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Staatsministerin Cornelia Pieper im Interview mit dem Tagesspiegel

08.03.2010 - Interview

Das Auswärtige Amt will in einem „Dialog der Kulturen“ vor allem mit Muslimen ins Gespräch kommen. Was kann das für die Frauen bringen?

Unsere Gesellschaft lebt von der Vielfalt. Jeder fünfte Einwohner in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Wir haben 15 Millionen Muslime, die in der Europäischen Union leben. Es ist wichtig, mit anderen Kulturen ins Gespräch zu kommen, vor allem aber auch die Situation von Frauen in diesen Kulturen zu thematisieren.

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang die Kopftuchfrage? Es gibt Vorschläge, nicht nur Lehrerinnen in Schulen das Kopftuch zu verbieten, sondern auch Schülerinnen. Was halten Sie davon?

Ich glaube, dass man mit Verboten nichts erreicht. Die Integration von Andersgläubigen funktioniert nur, wenn man sie sein lässt, wie sie sich selbst verstehen und zu ihrer Religion bekennen. Grundsätzlich ist es die freie Entscheidung jedes Einzelnen. Es steht jedem zu, seine Religion zu leben und zu zeigen. Auch an staatlichen Schulen gilt die Glaubensfreiheit. Und es gibt einen staatlichen Erziehungsauftrag zur Toleranz, der schon im Kindergarten beginnen muss. Dafür müssen wir mehr in Qualität der Einrichtungen investieren. Bis heute haben Erzieher keine Hochschulausbildung.

Dann werden die Erzieherinnen aber besser bezahlt werden müssen. Kein Wunder, dass keine Männer in die Kindergärten gehen.

Diese Investition lohnt sich. Es gefällt mir auch nicht, dass es nur fünf Prozent Erzieher in Kindergärten gibt und nur wenig mehr als Lehrer in Grundschulen. Es geht auch um die Emanzipation der Männer. Es wäre besser, wenn der Erzieherberuf höher geachtet und besser bezahlt würde. Gleichzeitig müssen wir auch mehr tun, damit Frauen in Führungspositionen in anderen Wirtschaftsbereichen aufsteigen können.

In der Wirtschaft wird immer argumentiert, es gäbe nicht genug qualifizierte Frauen. Soll der Bundesverband der deutschen Industrie Kurse für Frauen anbieten, damit sie in Aufsichtsräte einrücken können, wie das der norwegische Wirtschaftsverband bereits tut?

Das ist ein gutes Vorbild. Ich denke aber auch, dass es Zielvorgaben geben muss, die sich Unternehmen selbst geben. Ich halte Mentoringprogramme für besonders gut geeignet, um diese Ziele dann auch zu erreichen. Und die Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie müssen verbessert werden. Das ist ein Thema für die Politik. Aber auch Gewerkschaften und Arbeitgeber sind in der Pflicht, in Tarifverträgen familienfreundlichere Arbeitszeiten zu ermöglichen.

Wie können Sie mit den Mitteln der deutschen Außenpolitik Frauenrechte zum Thema machen?

Die Auslandskultur- und Bildungseinrichtungen können weltweit viele Menschen erreichen. Das ist genau der richtige Ort für diesen Dialog der Kulturen.

Erreichen Sie da überhaupt Frauen? Die gebildeten Schichten sind doch meistens Männer.

Die Frauen sind hungrig nach Wissen, und das weltweit. Wir achten sehr darauf, dass junge Frauen Stipendien bekommen. Durch unsere Bildungsinvestition in Afghanistan haben wir in wenigen Jahren erreicht, dass der Anteil der Studentinnen von null auf 20 Prozent angestiegen ist. Die Investition in Bildung und Kultur ist aus meiner Sicht die beste Friedenspolitik, die wir machen können.

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