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Außenminister Westerwelle im Interview mit der Berliner Zeitung/Frankfurter Rundschau zum NATO-Einsatz in Libyen

14.04.2011 - Interview

Das folgende Interview mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle erschien am 14. April in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau. Die Fragen stellte Damir Fras.

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Herr Westerwelle, von heute aus gesehen: War die deutsche Enthaltung zur Libyen-Resolution im UN-Sicherheitsrat Ausweis hoher Staatskunst?

Es war eine schwierige Abwägungsentscheidung. Wir hatten unsere Bedenken hinsichtlich einer militärischen Intervention. Doch die Resolution wurde beschlossen, und jetzt ist sie geltendes internationales Recht, das alle bindet.

Aber eine Enthaltung ist doch keine Haltung.

Wir hatten Zweifel am militärischen Kampfeinsatz. Die übrigen Ziele der Resolution aber teilen wir. Dem System Gaddafi muss Einhalt geboten werden. Deswegen haben wir von Anfang an auf scharfe Sanktionen gegen Libyen gesetzt. Mittlerweile ist ein umfassendes Öl- und Gas-Embargo zustande gekommen – auch weil wir Deutsche so gedrängt haben.

Das erklärt aber nicht, warum Sie die Bundesrepublik aus dem westlichen Bündnis herausgelöst und an die Seite von Russland und China gestellt haben.

Sie vergessen Brasilien und Indien. Hätten wir zugestimmt, wäre Deutschland als größtes europäisches Nato-Land erst recht unter schweren Druck geraten, sich militärisch zu beteiligen. Wir hätten nicht mehr die Debatte, ob wir Soldaten in Libyen einsetzen sollen, sondern stünden nur noch vor der Frage: Wie viele schicken wir los?

Sehen Sie sich in Ihrer Skepsis über den Nato-Einsatz bestätigt?

Auch der Nato-Generalsekretär sagt doch mittlerweile, dass es in Libyen keine militärische Lösung geben wird, sondern nur eine politische. Das haben wir von Anfang an gesagt. Und genau das steht auch im Vordergrund der Abschlusserklärung von Doha.

Um die Isolierung Deutschlands in der internationalen Gemeinschaft zu überwinden, wollen Sie jetzt die Bundeswehr an der militärischen Sicherung einer humanitären EU-Mission in Libyen beteiligen. Ende des deutschen Sonderwegs?

Wir sind nicht isoliert und einen Sonderweg gibt es auch nicht. Wir nehmen an den Treffen der internationalen Libyen-Kontaktgruppe teil. Die Mehrzahl der EU-Staaten beteiligt sich, wie wir, nicht an den Kämpfen in Libyen. Es ist aber doch völlig klar, dass wir in der humanitären Verantwortung stehen, den Menschen in Libyen bei der Bewältigung der Kriegsfolgen zu helfen. Das haben die EU-Außenminister schon am 21. März so beschlossen. Von einer Kursänderung, wie sie mir die Opposition in Deutschland unterstellt, kann also gar keine Rede sein.

Aber ein Bundeswehr-Einsatz in Libyen, selbst wenn er mit dem Etikett humanitär versehen wäre, ist riskant. In der öffentlichen Wahrnehmung wäre das ein Einsatz mit Bodentruppen, den Sie bislang immer abgelehnt haben.

Nicht so schnell. Erst muss OCHA, die humanitäre Organisation der Vereinten Nationen, um eine militärische Absicherung bitten. Bislang hieß es aus den UN immer, die Hilfslieferungen für Libyen seien ohne militärischen Begleitschutz möglich. Wir sind also in einem politischen Planungsstadium für den Fall, dass die Dinge sind ändern.

Schließen Sie den Einsatz deutscher Bodentruppen in humanitärer Libyen-Mission etwa aus?

Wir werden helfen, wenn OCHA um Unterstützung bei der medizinischen Versorgung der Flüchtlinge bittet. Alles andere sind Spekulationen. Ich will aber betonen: Die militärische Absicherung einer humanitären Hilfslieferung zum Beispiel auf dem Mittelmeer ist etwas völlig anderes als die Beteiligung an einem Kriegseinsatz. Humanitäre Hilfe ist neutral, sie schaut nur auf die Opfer.

Sie haben von der Abzugsperspektive für Afghanistan gesprochen. Steht Ihr Plan noch, die ersten deutschen Soldaten um die Jahreswende 2011/2012 nach Hause zu holen?

Trotz aller Rückschläge ist es ein ermutigendes Zeichen, dass von Sommer an die ersten afghanischen Regionen in die Sicherheitsverantwortung der Afghanen selbst übergeben werden sollen. Und deshalb bleibt es auch bei unserer Absicht, Ende des Jahres erstmals das Bundeswehr-Kontingent zu reduzieren. Immer unter dem Vorbehalt: Wenn es die Lage zulässt.

Aber erst gerade hat es einen Überfall auf das UN-Büro in Masar-i-Scharif gegeben, bei dem sieben UN-Mitarbeiter ermordet worden sind. Nicht einmal in einer der sichersten Städte Afghanistans schaffen es die Afghanen also, selbst für Sicherheit zu sorgen.

Wir befinden uns auf den ersten Metern eines langen Laufs. Aber auch ein langer Lauf beginnt mit den ersten Schritten. Das zeigt nur, dass wir die Afghanen auch nach 2014, wenn die Sicherheitsverantwortung vollständig an Afghanistan übergeben sein sollte, nicht im Stich lassen dürfen.

(...)

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