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Interview: Guido Westerwelle im Deutschlandfunk zu seiner Balkan-Reise

26.08.2010 - Interview

Herr Westerwelle, Deutschland gilt in allen Balkan-Staaten gleichsam als Großmacht. Ob das nun richtig oder falsch ist - was bedeutet das für Sie, für Ihr Auftreten bei dieser Reise?

Das sind nicht meine Begriffe, aber natürlich dürfen wir auch unsere Bedeutung hier auf dem westlichen Balkan, die deutsche Bedeutung nicht unterschätzen. Umgekehrt dürfen wir in Deutschland auch die Bedeutung vom westlichen Balkan nicht unterschätzen. Das ist einmal eine politische Frage, wenn ich daran denke, wie wichtig eine Stabilität auf dem westlichen Balkan ist, auch für uns und unsere europäische friedliche Entwicklung, aber es ist natürlich auch eine wirtschaftliche Frage, denn man darf nicht vergessen, dass auch sehr viele deutsche Unternehmen mittlerweile sehr massiv in den Staaten des westlichen Balkans investieren, und sie wollen ja auch für ihre Investitionen Rechtssicherheit, Investitionssicherheit im gegenseitigen, beiderseitigen Interesse.

Deutschland gilt zum Beispiel als Türhüter für Beitritte in die Europäische Union und die NATO. Gestern haben Sie eine Grundsatzrede gehalten. Alle Balkan-Staaten haben demnach ein Recht darauf, EU-Mitglied zu werden. Das entspricht allerdings der seit Jahren geltenden EU-Beschlusslage. Was also ist daran neu?

Es ist ja wichtig, dass auch gerade ein Land wie Kroatien merkt, dass es unverändert, trotz aller Krisen und Schwierigkeiten, die wir Anfang des Jahres in Europa zu bewältigen hatten, fair auf dem Beitrittsweg behandelt wird. Es gibt ja eine große Sorge, zum Beispiel hier auch bei vielen, die Verantwortung tragen in Kroatien, dass die Krise des Euros die Diskussion über die europäischen Institutionen ausgerechnet die treffen könnte, die hart, solide ihre Arbeiten machen und auch schon erledigt haben. Deswegen war es mir wichtig, auch Kroatien noch einmal die Botschaft zu übermitteln: Wenn ihr die Kriterien erfüllt, wenn ihr weiter auch die Reformen umsetzt - und ihr seid auf allerbestem Weg -, dann gilt das Wort, das euch die Europäer gegeben haben, dann könnt ihr Mitglied der Europäischen Union werden.

Wird es noch mal Beitrittsrabatte geben, siehe Rumänien und Bulgarien?

Nein. Es wird keine Rabatte geben, aber es wird auch keine neuen Hürden geben, gewissermaßen nachträgliche Hürden, die vorher nicht vereinbart worden sind. Man muss mit allen auf dem westlichen Balkan, aber übrigens nicht nur dort, fair und vertragstreu verhandeln. Und ich finde auch, dass das, was Kroatien gezeigt hat in den letzten Jahren an wirtschaftlicher Entwicklung, aber auch wenn ich die Fortschritte sehe bei der Justiz - da ist noch einiges zu tun -, dann sollte das auch nicht vergessen werden. Ich möchte zum Beispiel daran erinnern, dass die offenen Grenzfragen zwischen Slowenien und Kroatien geradezu vorbildlich gelöst worden sind, indem man hier nämlich auch eine Schiedsvereinbarung getroffen hat, und das ist ja ein Modell, das ich auch anderen Staaten des westlichen Balkans, also zum Beispiel Serbien und Kosovo, empfehlen will. Das ist zur Nachahmung zu empfehlen.

Das hat aber lange gedauert!

Das ist wahr, das hat lange gedauert. Aber bitte, erinnern Sie sich daran, wie lange auch Abschnitte in der deutschen Geschichte gedauert haben, und wir haben ja auch unsere Erfahrungen sammeln müssen und oft genug aus einem wirklich schwierigen und auch sehr dunklen Hintergrund. Aber wir müssen eben auch erkennen, wenn es Fortschritte gibt: Europa ist ja nur dann komplett, wenn auch diese Staaten wie Kroatien dabei sind, und wir wollen ja ein Europa haben, das in sich stark ist, weil es auch einen kulturellen, werteorientierten Zusammenhalt hat. Und dass Kroatien an der Küste der Adria, gegenüber von Italien, zu Europa schon geographisch, kulturell, historisch zählt, wer wollte das bestreiten.

Auch für Serbien gibt es keinen Rabatt, wenn wir schon über kulturelle Werte reden. Der gesuchte Kriegsverbrecher Ratko Mladic ist immer noch auf freiem Fuß.

Und das sind beispielsweise Fragen, die zu besprechen sind, und das wissen Sie auch, da ist die Position nicht nur Deutschlands, sondern auch der Europäischen Gemeinschaft, der Europäischen Union eindeutig. Ich habe auch das, was zu besprechen ist, zum Beispiel im speziellen Fall auch für die Frage Serbien-Kosovo, natürlich mit unserer Hohen Repräsentantin in Europa, mit Catherine Ashton, ausführlich besprochen, sodass wir uns natürlich auch hier vor solchen Reisen abstimmen, denn wir wollen ja als Europäer gemeinsam mit einer gemeinsamen Stimme sprechen.

Für mich ist wichtig, dass alle, die nach Europa wollen, erkennen: Europa steht nicht nur für Werte, für Frieden, für wirtschaftlichen Erfolg, sondern Europa zählt vor allen Dingen das Kooperationsmodell zu seinen Prinzipien. Und wer auf Konfrontation setzt, wer Statusfragen aufmachen will, obwohl gerade die internationalen Gerichte erklärt haben, dass dieses nicht notwendig, nicht angemessen und auch in keiner Weise juristisch zu rechtfertigen ist, der hat natürlich dann noch auch einiges an eigener Arbeit zu erledigen, und das werde ich auch meinen Gesprächspartnern vermitteln. Die Statusfrage ist eindeutig!

Sie sprechen das Verhältnis zwischen Belgrad und Pristina an. Muss Belgrad Kosovo anerkennen?

Wir haben, so wie die große Mehrzahl der Staaten in der Europäischen Union auch, Kosovo anerkannt. Der Internationale Gerichtshof hat mit einem Gutachten erklärt, dass nicht nur die Anerkennung, sondern vorher auch schon die Autonomieerklärung rechtmäßig gewesen ist. Wir hatten die Hoffnung, dass es mit diesem Gutachten ja dann auch sein Bewenden haben könnte, und wir sind natürlich nicht erfreut darüber, dass jetzt in New York noch einmal versucht wird, dieses Buch zu öffnen. Für uns ist die territoriale Integrität des Kosovo außerhalb jeder Diskussion.

Warum soll Serbien Kosovo anerkennen, wenn Spanien und die Slowakei zum Beispiel, EU-Mitglieder, Kosovo nicht anerkennen?

Na ja, aber das ist natürlich auch in Europa die Minderheit, und Sie wissen, dass es da oft genug auch Gründe gibt vor dem Hintergrund eigener Minderheiten in den Ländern, die zu dieser Haltung bewegen. Wir werden auch innerhalb der Europäischen Union weiter auf diesem Weg fortsetzen und auch diejenigen, die es noch nicht getan haben, davon überzeugen, dass auch anerkannt wird, und Sie wissen ja, dass das die riesige Mehrheit auch der Staaten in Europa, aber vor allen Dingen auch innerhalb der Vereinten Nationen ist, und das zählt und auf diesem Weg wollen wir fortsetzen.

[…]

(Interview: Gerwald Herter)

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