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23. Forum Globale Fragen „Global Health. Die Gesundheit der Welt in der internationalen Politik.“ - Begrüßungsrede von Staatssekretär Silberberg

18.03.2009 - Rede


- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Dr. Chan,
Exzellenzen,
Sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestags,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Wir widmen unsere heutiges Forum globalen Gesundheitsfragen, die selbst unter deutschen Experten „Global Health“ genannt werden. Ihr Besuch in Deutschland, sehr geehrte Frau Dr. Chan, war uns dafür ein sehr willkommener Anlass. Der eigentliche Grund ist aber ein hoher Diskussionsbedarf.

Gesundheitsfragen werden zumeist wegen ihres erschreckenden Ausmaßes von der internationalen Politik beachtet. Dies auch zu Recht, um nur einige Beispiele zu nennen:

  • Noch immer sterben täglich mehr als 26 000 Kleinkinder, zum Großteil an eigentlich leicht vermeidbaren Krankheiten.
  • Jede Minute stirbt weltweit eine Frau an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt, weil es keine ausreichende medizinische Betreuung gibt,
  • Zusätzlich problematisch ist die geschlechtsspezifische gesundheitliche Gefährdung von Frauen und Mädchen.
  • 2007 starben über 2 Millionen Menschen an AIDS, bei über 33 Millionen Infektionen weltweit.
  • An Krankheiten wie Tuberkulose, Malaria oder anderen Infektionen wie Flussblindheit, Schlafkrankheit oder Dengue-Fieber leiden und sterben viele Millionen Menschen.

Nicht von ungefähr sind deshalb drei der acht Millenniumsentwicklungsziele ganz unmittelbar auf die Verbesserung der Gesundheit ausgerichtet. Und nicht von ungefähr ist dieser Bereich ein Schwerpunkt deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Wir setzen dabei gezielt bei dem Zusammenhang von Krankheit und Armut an. Unsere weitere Schwerpunktsetzung auf den sicheren Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung zielt ebenfalls unmittelbar auf die Gesundheitsverbesserung ab. Deutschland ist hier weltweit drittgrößter Geber.

Es ist aber vor allem die zunehmende grenzüberschreitende Dimension von Gesundheitsfragen, die diese zu einem zentralen Thema der internationalen Politik machen:

  • Infektiöse Krankheiten breiten sich wegen der zunehmenden Mobilität immer schneller und unvorhergesehener aus. Die SARS-Epidemie vom Frühjahr 2003 und die Ausbreitung der Vogelgrippe im Herbst 2005 waren eine deutliche Warnung, dass die gegenseitige Verflechtung der Staaten und Gesellschaften zu erhöhter Verwundbarkeit durch Krankheiten führt.
  • Pandemien, neue Krankheiten und Bio-Terrorismus werden zunehmend als mögliche Bedrohungen nationaler und internationaler Sicherheit verstanden. Die Verbreitung von HIV-Aids bedroht in manchen Regionen den Zusammenhalt von Gesellschaften und den Erhalt staatlicher Strukturen. Zu Recht hat der VN-Sicherheitsrat im Jahr 2000 dem Thema AIDS in Afrika eine thematische Debatte gewidmet.
  • Pandemien stellen ein beträchtliches Risiko für die Weltwirtschaft dar. SARS hat die Volkswirtschaften Asiens geschätzte 30 Milliarden US‑Dollar gekostet. Die Weltbank schätzt, dass ein schwerer Verlauf einer Grippe-Pandemie die Weltwirtschaftsleistung um über drei Prozent verringern könnte - ein Wert im Bereich der derzeitigen Prognosen zur Finanzkrise.
  • Der Klimawandel schafft neue und unvorhersehbare Bedingungen für die Verbreitung von ansteckenden und nicht-ansteckenden Krankheiten.
  • Die grundsätzliche Machbarkeit von Gesundheit wirft ethische und menschenrechtliche Fragen auf, denn der Zugang zu Gesundheitsversorgung und Medikamenten ist sowohl innergesellschaftlich als auch regional sehr unterschiedlich.

Mit dieser Liste, die sich beliebig verlängern ließe, möchte ich vor allem eines belegen: Globale Gesundheitsfragen berühren zahlreiche und unterschiedliche Politikfelder. Wir dürfen globale Gesundheitsfragen nicht als sektorielle Aufgabe von Gesundheits- und Entwicklungspolitik begreifen, sondern es handelt sich um Außenpolitik im eigentlichen Sinne. Dabei kommt es auf Koordination und Kooperation an – und Patentrezepte gibt es leider keine. Für manche Staaten und Gefahren mag eine nationale Strategie angemessen sein, bei anderen führt nur ein multinationaler Ansatz weiter. Es gibt Herausforderungen, die von nicht-staatlichen Akteuren besser gemeistert werden, andere erfordern staatlichen Einsatz.

Für die Bundesregierung hat die multilaterale Zusammenarbeit in den Vereinten Nationen und ihren Sonderorganisationen besondere Bedeutung. Ganz besonders möchte ich die WHO herausheben. Sie hat die Legitimation, allgemeingültige Standards zu setzen und ist bei globalen Gesundheitsbedrohungen die einzige Organisation, die zu weltweiter Koordinierung legitimiert und auch fähig ist. Unter Ihrer Leitung, sehr geehrte Frau Dr. Chan, steht sie für diesen umfassenden Politikansatz. Die Verabschiedung der Internationalen Gesundheitsvorschriften im Jahr 2005, ein Meilenstein bei der Abwehr globaler Gesundheitsgefahren, wäre ohne die hervorragende Arbeit der WHO undenkbar gewesen. Bei der Bekämpfung von SARS war die koordinierende Rolle der WHO unverzichtbar, ebenso bei der medizinischen Vorsorge gegen eine Grippe-Pandemie.

Wir freuen uns daher sehr, dass Deutschland – aller Voraussicht nach – sehr bald wieder Mitglied im Exekutivrat der WHO sein wird. Ich freue mich sehr über die heutige Teilnahme des „Noch-Kandidaten“ Dr. Ewold Seeba. Sie können ganz sicher sein, dass Deutschland sein starkes Engagement in der WHO fortsetzen wird.

In einigen Bereichen engagiert sich Deutschland in besonderer Weise innerhalb der WHO. Dies sind:

  • Fragen des Zusammenhangs von Klimawandel und Gesundheit und die nötigen Anpassungsstrategien.
  • Die Bekämpfung der Fälschung von Arzneimitteln und das bewusste Inverkehrbringen von gefälschten Medikamenten.
  • Die medizinische Forschung. Nahezu 40 deutsche Forschungseinrichtungen unterstützen als Teil der weltweit rund 200 WHO-Kollaborationszentren laufende Programme der WHO, in denen Informationen, Daten und Wissen für die Staatengemeinschaft verfügbar gemacht werden.
  • Schließlich die Zusammenarbeit mit den G7-Staaten, Mexiko, der EU-Kommission und der WHO in der Global Health Security Initiative. Ziel ist, gemeinsame Strategien zum gesundheitlichen Schutz bei terroristischen Angriffen mit biologischen, chemischen und radio-nuklearen Agenzien zu entwickeln.
  • Ein Thema, dessen sich Deutschland noch stärker als bisher annehmen möchte, ist die Stärkung der Gesundheitssysteme.

Bei seinem internationalen Engagement in Gesundheitsfragen wird sich Deutschland auch weiterhin auf seine Stärken besinnen und diese gezielt einsetzen:

  • So spielen die deutsche Wissenschaft und Wirtschaft im internationalen Vergleich traditionell eine bedeutende Rolle in der Forschung zu Infektions- und Tropenkrankheiten. Auch die große Zahl deutscher WHO-Kollaborationszentren entspricht dieser Tradition.
  • Eine große Stärke ist die hohe Leistungsfähigkeit der forschenden Pharmaindustrie und der Medizintechnik in Deutschland. Unsere Aufgabe als Bundesregierung ist es, die Bedingungen für diese Leistungsfähigkeit zu erhalten und zu fördern. Als Standort einer großen Pharma-Industrie und als ein Staat mit starker humanitärer Tradition ist die Bundesrepublik dabei sowohl am Schutz des geistigen Eigentums als auch am preiswerten Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten stark interessiert. Diese Interessen gilt es sorgfältig auszubalancieren.
  • Schließlich wird auch die bilaterale Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich ihre Bedeutung behalten. Sie lässt sich gezielt auf die Bedürfnisse der Partner zuschneiden und erzielt häufig schneller Arbeitsergebnisse als multilaterale Kooperationen. Der Bundesregierung stehen hier sehr vielfältige und leistungsfähige Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung.

Dass Sie heute so zahlreich erschienen sind, ist ein Zeichen dafür, welche Bedeutung internationale Gesundheitsfragen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und der Zivilgesellschaft beigemessen wird. Ich freue mich besonders, dass das nun schon 23. Forum Globale Fragen wieder so große Resonanz gefunden hat. Seit Gründung im Jahr 1999 setzen wir uns mit ganz verschiedenen Aspekten der Globalisierung auseinander. Es ist vor allem der Versuch, gemeinsam mit anderen Akteuren aus Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft nach Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit zu suchen. Denn längst sind die Zeiten vorbei, in denen Regierungen sich zutrauten, diese Antworten allein zu finden.

Ich begrüße besonders alle Referentinnen und Referenten, die heute mit uns ihr Wissen und ihre Erfahrung teilen. Ich danke Ihnen sehr für Ihre Bereitschaft, mit Ihrer fachlichen Kompetenz zu unserer heutigen Diskussion beizutragen. Seien Sie uns herzlich willkommen!

Besonders danken möchte ich unseren Mitveranstaltern, dem GIGA - Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien und dem Netzwerk Action for Global Health. Sie haben uns bei der Vorbereitung in hervorragender Weise beraten und zahlreiche Anregungen gegeben.

Frau Dr. Chan, ich eröffne hiermit das 23. Forum Globale Fragen und darf Ihnen nun das Wort übergeben.

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