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Rede von Außenminister Guido Westerwelle beim Dinner der Außenhandelskammer Südliches Afrika im Johannesburg Country Club, Milpark

09.04.2010 - Rede

Lieber Herr Boddenberg,
Lieber Herr Möller,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich danke Ihnen sehr für die freundlichen Worte zur Begrüßung und zur Einführung.

Im Namen der gesamten Delegation möchte ich Ihnen sehr herzlich für die Einladung in diesen wunderschönen Club danken und Ihnen nachträglich noch die besten Ostergrüße aus Berlin überbringen.

2010 ist das vielleicht wichtigste Jahr für Südafrika seit der endgültigen Überwindung der Apartheid 1994. Präsident Jacob Zuma selbst hat es vor wenigen Wochen so ausgedrückt.

Ich denke, nicht nur für Südafrika, sondern für uns alle ist 2010 ein entscheidendes Jahr, ein Jahr der Weichenstellungen.

Wir haben gerade erst die schwerste Wirtschafts- und Finanzkrise hinter uns, den heftigsten globalen Abschwung seit der großen Weltwirtschaftskrise 1929.

In Afrika, in Europa, weltweit haben wir noch mit den Folgen zu kämpfen.

In fast allen OECD-Staaten sind die öffentlichen Haushalte in schwere Fahrwasser geraten. Und hier in Afrika hat die Krise dazu geführt, dass der längste Aufschwung in der Geschichte des Kontinents eine spürbare Delle bekommen hat.

Ich kann mir vorstellen, dass gerade Sie als Vertreter der Privatwirtschaft ein Lied davon singen können und den steigenden Druck spüren.

Ich sage aber auch: Es ist Licht am Ende des Tunnels. Das spüren wir in Deutschland, in der EU, aber auch hier in Afrika.

Vor wenigen Tagen erst hat der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, auf einem Wirtschaftsforum in Nairobi unterstrichen, dass im Jahr 2010 das Wachstum auch in Afrika wieder anspringt. „Africa is back“ – so hat er es ausgedrückt.

„Africa is back“ - für manchen Beobachter in Deutschland und in Europa mag das zunächst ungewohnt klingen. Wir nehmen den Kontinent doch allzu oft als Kontinent der Krisen, Konflikte und Katastrophen wahr.

Nach meinen Gespräch in Tansania und heute in Pretoria, aber auch von früheren Reisen, weiß ich: nichts ist falscher als dieses negative Afrika-Bild. Ich gebe zu, manchmal muss man etwas genauer hinschauen, um die Potentiale zu erkennen, um zu neuen Perspektiven zu gelangen.

Aber wenn man sich die Mühe macht, gibt es unendlich viel zu entdecken und zu gewinnen. Deutschland und Südafrika, Europa und sein Nachbarkontinent haben eine Vielzahl gemeinsamer Interessen, Werte und Ziele.

Lassen Sie mich kurz drei Felder der Zusammenarbeit skizzieren, die aus meiner Sicht für das Jahr 2010, aber auch weit darüber hinaus, von entscheidender Bedeutung sind.

Erstens: Gemeinsam müssen wir die wichtigsten sicherheitspolitischen Herausforderungen angehen und den Blick auch auf globale Themen lenken.

Südafrika ist unser strategischer Partner in Afrika. Das gilt besonders für unseren Einsatz für Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent.

Gemeinsam fördern wir im Südsudan den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen durch ein trilaterales Ausbildungsprogramm für sudanesische Richter und Staatsanwälte. Gerade in dieser für den Sudan so wichtigen Phase, in der wegweisende Entscheidungen für das Land anstehen, wollen wir in unseren gemeinsamen Anstrengungen für ein Minimum an rechtsstaatlicher Ordnung nicht nachlassen. Ohne Stabilität und Frieden im Sudan ist die Entwicklung in der gesamten Region gefährdet.

Südafrika ist gerade bei der Lösung der Krise in Simbabwe der zentrale Akteur und Präsident Zuma persönlich immer wieder engagiert. Gemeinsam wollen wir dazu beitragen, dass die in Harare vorgesehene Machtteilung zwischen den unterschiedlichen politischen Gruppierungen funktioniert. Wir wollen eine Regierung in Simbabwe, die alle politischen Kräfte einbindet, eine Regierung, die nicht auf Einschüchterung, Furcht und Verfolgung basiert, sondern Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien achtet.

Auch beim Aufbau einer gesamtafrikanischen Sicherheitsarchitektur arbeiten Deutschland und Südafrika eng zusammen. Sowohl für den regionalen Zusammenschluss SADC als auch für die Afrikanische Union ist Südafrika Motor und entscheidender Antreiber.

Deutschland steht hier an der Seite Südafrikas und unterstützt die Afrikanische Union beispielsweise beim Aufbau eines Operationszentrums in Addis Abeba und bei der Ausbildung somalischer Polizisten in Äthiopien.

Auch in den großen, globalen Themen ist Südafrika unser strategischer Partner auf dem Kontinent. Südafrika ist Partner in den G20, wo wir uns eng über die wichtigsten Fragen der internationalen Finanz- und Wirtschaftsordnung abstimmen. Und gemeinsam arbeiten wir im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen für ein anspruchsvolles Kyoto-Nachfolgeabkommen.

Ich freue mich ganz besonders, dass Südafrika mit dem ehemaligen Umwelt- und jetzigen Tourismus-Minister Marthinus van Schalkwyk einen hervorragenden Kandidaten für das UN-Klimasekretariat in meiner Heimatstadt Bonn vorgeschlagen hat.

Lassen Sie mich zu einem zweiten Feld der Zusammenarbeit kommen, das für Deutschland und Südafrika von zentraler Bedeutung ist: wirtschaftliche Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Südafrika ist Deutschlands mit Abstand wichtigster Wirtschaftspartner in Afrika. Weltweit steht Südafrika auf Platz Sieben der nichteuropäischen Handelspartner Deutschlands. Gleichzeitig sind wir aus Sicht Südafrikas zweitwichtigster Handelspartner weltweit.

Um die 600 deutschen Unternehmen sind in Südafrika aktiv, die zusammen 90.000 Arbeitsplätze geschaffen haben. Automobilbau, Chemie, Maschinenbau und Elektrotechnik sind die Schwerpunkte des deutschen Engagements.

Warum betone ich das so? Weil ich gerade als liberaler Außenminister und Politiker der festen Überzeugung bin: Wirtschaftliche Verflechtung, Investitionen, Handel und Unternehmergeist sind für Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand zentral.

Aber wirtschaftlicher Austausch ist eben auch entscheidend für das friedliche Miteinander der Völker und Nationen - und damit in unserem ureigensten nationalen und europäischen Interesse.

Das gilt umso stärker im Zeitalter der Globalisierung. Wir können die wirtschaftliche Verflechtung damit auch für eine Globalisierung der Werte nutzen. Damit wird die Globalisierung nicht nur ökonomisch für beide Seiten eine Win-win-Situation.

Für mich zählt die Außenwirtschaftsförderung daher zu einem Kernelement einer zukunftsgerichteten Außenpolitik. Das gilt umso mehr für ein Land wie Deutschland, wo der Export, die wirtschaftliche Verflechtung insgesamt einen so hohen Stellenwert genießt.

Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang ausdrücklich danken. Die Arbeit der deutschen Außenhandelskammern mit ihren 120 Standorten in 80 Ländern ist gar nicht hoch genug zu werten. Sie sind Türöffner und Brückenbauer zugleich.

Sie sind Botschafter unseres Landes und unserer Wirtschaft. Ich begrüße ganz besonders Ihr Engagement im Rahmen der Corporate Social Responsibility. Soziale Verantwortung ist für deutsche Unternehmen im In- und Ausland kein Fremdwort, sondern Teil einer modernen, zeitgemäßen Unternehmensphilosophie. Das ist Globalisierung der Werte – ganz praktisch.

Ich möchte Sie ausdrücklich ermutigen, diesen Weg weiterzugehen. Ich bin sicher, dass sich dies auch in der Qualität Ihrer Produkte und letztlich auch in Ihren Bilanzen bemerkbar macht.

Ich sage dies auch im Namen des Kollegen Dirk Niebel, mit dem ich gemeinsam diese Afrikareise unternehme. Meines Wissens übrigens die erste große, gemeinsame Afrikareise eines Außenministers und seines Kollegen aus dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung seit fast zwei Jahrzehnten.

Die Aufgaben, die vor uns liegen, erlauben keine institutionelle Konkurrenz. Im Gegenteil. Wir wollen eine Afrikapolitik aus einem Guss. Das wird sich auch im Afrikakonzept der Bundesregierung niederschlagen, an dem wir gemeinsam arbeiten.

Erst recht gilt dies bei einem Partnerland wie Südafrika, das längst kein klassisches Entwicklungsland mehr ist, sondern ein Schwellenland, das seinerseits Entwicklungshilfe leistet.

Umso wichtiger, dass wir uns auf konkrete Felder gemeinsamen Interesses verständigen, beispielsweise in der Energie- und Klimapolitik und -technologie oder in der beruflichen Bildung. Unsere heute beendeten Regierungsverhandlungen zur Festlegung der zukünftigen Arbeitsschwerpunkte waren wegweisend und sehr ermutigend für die weitere Zusammenarbeit in wichtigen Zukunftsfeldern.

Abschließend möchte ich ein drittes Feld der Zusammenarbeit ansprechen, das mir auch im Rahmen unserer Afrikapolitik sehr am Herzen liegt: die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik.

Wir leben im Zeitalter der Globalisierung. Dies ist kein Zustand, den wir ein- und ausknipsen können wie wir wollen, sondern ein Faktum, mit dem wir wohl oder übel zurechtkommen müssen.

Ich meine, in der Globalisierung liegt eine Riesenchance. Politisch, wirtschaftlich, aber eben auch kulturell. Wo Distanzen schrumpfen, wo Kommunikation grenzenlos funktioniert, da steigt der Wert kultureller Verständigung, steigt der Wert des voneinander und füreinander Lernens.

Genau da wollen wir ansetzen. Mit einer aktiven Förderung der deutschen Sprache, gerade auch in Afrika. Mit der Stärkung unserer Goethe-Institute. Mit der Zusammenarbeit bei Bildung, Wissenschaft und Sport. Ich bin gerade nach meinem Besuch im Wissenschaftspark und im Innovationszentrum tief beeindruckt, wie stark gerade auch Südafrika auf den Ausbau von Hightech, auf Wissenschaft und Innovation setzt.

Wissen ist die entscheidende Ressource im 21. Jahrhundert. Bildung ist die soziale Frage im Zeitalter der Globalisierung.

Das gilt in Europa genauso wie in Afrika. Eine vertiefte Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Innovation ist daher genau der richtige Weg, um die Globalisierungschancen gemeinsam zu nutzen – in Südafrika genauso wie in Deutschland.

Afrika ist im Aufbruch. Die Bevölkerung des Kontinents ist jung, bildungsorientiert und motiviert.

Das amerikanische Magazin Newsweek sprach vor einigen Wochen schon davon, dass Afrika das neue Asien werden könnte.

Eine neue Mittelklasse bildet sich heraus, die mit ihrer wachsenden Kaufkraft die heimische Nachfrage stützt. Die mit ihrem Eifer und ihrer Motivation dafür sorgt, dass immer mehr internationale Unternehmen Afrika als Investitionsstandort entdecken. Und eine Mittelklasse, die politisch teilhaben will und auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit setzt.

Wir wollen diese positiven Kräfte auf dem Kontinent stärken und den Aufbruch Afrikas unterstützen – mit einer Politik, die auf Partnerschaft für Frieden und Stabilität setzt, auf wirtschaftliche Entwicklung und auf kulturelle Verständigung.

In 62 Tagen ist Anpfiff. Südafrika wird Gastgeber sein für die diesjährige Fußball-WM. Die Begeisterung ist bereits heute mit Händen greifbar. Ich bin sicher, diese erste Fußball-WM auf afrikanischem Boden wird ein Riesen-Event, eine einzigartige Chance für das Land, für den gesamten Kontinent.

Lassen Sie uns diese Aufbruchstimmung nutzen, um gemeinsam für einen neuen Blick auf den Kontinent zu werben – jenseits von düsterem Afrika-Pessimismus oder allzu naiver Afrika-Romantik.

Wir brauchen einen realistischen Blick auf Afrika, der die Chancen genauso erkennt wie die vor uns liegenden Herausforderungen. Wenn uns das gelingt, können wir gemeinsam die richtigen Weichenstellungen vornehmen und das Jahr 2010 nicht nur zum „Jahr Eins“ nach der Krise machen, sondern auch zum Jahr des gemeinsamen Aufbruchs.

Vielen Dank.

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