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Außenminister Westerwelle im Interview mit RBB Inforadio zur Lage in der arabischen Welt
Außenminister Guido Westerwelle gab dem RBB Inforadio am 25. März 2011 das folgende Interview. Die Fragen stellte Michael Castritius:
Frage: Seit gut einer Woche wird Libyen jetzt bombardiert. Sehen Sie sich bestätigt in Ihrer Skepsis?
Außenminister Westerwelle: Jedenfalls wird jeden Tag deutlicher, dass meine Skepsis nicht unbegründet gewesen ist. Aber es geht nicht darum wer Recht oder wer nicht Recht hatte. Es gibt ja auch Lagen wo man sich wünscht, dass die eigenen Bedenken sich durch eine gute Entwicklung zerstreuen. Denn wir sind ja nicht neutral, wir stehen genauso gegen das System Gadhafi. Wir haben allerdings andere Mittel und Wege vorgeschlagen, wie dagegen vorgegangen werden muss. Sehr beunruhigt bin ich durch neuerliche öffentliche Diskussionen, auch seitens europäischer Partner, dass es nicht nur um Libyen gehen könne, sondern auch um andere arabische Herrscher. Ich warne davor, dass wir jetzt in Europa eine Diskussion darüber führen, dass überall dort, in Nordafrika oder in Arabien, wo Unrecht herrscht, jedes Mal eine Militärintervention erfolgen kann. Ich sehe hier wirklich eine sehr gefährliche Diskussion, auch mit sehr schwierigen Folgen für die Region und für die arabische Welt insgesamt.
Frage: Sie haben ja auch angemahnt, dass wer so eine Militäraktion beginnt auch das Ende bedenken soll. Nämlich: Wie kommt man da wieder raus? Und vor allem: Wie kann das politisch weitergehen? Ist das ein Vorwurf eigentlich dann an Frankreich, die USA und Großbritannien, dass sie das Ende nicht bedacht haben?
Ich werfe niemandem etwas vor. Wir haben unsere Abwägungsentscheidung getroffen. Und diese Abwägungsentscheidung kommt zum dem Ergebnis, dass deutsche Soldaten sich an diesem Krieg in Libyen nicht beteiligen werden. Dafür wird man kritisiert. Das ist ja auch eine sehr schwierige, verantwortungsvolle Entscheidung. Andere Länder haben sich anders entschieden. Das respektiere ich. Auch diese Länder haben ganz zweifelsohne keine sachfremden Motive. Aber es geht darum, dass wir natürlich auch immer die Entwicklung in anderen Ländern mit berücksichtigen müssen. In Libyen wird es nur eine politische Lösung geben. Davon bin ich fest überzeugt. Deswegen sollte man sich, wenn man einen solchen Militäreinsatz beginnt, immer von Anfang an darüber Gedanken machen was denn ist, wenn die militärischen Ziele erreicht wurden. Dann muss es um eine politische Lösung gehen. Das der Diktator weg muss, darin besteht überhaupt kein Zweifel. Aber eine politische Lösung ist das, was dann auch nach den Waffengängen erfolgen muss. Daran muss jetzt mit Hochdruck gearbeitet werden.
Frage: Und die nächsten Fälle, Sie haben es schon angedeutet, kommen auf uns zu. In den letzten Tagen gab es vor allem in Syrien eine Zuspitzung. Dutzende Tote, vielleicht über Hundert, wie die Opposition in Syrien sagt durch Schüsse des Regimes auf Demonstranten. Im Jemen eine ähnliche Situation. Heute am heiligen Freitag wird dort wieder mit Großdemonstrationen, und wir befürchten auch mit Ausschreitungen und Gewalt gegen die Demonstranten zu rechnen sein. Wird Deutschland da im Falle eines Falles dann die gleiche Haltung im Sicherheitsrat einnehmen: Wenn von Einfluss genommen werden soll von außen – Enthaltung?
Wie wir uns in bestimmten internationalen Situationen verhalten, besprechen wir öffentlich natürlich erst dann, wenn die Lage da ist. Wir sind genauso beunruhigt und sehr besorgt über die Zuspitzung der Lage im Jemen. Wir verurteilen auch die Anwendung von Gewalt gegen Demonstranten in Syrien. Wir sehen es gleichzeitig nicht als eine Lösung an, dass man jedem arabischen Herrscher jetzt damit droht, dass die internationale Gemeinschaft und Europa jedes Mal militärisch eingreift. Ich weise einfach darauf hin, dass es nicht immer nur um eine Auseinandersetzung zwischen Demokraten und autokratischen Systemen geht. Sondern es geht auch oft genug um Stammeskonflikte und auch dass muss immer berücksichtigt werden. Oder wenn Sie an Bahrain denken, da geht es um eine Auseinandersetzung zwischen Schiiten und Sunniten. Das heißt, hier gibt es auch einen religiösen Hintergrund. Unter dem Strich ist es denke ich wichtig, dass wir klar an der Seite von Demokraten stehen, wenn sie wirklich einen demokratischen Wechsel wollen. Es ist aber auch klar, dass wir nicht in jedem Land in Nordafrika oder im Jemen, wo Unrecht geschieht, wo unerträgliche Gewalt eingesetzt wird, mit militärischen Einsätzen drohen können, geschweige denn, dass wir sie durchführen.
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