber zu empfinden, dass der internationale Terrorismus Al Kaida seine Galionsfigur verloren hat. Das ist von symbolischer Bedeutung, die man nicht unterschätzen darf.

Dennoch hat gestern ein pakistanischer Insider in der FAZ gesagt, er rechne im Gegenteil damit, dass sich der Hauptkriegsschauplatz im Kampf gegen den Terror von Afghanistan nach Pakistan verlagere. Halten Sie das auch für möglich?

Ich glaube, wir müssen hier unterscheiden: das, was in Afghanistan passiert und das, mit dem wir konfrontiert sind in Pakistan. In Afghanistan geht es ja um eine Insurgenz, hier geht es ja um Aufständische, die im Rahmen der internationalen Aktion bekämpft werden. Hier geht es auch als Hauptgegner um Taliban, die kann man nicht in einen Topf werfen, mit dem internationalen Terrorismus, mit Al Kaida.

Da wird differenziert zwischen gemäßigten und besonders aggressiven.

Nein, es geht nicht um Gemäßigte, sondern da haben ja eine Kampfsituation, auf die wir auch anders reagieren müssen als in der Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus.

Könnte es denn sein, dass vor dem Hintergrund dieser Kampfsituation, von der Sie sprechen, die Abzugspläne auch der Bundeswehr noch mal Makulatur werden?

Das glaube ich deswegen nicht, weil wir ja einen Plan haben. Wir beginnen in diesem Sommer mit der Übergabe der Sicherheitsverantwortung, die soll abgeschlossen werden Ende 2014 in ganz Afghanistan. Und im Zuge dieser Übergabe wollen wir ja auch das Bundeswehrkontingent verkleinern, sodass wir zum 31. Dezember 2014 keine Kampftruppen mehr in Afghanistan haben, und dafür haben wir auch unsere Ausbildungsanstrengungen enorm erhöht. Aber ganz wichtig ist dann auch, dass wir nicht den Fehler von 1989 wiederholen und langfristig in Afghanistan jenseits internationaler Kampftruppen engagiert bleiben.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung des SWR. Fragen: Rudolf Geissler

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