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Erwartungen an den deutsch-französischen Ministerrat - Staatsminister Werner Hoyer im Deutschlandfunk
Herr Hoyer, Thema Griechenland. Innerhalb von zwei Jahren soll die Regierung in Athen das Haushaltsdefizit von zwölf unter drei Prozent drücken. Gemessen an dieser Aufgabe waren Drakon und Herkules Weicheier. Wie soll Ministerpräsident Papandreou das schaffen?
Das ist eine Riesenherausforderung und ich bewundere unsere griechischen Kollegen, dass sie da jetzt mit einer solchen Entschlossenheit herangehen. Man kann ihnen nur wünschen, dass auch die äußeren Umstände das erlauben werden, denn es ist klar, dass Premierminister Papandreou und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt den Griechinnen und Griechen doch einiges abverlangen müssen, und da die Griechen ein sehr kämpferisches und auch demonstrationsfreudiges Volk sind, wird das auch durchaus schwierig werden.
Einiges abverlangen, das heißt Stellenabbau, Lohnkürzungen, höheres Renteneintrittsalter, Steuererhöhungen und weitere Grausamkeiten. Könnte es passieren, dass sich die Erfinder der Demokratie von der Demokratie abwenden?
Das hoffe ich nicht und das glaube ich auch nicht. Die Griechen wissen, wenn man in den Cafés von Athen oder auf den Inseln, wo man immer sich aufhält, mit ihnen darüber spricht, dass sie natürlich selber sehen: Dieser Beamtenapparat ist einfach viel zu groß geworden, die Entwicklung auf vielen Gebieten der Bürokratie ist außer Kontrolle geraten. Und deswegen ist das, was Papandreou da tut, eine große Leistung, denn er wird ja demnächst sich schon wieder auch gegenüber dem Wähler verantworten müssen - zwar nicht in Parlamentswahlen, aber dann spätestens bei den Kommunalwahlen.
Wie wird sichergestellt, dass die Griechen bei den Zahlen nicht wieder tricksen?
Da wird man genau aufpassen müssen. Die Europäische Union ist natürlich hochgradig alarmiert und sensibilisiert über das, was sich jetzt nachträglich herausstellt, über nicht ganz zuverlässige Zahlen beim Eintritt in die Euro-Zone, und ich bin ganz sicher, dass die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und auch die Mitgliedsstaaten selber aus einem soliden Eigeninteresse heraus sehr genau gucken werden, was in Griechenland passiert.
Werner Hoyer, der Staatsminister im Auswärtigen Amt, im Deutschlandfunk. - Rund 80 deutsch-französische Projekte stehen auf der Agenda 2020. Ursula Welter hat die wichtigsten eben zusammengefasst. Weckt die Bezeichnung „Agenda“ auf deutscher Seite nicht ungute Erinnerungen?
Na ja, man sollte sich davon freimachen, dass in der letzten Zeit der Begriff der „Agenda 2010“ in Deutschland in ein schräges Licht geraten ist, was daran liegt, dass viele, die das Ding damals erfunden haben, heute nicht mehr dazu stehen. Wir haben gesehen beim Klimagipfel in Kopenhagen, was passiert, wenn die Europäer nicht stark genug sind, wenn sie nicht in der Lage sind, ihre Position nachhaltig zur Geltung zu bringen, wie leicht man dann zwischen anderen, sich entwickelnden, immer stärker werdenden Blöcken dieser Welt zerrieben werden kann. Deswegen braucht es eine starke europäische Positionierung, auch eine zukunftsorientierte Positionierung, und die wird nur funktionieren, wenn es zwischen Frankreich und Deutschland klappt.
Herr Hoyer, Thema Wirtschafts- und Finanzpolitik, ein Schwerpunkt. Seit Jahren fordern die Regierungen in Paris eine europäische Wirtschaftsregierung - Gouvernement Economique heißt das da -, eine gemeinsame Institution, die vor allem Wachstum und Arbeitsplätze schaffen soll, gern auch auf Kosten der Währungsstabilität. Bleibt es beim Nein aus Berlin?
Ich glaube, da haben sich die Positionen doch sehr angenähert. Wir haben unterschiedliche Kulturen im Bereich der Wirtschaftspolitik, insbesondere auch der Industriepolitik zwischen Frankreich und Deutschland. Die muss man sehen und respektieren und darf sie auch nicht verwischen. Auf der anderen Seite ist klar, auch uns in Berlin, dass eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitik dringend geboten ist, dass auch wenn es darum zum Beispiel geht, die Situation auf den Finanzmärkten ins Lot zu bringen, es wichtig ist, dass Frankreich und Deutschland sich sehr viel besser koordinieren. Auf der anderen Seite haben unsere französischen Kollegen auch gesehen, dass wir mit dem Euro ein ungeheuer wertvolles Gut in der Hand haben, was wir hegen und pflegen müssen, und dass gerade für Deutschland die Stabilität des Euro überhaupt nicht in Frage stehen darf. Das ist auch in Frankreich respektiert und ich glaube, die Notwendigkeit, zum Konsolidierungs- und Stabilitätskurs zurückzuführen, nachdem jetzt die großen Anschübe im Bereich von Wachstum und Beschäftigung gegeben werden in diesem Jahr, ist auch mittlerweile in Frankreich geteilte Position und deswegen können wir, glaube ich, mit einem guten gemeinsamen Ergebnis aus den Beratungen heute im deutsch-französischen Ministerrat herausgehen.
Gleichwohl gibt es ja auch beim Thema Sparen unterschiedliche Kulturen. Der frühere Finanzminister Peer Steinbrück und Präsident Nicolas Sarkozy sind da ja mal in der Vergangenheit aneinander geraten. Benötigt die französische Regierung eine Schuldenbremse?
Es ist nicht an uns, den Franzosen da Ratschläge zu geben, aber auch die Franzosen haben mittlerweile ganz klar erkannt, dass die Stabilität des Euro nicht durch eine immer weiter galoppierende Staatsverschuldung unterminiert werden darf. Das ist nicht nur im europäischen Interesse, sondern auch im eigenen französischen Interesse, und deswegen nähern sich da die Positionen auch deutlich aneinander an.
Gleichwohl gibt es dort die große Staatsanleihe, le grand emprunt.
Ja. Das ist immer die Frage, wie man Großprojekte in Frankreich auf den Weg bringt. Wir sind da etwas bescheidener. Aber auf der anderen Seite: Bei den großen Herausforderungen setzen wir auch auf große Sprünge, insbesondere wenn es darum geht, Forschung, Technologie, Innovation voranzutreiben. Deswegen ist das auch wieder ein Thema, wo wir mit den Franzosen, glaube ich, aufs Engste kooperieren können in den nächsten Jahren.
Nur nicht beim Sparen!
Beim Sparen kommen die Franzosen, denke ich, auch auf einen sehr viel näheren Kurs, als wir das vor einem Jahr vielleicht noch für möglich gehalten hätten, denn die Gefahren, die in einer ungezügelten weiteren Staatsverschuldung stecken, werden auch in Frankreich zunehmend gesehen.
Herr Hoyer, französische Fachminister sollen künftig auf Einladung an Kabinettssitzungen der Bundesregierung teilnehmen. Wird das nicht etwas peinlich, wenn die arme Frau, oder der arme Mann Zeuge wird, wie Union und FDP gerade wieder einmal streiten?
Ach, ich bitte Sie! Ich glaube, dass das einfach eine sehr pragmatische Lösung eines Streites ist, den wir in den letzten Wochen in den Medien gehört hatten, oder Monaten, wo ständig von einer Konstruktion eines französisch-deutschen Ministers die Rede war, die ja niemand ernsthaft vorgeschlagen hatte, sondern es geht ja darum, wenn konkrete Themen anzusprechen sind, die der Fachminister eines Landes auch sinnvollerweise im Kabinett des anderen Landes vortragen sollte, dann muss diese Möglichkeit auch gegeben werden. Das haben wir jetzt wahrscheinlich, wenn das heute so läuft wie vorgesprochen, erreicht und das können natürlich auch die Beauftragten für die französisch-deutschen Beziehungen, also Kollege Lellouche oder ich machen, und damit haben wir einen sehr pragmatischen Weg gefunden, die beiden Kabinette miteinander zu verzahnen.