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Interview: Außenminister Westerwelle zum Euro-Schutzschirm und zum Bundeswehr-Engagement in Afghanistan (Tagesspiegel)

16.01.2011 - Interview

erschienen am 16.01.11

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Zur Stabilisierung des Euro haben die EU-Länder vergangenes Jahr einen Rettungsschirm von 750 Milliarden Euro aufgespannt. Ist dieser Schirm groß genug?

Es handelt sich nicht etwa um direkte Zahlungen, sondern um Bürgschaften, die es betroffenen Staaten wie Griechenland möglich machen, sich auf dem Kapitalmarkt zu finanzieren. Der Rettungsschirm ist bisher nur zu einem geringen Prozentsatz genutzt worden. Deshalb gibt es aus Sicht der Bundesregierung derzeit keinerlei Bedarf zur Aufstockung. Die Wortmeldung des EU-Kommissionspräsidenten Barroso …

der in dieser Woche gesagt hatte, eine Aufstockung sei nötig …

… habe ich nicht verstanden. Wenn ein Schirm nur zu einem kleinen Teil genutzt worden ist, dann gibt es auch keine Veranlassung, über eine Ausweitung zu diskutieren. Gerade hat Portugal seine Staatsanleihen auf dem Finanzmarkt platzieren können. Wir sollten die gewonnene Zeit nutzen, um strukturelle Veränderungen als Lehren aus der Krise zu vereinbaren.

Was heißt das?

Wir haben keine Krise des Euro, sondern eine Schuldenkrise einiger Mitgliedstaaten. Wir werden immer wieder in Schwierigkeiten kommen, wenn die Länder Europas nicht energisch auf den Weg der Haushaltskonsolidierung einbiegen. Wir haben in einem Kraftakt in Deutschland die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert. Das macht Regierungen, wie wir beim Sparpaket im letzten Sommer gesehen haben, nicht nur beliebt. Dennoch ist dieser Weg ohne Alternative für die Stabilität. Deshalb plädiere ich dafür, dass auch die anderen EU-Staaten eine Schuldenbremse in ihren Verfassungen verankern. Solide Haushaltsführung muss überall in Europa zur Selbstverständlichkeit werden.

Wie wollen Sie das durchsetzen?

Wir Deutschen sind solidarisch, aber Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wer Hilfe will, muss auch bereit sein, zu Hause für solide Staatsfinanzen zu sorgen. Dass die Spekulationswellen der letzten Monate so großen Schaden anrichten konnten, liegt auch daran, dass die Fundamente der Haushalte durch zu viele Schulden sandig geworden sind.

Was muss sich in Europa noch ändern, damit der Euro auf Dauer stabil bleibt?

Die Stabilität einer Währung hängt von der Wettbewerbsfähigkeit und Kraft der Volkswirtschaften ab, die sie tragen. Jedes europäische Land muss sich bemühen, seine Realwirtschaft so wettbewerbsfähig zu erhalten, dass der Euro nicht leidet. Wir brauchen eine stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik in Europa, die darauf achtet, dass die Investitionsquoten für Bildung, Forschung und Infrastruktur der einzelnen Mitgliedsländer in einem gesunden Verhältnis zu den konsumtiven Ausgaben stehen.

Diese Woche hat das Kabinett ein Mandat zur Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes beschlossen, bei dem ein Beginn des Abzugs deutscher Soldaten für 2011 in Aussicht gestellt wird. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sagt gleichzeitig, ob der Abzug 2011 oder in einem anderen Jahr beginnt, sei „wurscht“. Was gilt denn nun?

Es ist von großer Bedeutung, welche Perspektive wir für den Abzug unserer Soldaten entwickeln. Deshalb hat die Bundesregierung in ihrem Mandat die Zuversicht ausgedrückt, dass es uns Ende 2011 erstmals gelingt, die Präsenz der Bundeswehr zu reduzieren. Dass ein solcher Schritt immer unter der Voraussetzung stehen muss, dass es die Lage vor Ort dann auch erlaubt, ist selbstverständlich. Unsere Soldaten sollen nicht länger in Kampfeinsätzen in Afghanistan bleiben, als es unbedingt notwendig ist. Es wird in Afghanistan keine militärische, sondern nur eine politische Lösung geben. Einen Zeitplan vorzulegen und dazu zu stehen, ist auch für das Engagement der afghanischen Regierung zur Übernahme der Verantwortung entscheidend. Wir unterstützen Präsident Karsai bei dem Ziel, die volle Sicherheitsverantwortung bis 2014 selbst zu übernehmen. Danach soll es keine deutschen Kampftruppen mehr in Afghanistan geben.

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