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„Universalität der Menschenrechte – Begründungen und Infragestellungen“

18.01.2008 - Rede

Als Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe geht es mir heute in diesem Gespräch um die theoretischen Grundlagen der Menschenrechte, speziell um den Anspruch auf ihre universale Geltung.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich es begrüßen würde, wenn wir im Ergebnis unseres Gespräches immer noch daran festhielten! Aber ich sage ausdrücklich, selbst das ist keine Vorgabe. Wenngleich es schon von Vorteil sein kann, in theoretische Debatten die konkrete Realität einzubeziehen.

Das Programm ist bewusst akademisch gehalten. Erst in einer zweiten Veranstaltung sollen mit einer breiteren Öffentlichkeit, vor allem auch mit NGO´s und Menschenrechtsaktivisten, die wesentlichen Ergebnisse und die Fragen bei der Umsetzung in konkrete Menschenrechtspolitik und bei unserer Arbeit in den internationalen Gremien diskutiert werden.

Hier und heute gibt es weder Denk- und noch Redeverbote. Auch die Pressevertreter sind in erster Linie als interessierte Mitdiskutanten und Zuhörer hier eingeladen, was nicht bedeutet, dass – vor allem wohlwollende - Artikel über unseren Versuch einer ernsthaften und fundierten Debatte über ein wichtiges Thema verboten wären.

Wie Sie sicher festgestellt haben, ist der Teilnehmerkreis nicht auf die akademisch ausgewiesenen, philosophischen und juristischen Menschenrechtsexperten beschränkt, sondern verschiedene Bereiche übergreifend gewählt worden, wie ein Blick in die Teilnehmerliste zeigt.

Ich bedanke mich ausdrücklich für Ihr Interesse und die so hohe Zahl an Zusagen, der angesprochenen Personen. Gerade uns, die das operative Geschäft in Politik, Redaktionsstuben und Anwaltskanzleien, oft zu erdrücken droht, kann etwas Reflexion nicht schaden.

Allen, Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Kollegen aus dem Auswärtigen Amt, Journalisten, Professoren, Beratern und Mitarbeitern noch einmal ein herzliches Willkommen.

Menschenrechtsschutz ist neben dem Engagement für den Frieden in der Welt das integrierende Wesensmerkmal deutscher Außenpolitik. Und das Ansehen, das Deutschland in der Welt in diesem Bereich hat, lässt die Behauptung gerechtfertigt erscheinen, dass die Politik und speziell Menschenrechtspolitik der Bundesregierung insgesamt auf eine sehr erfolgreiche Geschichte zurückblicken kann, gerade die erste Kanzlerin unseres Landes hat hier eindeutige Akzente gesetzt.

Während meiner Arbeit als Menschenrechtsbeauftragter habe ich aber sehr bald festgestellt, dass es viele Widersprüchlichkeiten gibt bei dieser hoch spannenden Herausforderung im Grenzen überschreitenden Gebiet von Politik, Philosophie, Recht und Moral, inklusive der vielfältigen Randbedingungen, die durch Medien, Religionen, Kulturen, aktive oder unterdrückte Zivilgesellschaften und sogar durch geographische Einflüsse gegeben sind.

Eine meiner Thesen dazu lautet: Man kann nicht dauerhaft gute Politik mit falschen Begründungen machen. Wobei wohl umgekehrt genauso richtig ist, dass widerspruchsfreie Konzepte nicht zwangsläufig eine konsistente oder gute Politik nach sich ziehen.

In der Diskussion heute sollen die intellektuellen Schwachstellen und Unterphilosophisierungen im Bereich der Begründung von Menschenrechten offen gelegt und gedanklich bearbeitet werden. Wenn es gut läuft, gibt es vielleicht sogar einige Kernaussagen auf die wir uns einigen können und mit denen zukünftig weitergearbeitet wird.

In meiner kurzen Einführung will ich sechs relevante Problemkreise nennen, bewusst stichpunktartig und fragend, damit in den Vorträgen und im Gespräch genauer darauf eingegangen werden kann.

  1. Zuerst ist da natürlich die Frage nach dem Begriff der Menschenrechte zwischen moralischem Anspruch und verbrieftem Grundrecht und wie diese Frage mit dem Begriff der Universalität verbunden ist? Dies beinhaltet die Frage nach dem Menschenbild. Es ist deshalb kein Zufall, dass mehrere der Vortragenden auch Theologen sind. Warum sollen wir den Anderen als Anderen oder vielleicht sogar als Rechtssubjekt anerkennen? Wie wichtig ist für eine tragfähige Begründung der transzendente Verweis auf die Gottebenbildlichkeit des Menschen? Was bedeutet es, wenn andere Religionen oder Kulturen solche Argumente in den Menschenrechtsdiskurs einführen?
  2. Wenn wir über Universalität sprechen, ist es m.E. wichtig, sich bewusst zu machen, wo die Idee der Menschenrechte herkommt. Auch wenn wir aus politischen oder anderen Interessen heraus das oft nicht mehr explizit ansprechen, könnte hierin vielleicht ein Grund für beides, die Hybris und das Unterstatement des Westens liegen. Wobei ich hierbei zur Abkürzung „Westen“ vor allem für Europa und Nordamerika sage und damit unser Verständnis der Menschenrechte meine, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte enthalten ist.

    Herr Prof. Menke spricht von drei Etappen in der die Idee der Menschenrechte erzählt wird – vom postulierten „philosophischen Naturrecht“ über die rechtliche Positivierung hin zu völkerrechtlich verbindlichen Pakten.
  3. Damit entsteht als dritter Problemkreis die Frage der Rolle souveräner Staaten beim Schutz der Menschenrechte? Vermutlich wird noch über Jahrzehnte eine effektive Menschenrechtspolitik ohne stabile Staaten unmöglich sein. Vielleicht ist sogar eine Welt mit Zentralregierung ohne Staaten überhaupt nicht wünschbar, wenn man Staaten als „Kulturräume“ versteht (Di Fabio). Damit ist aber unmittelbar unser Verständnis der Universalität der Menschenrechte berührt.
  4. Viertens ist da die Frage nach der Reichweite der Menschenrechte. Inwiefern sind die Menschenrechte ein überall identischer Kanon? Geht es hierbei eher um einen minimalistischen oder maximalistischen Universalismus?

    Oder sind Menschenrechte nur einfach als „Ergebnis eines Prozesses der Erfahrung, des Lernens und der Bildung“ zu verstehen (Rorty)?[3] Das wiederum führt zu zeitlich unterschiedlichen Entwicklungsphasen, in denen verschiedene Staaten und Regionen sich befinden können.
  5. Für den Fall eines nicht überall identischen Kanons, möchte ich als fünfte Frage für unser Gespräch aus der Perspektive der von Menschenrechtsverletzungen Betroffenen einwenden: Was hat es mit Universalität zu tun, wenn es einen Zweiklassenmenschenrechtsschutz mit unterschiedlichen Standards gibt?
  6. Als letzter Fragenkreis, den wir im Gespräch wohl nicht ganz ausblenden dürfen, sei der inhaltliche Umfang der Menschenrechte genannt. Welchen Einfluss auf die universale Geltung der Menschenrechte hat unser Reden von der Unteilbarkeit und Gleichgewichtigkeit aller Menschenrechte? Üblich ist die Einteilung der Menschenrechte in die drei Typen bürgerliche Freiheitsrechte, politische Teilnahmerechte und soziale Teilhaberechte. Wirklich problematisch mit der Universalität wird es m.E., wenn neben den liberalen Freiheitsrechten und den sozialen Rechten noch eine dritte Generation von kollektiven Menschenrechten eingeführt wird.[4]

Ich möchte hier abbrechen und wiederhole noch einmal mögliche Themenkomplexe, die Leitfragen für unser Gespräch bilden könnten. Diese greifen ineinander und können wohl nicht einfach nacheinander abgearbeitet werden. Konzentrieren sollten wir uns auf die unterschiedlichen Nuancen bei der Beantwortung der Fragen nach:

  1. dem Begriff der Menschenrechte und Menschenwürde
  2. der Geschichte der Idee der Menschenrechte
  3. der Rolle des Staates
  4. der Reichweite der Menschenrechte
  5. der Perspektive der Betroffenen und
  6. dem Umfang der Menschenrechte.

Zweierlei sollte deutlich geworden sein: dass es erstens selbst nur für die theoretische Debatte genug Gesprächstoff gibt und zweitens die Vielfalt der möglicher „Bedrohungen“ der Universalität der Menschenrechte. Es reicht nicht, diese Universalität wie eine Monstranz vor uns herzutragen, wir müssen sie neu begründen lernen!

Die Infragestellung der Universalität der Menschenrechte ist keinesfalls auf die kulturrelativistischen Argumentationen menschenrechtsunfreundlicher Staaten beschränkt. Doch selbst denen kann nicht dauerhaft nur mit dem – meist übrigens berechtigten - Vorwurf der Verfolgung Macht stabilisierender Interessen begegnet werden. Übrigens auch deshalb nicht, weil dieses Argument manchmal auch für uns selber zutrifft.

Andererseits ergibt sich ja schon aus der obigen Forderung nach stabilen Staatsgebilden die Frage, welche gemeinschaftlichen Strukturen innerhalb von Staaten dazu notwendig sind. Auch in der Bundesrepublik geht man ja inzwischen davon aus, dass allein Verfassungspatriotismus für den Zusammenhalt einer Nation nicht ausreicht.

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