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Staatsminister Werner Hoyer im Interview mit Welt Online

05.03.2010 - Interview

In einer innenpolitisch äußerst bewegten Zeit bricht Außenminister Westerwelle am Samstag auf zu einer sieben Tage dauernden Lateinamerikareise, dem längsten Auslandsaufenthalt seit seiner Amtsübernahme: Wie lässt sich das rechtfertigen?

Die FDP will auf vielen Gebieten einen Politikwechsel – auch im Bereich der Außenpolitik und hier gegenüber Lateinamerika. Bundesminister Westerwelle liegt die Region seit langem besonders am Herzen – mir auch. Deutschland ist dort immer noch gut aufgestellt, aber es gibt wichtige Veränderungen, die wir intensiver wahrnehmen müssen. Schon im Koalitionsvertrag haben wir deshalb eine aktivere Lateinamerikapolitik ins Visier genommen.

Wir haben uns um unsere Partner in Lateinamerika, die uns wirtschaftlich und kulturell ja sehr nahe stehen, einfach zu wenig gekümmert – und das ist dort auch so wahrgenommen worden. Spätestens seit dem Kopenhagener Klimagipfel muss aber auch dem letzten klar geworden sein, dass die Frage nach kalkulierbaren und verlässlichen Beziehungen enorm an Gewicht gewonnen hat. Man darf auf gar keinen Fall diejenigen, auf die man sich eigentlich verlassen kann, vernachlässigen.

An welche Länder denken Sie besonders?

Es ist die gesamte Region, obwohl natürlich klar ist, dass es da wichtigere und weniger wichtige Länder gibt. Aber Deutschland hat immer gut daran getan, sich auch um kleinere Länder zu bemühen. So haben wir auch in Zentralamerika etwa einen guten Ruf. Wenn wir daran denken, was Deutschland international noch alles vorhat – auch im Bereich der Vereinten Nationen – ist es auch wichtig, sich der Sympathie kleinerer Staaten zu versichern: Man kann nicht immer nur nach der Wirtschaftskraft und Landesgröße vorgehen.

Was ist mit Brasilien?

Der Wirtschaftsgigant besetzt seit geraumer Zeit auch in der Weltpolitik immer mehr in eine Polposition. Zum ersten Mal spielt ein lateinamerikanisches Land auf der internationalen Bühne eine echte Rolle, so etwa im Zusammenschluss der BRIC-Länder – Brasilien, Russland, Indien und China. Eine solche außenpolitische Führungsrolle hätte man sich vor zehn Jahren noch nicht vorstellen können. Brasilien ist heute für die Bundesrepublik jedenfalls ein umwerfend spannender Partner.

Nimmt dies die deutsche Öffentlichkeit wahr?

Es gibt große Wissenslücken über Lateinamerika: Kaum einer macht sich etwa eine Idee von der Wirtschaftskraft des Raumes um Sao Paulo und dessen Bedeutung für die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft. Kaum einer kennt die Solidität unserer Beziehungen zu Chile oder Kolumbien, oder die guten Kontakte zu Mexiko und auch zu Argentinien. Es gibt fast überall eine Entwicklungsdynamik, die wir noch nicht wahrgenommen haben. Auch deshalb habe ich Westerwelle gedrängt, diese Reise zu machen: Lateinamerika mag in der Vergangenheit viel Zeit verpasst haben, aber nun dürfen wir nicht verpassen, dass der Subkontinent aufwacht.

Die Chinesen haben ihn voll im Visier!

Sie nutzen dort optimal ihre Chancen. Das sollte uns zu denken geben – allein deshalb sollte man da richtig hinsehen!

Sind Sie zufrieden mit der Lateinamerikapolitik der Europäischen Union?

Ich bezweifle, dass Brüssel mehr als Berlin begriffen hat, was in der Region für ein Potenzial steckt und wie in einigen Ländern die Post abgeht! Im Rat wünsche ich mir da auch eine intensivere Beteiligung der großen EU-Länder. Man überlässt die europäische Lateinamerikapolitik gern den Spaniern. Das ist leichtfertig. Sie haben zwar Vorteile wie Sprache und kulturelle Bindung, aber unsere Partnerländer in Lateinamerika müssen es nicht immer gut finden, dass wir immer zunächst auf Madrid verweisen, statt eine eigene Position zu beziehen. Im Gegenteil, gerade für Deutschland, dass über ein engmaschiges Netz von eigenen Beziehungen verfügt, gebietet es sich, eine eigene Linie zu suchen und nicht erst zu warten, bis die Losung aus Madrid kommt.

Auch Herr Gysi bereist Lateinamerika: Acht Länder in drei Wochen – so auch Kuba, Venezuela, Nicaragua, Bolivien und Ecuador.

Ich sehe in der Region schon längst überkommen geglaubte ideologische Muster wieder hoch kommen. Das dies von den deutschen Kommunisten auch gestützt wird, ist logisch. Ich nehme Chávez und seine Freunde ernst: Wer über soviel Öleinnahmen verfügt, kann für manchen armen Schlucker zum interessanten Partner werden. Aber langfristig hat Chávez keine Lösungen anzubieten. Deshalb ist die Zustimmung, die er in manchen Ländern findet, keineswegs stabil. Wenn man außerdem die eigenen Öleinnahmen so wenig nutzt, um das eigene Land voranzubringen, wird irgendwann auch mal die Unterstützung im eigenen Land abbröckeln – und dann ist Chávez nicht mehr so interessant. Bisher aber ist das von ihm gegründete Staatenbündnis Alba durchaus ein relevanter Faktor.

Müssen die enger werdenden Beziehungen Irans zu Venezuela beunruhigen?

Das zeigt nur mit welcher Rücksichtslosigkeit Chávez zu Werke geht: Wer sich solche Freunde holt, der muss sich nicht wundern, wenn er in der Völkergemeinschaft auf große Skepsis stößt. Bei den Kontakten von Brasiliens Präsident Lula zu Iran ist das anders: Er spielt in einer anderen Liga als Chávez und hat beachtliche Beiträge geleistet, um die Stellung seines Landes in der Weltgemeinschaft voranzubringen. Außerdem ist die politische Kultur in Brasilien eine völlig andere als in Venezuela.

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