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Bundesaußenminister Westerwelle im Interview mit der bulgarischen Tageszeitung „Trud“

24.06.2010 - Interview

Mit welcher Botschaft kommen Sie nach Sofia?

Deutschland hat ein großes Interesse an Bulgarien als Partner und Freund in der Europäischen Union. Wir wollen gemeinsam die Zukunft Europas gestalten. Gerade bei den Beziehungen zur Schwarzmeer-Region oder dem Westbalkan kann Bulgarien ein gewichtiges Wort mitreden und seine Erfahrungen einbringen. Auch über die europäische Außenpolitik hinaus haben wir viele gleichgerichtete Interessen, etwa im Bereich Wirtschaft, Energie, Migration oder Tourismus. Aber auch die Kultur verbindet uns – sei es durch die Bücher von Ilja Trojanow oder die Inszenierungen von Dimitar Gotscheff. Das alles ist eine gute Grundlage, um unsere Partnerschaft weiter auszubauen.

Wie sieht man Bulgarien von Berlin aus – als zuverlässigen oder als Problempartner? Teilen Sie die Meinung mancher Kreise, dass unser Land zu früh in die EU aufgenommen worden ist?

Ich freue mich, dass Bulgarien heute genau dort ist, wo es hingehört: In der Europäischen Union. Bulgarien hat sich seit dem Beitritt zu EU und Nato als Partner bewährt. Ich denke an das bulgarische Engagement in Afghanistan oder auch in Bosnien-Herzegowina. Auch mit Blick auf die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Regierung in Sofia die Bereitschaft zu ehrgeizigen Reformen gezeigt. Im Übrigen werte ich es als sehr gutes Zeichen, dass Bulgarien den laufenden Kooperations- und Überprüfungsmechanismus der EU nicht als Bürde empfindet, sondern als Unterstützung für seine eigenen Reformanstrengungen. Das ist der richtige Weg.

Beabsichtigen Sie, die deutschen Investitionen in Bulgarien zu thematisieren? Die Spannung unter den Investoren wächst ja - vorwiegend im Energiesektor. Beispiel E.On protestiert gegen die geplante Strompreiserhöhung.

Ich gehe davon aus, dass wir auch über den Wirtschaftsstandort Bulgarien und die Investitionsbedingungen sprechen werden. Schließlich ist Deutschland einer der führenden europäischen Investoren in Bulgarien und deutsche Unternehmer blicken mit wachsendem Interesse auf das enorme Potential für gemeinsame Projekte. Für die weitere Entwicklung im Energiesektor ist natürlich die zukünftige bulgarische Energiestrategie von entscheidender Bedeutung. Nach meinem Eindruck gibt es bei deutschen Investoren eine große Bereitschaft, sich in diesem Bereich verstärkt zu engagieren.

Premierminister Borisov sprach sich vor kurzem gegen den Bau der Pipeline Burgas aus, er will auch den Bau des Atomkraftwerkes in Belene aufs Eis legen. Sieht Berlin in diesem Zusammenhang einen beginnenden Konflikt zwischen Sofia und Moskau mit negativen Folgen auch für die Beziehungen zwischen Moskau und der EU?

Ich habe hier keine Ratschläge zu erteilen. Ich bin mir vielmehr sicher, dass die bulgarische und die russische Regierung gemeinsame Lösungen für sämtliche offenen Fragen finden können. Die EU und Russland sind strategisch wichtige Partner füreinander. Das versuchen wir zum Beispiel im Sicherheitsbereich ja gerade in konkrete Politik zur Lösung des Transnistrienkonflikts umzusetzen.

Wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise erlebt die EU eine schwierige Zeit. Bundeskanzlerin Merkel hat vor kurzem die Schaffung einer Wirtschaftsregierung unter der Beteiligung aller 27 EU-Mitglieder vorgeschlagen, damit es keine EU-Partner erster und zweiter Klasse gibt. Bulgarien fühlt sich dadurch natürlich fair behandelt, trotzdem muss man sich fragen, ob die EU eine neue bürokratische Struktur braucht? Und ist die Suche nach Rettungsvarianten vielleicht ein Beleg für eine europäische Krise?

Alle EU-Partner arbeiten im Moment Hand in Hand an der Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise. Der EU-Gipfel letzte Woche hat gezeigt, wie sehr die EU-Staaten entschlossen sind, die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen und gemeinsam aus der Krise zu wachsen. Neben der Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und der Reform der Finanzmärkte ist dazu auch eine stärkere Koordination der Wirtschaftspolitiken nötig. Sie auf die Eurozone zu beschränken, würde zu kurz greifen. Die Volkswirtschaften in der EU sind so eng miteinander verflochten, dass wir im Kreis der 27 Staaten zusammenarbeiten müssen, um Ungleichgewichte zu vermeiden. Nehmen Sie den bulgarischen Lev. Er ist seit 1997 erfolgreich an die Mark bzw. heute den Euro gekoppelt. Schon deshalb sollte Bulgarien aktiv an der Wirtschaftspolitik für Europa mitarbeiten.

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