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Bilanz der deutschen EU-Ratspräsidentschaft

27.06.2007 - Pressemitteilung

In den letzten sechs Monaten wurden wichtige und zukunftsweisende Entscheidungen in der EU getroffen. Allen voran die Einigung auf eine Vertragsreform. Wegweisende Beschlüsse für den Klimaschutz wurden gefasst. Auch international hat die EU ihre Rolle gestärkt: Das Nahost-Quartett wurde wiederbelebt, die Europäische Nachbarschaftspolitik fortentwickelt, und erstmals hat die EU Zentralasien in den Blick genommen.

„Der deutsche Vorsitz hat einen Erfolg errungen, den viele vor einigen Monaten, noch vor einigen Tagen für unerreichbar gehalten hätten. Im Namen Europas danke ich sehr herzlich und freue mich auf weitere gemeinsame Arbeit. Dies zeigt, dass Europa in die richtige Richtung in Bewegung geraten ist. Wir haben uns vor einigen Monaten in Berlin wieder den gemeinsamen europäischen Zielen verschrieben, und wir haben dieses Versprechen heute Nacht eingelöst.“

(Kommissionspräsident José Durão Manuel Barroso nach Abschluss der Verhandlungen zum Reformvertrag am 23. Juni 2007).

Die Bundesregierung hatte es sich zum Ziel gesetzt, während der deutschen Ratspräsidentschaft Transparenz und Handlungsfähigkeit der Union zu stärken und konkrete Entscheidungen zum Vorteil der Bürgerinnen und Bürger in Europa zu fördern. Dies ist gelungen: Das jüngste Eurobarometer belegt eindrucksvoll, dass am Ende der deutschen Präsidentschaft die Zustimmung zur EU den höchsten Wert in 10 Jahren erreicht. 57% der EU-Bürger denkt, dass die Mitgliedschaft ihres Landes in der EU eine gute Sache ist.

Gleichzeitig konnten eine große Zahl wichtiger und zukunftsweisender Entscheidungen in der EU herbeigeführt werden. Die positive Gesamtbilanz der deutschen Präsidentschaft lässt sich in fünf zentrale Bereiche zusammenfassen:

1. Mit der Berliner Erklärung und der Einigung auf eine Vertragsreform ist die Handlungsfähigkeit der Union langfristig gesichert. Auf dem Europäischen Rat im Juni haben sich die Staats- und Regierungschefs auf ein Mandat für die nun einzuberufende Regierungskonferenz verständigt. Das Mandat ist präzise und erlaubt einen zügigen Abschluss noch unter portugiesischer Präsidentschaft. Damit können die Wahlen zum Europäischen Parlament im September 2009 bereits auf einer neuen vertraglichen Grundlage durchgeführt werden.

Im März 2007 wurde auch eine politische Einigung zu den sogenannten Eigenmitteln der Union gefunden. Damit sind alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die EU auf einem soliden Fundament effizienter Entscheidungsstrukturen und einer gesicherten Finanzierung steht.

Der Reformvertrag – Übersicht über die Ergebnisse

Der auf dem Europäischen Rat gefundene Kompromiss eines „Reformvertrages“ sieht eine Änderung des „Vertrages über die Europäische Union“ (EUV) beziehungsweise des „Vertrages über die Europäische Gemeinschaft“ (EGV) vor. Der Name des EGV wird dabei in „Vertrag über die Arbeitsweise der Union“ geändert.

Gleichzeitig ist es gelungen, die wesentlichen Neuerungen des Verfassungsvertrags und damit seine inhaltliche Substanz zu erhalten. In einer Regierungskonferenz werden diese nun in den Reformvertrag eingearbeitet.

Die Grundrechtecharta wird durch einen verweisenden Artikel rechtsverbindlich. Damit konnte der zentrale Fortschritt des Verfassungsvertrags im Bereich des Grundrechteschutzes bewahrt werden. Dieses gilt gemäß einem Zusatzprotokoll allerdings nicht für Großbritannien.

Das institutionelle Paket wurde insgesamt erhalten. Bei der lange diskutierten Frage der Stimmengewichtung im Rat konnte das Prinzip der doppelten Mehrheit erhalten werden. Die qualifizierte Mehrheit wird dann erreicht, wenn für einen Beschluss 55 % der Mitgliedstaaten stimmen, die mindestens 65 % der Bevölkerung der Union repräsentieren. Die Regelung wird 2014 eingeführt werden – bis Ende März 2017 wird es die Möglichkeit geben, auf Antrag nach den 'Nizzaregeln' abzustimmen.

Das Paket umfasst auch die Ausweitung des Anwendungsbereichs der qualifizierten Mehrheit und der Mitentscheidung des Europäischen Parlaments. Durch die Festlegung des Mitentscheidungsverfahrens als Regelverfahren wird das Europäische Parlament zum gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat. Der Kommissionspräsident wird künftig durch das Europäische Parlament gewählt. Die EU wird durch diese Fortschritte demokratischer und transparenter.

Auch die Verminderung der Zahl der Kommissare auf zwei Drittel der Zahl der Mitgliedstaaten ab 2014 stärkt die Handlungsfähigkeit der EU. Das gleiche gilt für das neue Amt eines dauerhaften Präsidenten des Europäischen Rates, das Kontinuität, Kohärenz und Sichtbarkeit der EU-Politik nach innen wie nach außen sicherstellt.

Die Außenpolitik der EU wird durch die Einführung des Amtes eines „Hohen Vertreters der Union für Außen-und Sicherheitspolitik sowie durch den Europäischen Auswärtigen Dienst wesentlich gestärkt. Der Hohe Vertreter wird mehrere Funktionen in sich vereinen: Er wird Vize-Präsident der Kommission für Außenbeziehungen und gleichzeitig den Vorsitz im Rat für Außenbeziehungen führen. Unterstützt wird er durch einen Europäischen Auswärtigen Dienst.

Die wesentlichen Fortschritte des Verfassungsvertrags im Bereich der Sachpolitiken konnten ebenfalls erhalten werden. Diese betreffen neben der Außenpolitik der EU insbesondere die Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität, die Energiepolitik sowie den Bereich Soziales. Zusätzlich wurden neue Bestimmungen für Klimaschutz sowie Energiesolidarität in den neuen Vertrag aufgenommen. Im Bereich Justiz und Inneres wurde die Möglichkeit für diejenigen Mitgliedstaaten, die im Rahmen einer „verstärkten Zusammenarbeit“ vorangehen möchten, erleichtert.

Die bereits im Verfassungsvertrag angelegte Stärkung der Rolle der nationalen Parlamente, insbesondere bei der Subsidiaritätsprüfung, sowie eine verbesserte Kompetenzabgrenzung wurde auf Drängen einiger Mitgliedstaaten noch weiter ausgebaut. Damit wurde wichtigen Anliegen der Bevölkerung, die in der öffentlichen Diskussion während der zurückliegenden Reflexionsphase in einigen Mitgliedstaaten vorgetragen wurden, Rechnung getragen.

Das weitere Vorgehen: Der Europäische Rat ruft zu einer Regierungskonferenz auf, die noch vor Ende Juli 2007 mit ihren Arbeiten beginnen soll. Die portugiesische Präsidentschaft wird einen Vertragsentwurf erstellen und diesen der Regierungskonferenz gleich zu Beginn ihrer Arbeiten vorlegen. Die Regierungskonferenz soll ihre Arbeit so schnell wie möglich, auf jeden Fall jedoch vor Ende des Jahres 2007 abschließen, damit genügend Zeit bleibt, um den hieraus hervorgehenden Vertrag vor den Europawahlen 2009 zu ratifizieren.

2. Die Rolle der EU als globaler Akteur wird immer wichtiger. Dies ist das Anliegen der Bevölkerung an die Politik – und dies spiegelte sich in der Arbeit der deutschen Präsidentschaft. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik wurden gestärkt: Die Schaffung eines zivilen Hauptquartiers im Ratssekretariat wurde beschlossen. Ziel ist ein deutlicher Effizienzgewinn bei der Planung und Führung ziviler Missionen (Afghanistan, Kosovo) und eine vereinfachte Koordinierung zwischen zivilem und militärischem Krisenmanagement. Eine gemeinsame Erklärung über die Kooperation zwischen EU und VN um Krisenmanagement konnte unterzeichnet werden.

Im Nahostkonflikt ist es der EU gelungen, durch die Wiederbelebung des Nahost-Quartetts eine neue Dynamik internationaler Zusammenarbeit zu schaffen. Das Quartett hat Israelis und Palästinenser bei ihren Bemühungen um eine Annäherung nachhaltig gestützt und sie immer wieder ermutigt, in Direktgesprächen zu Fortschritten im täglichen Leben beider Bevölkerungen sowie bei der Verwirklichung einer Zwei-Staaten-Lösung zu gelangen. Die deutsche Präsidentschaft hat sich darüber hinaus besonders für eine stärkere Einbindung arabischer Staaten in die internationalen Friedensbemühungen engagiert und in diesem Zusammenhang erstmals die Arabische Liga und die israelische Außenministerin zum Allgemeinen Rat zu Gesprächen über die Friedensinitiative der Arabischen Liga eingeladen.

Der Kosovo-Statusprozess wurde von der EU aktiv begleitet. Die Lösung der Kosovo-Statusfrage ist entscheidend für die Sicherheit und Stabilität auf dem Westlichen Balkan. Die EU unterstützt geschlossen Präsident Ahtisaari. Sein Vorschlag liefert die Grundlage für eine Statuslösung durch eine neue Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Für deren Zustandekommen setzt sich die EU intensiv ein. Die Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien sind wieder aufgenommen worden.

Mit der vom Europäischen Rat angenommenen Zentralasienstrategie verfügt die EU erstmals über einen politischen Rahmen, der ihre Interessen und Ziele in Zentralasien definiert und der konkrete Bereiche für eine Zusammenarbeit benennt. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat einen Bericht zur Europäischen Nachbarschaftspolitik vorgelegt, in dem sie Ansätze zur Vertiefung der Zusammenarbeit mit den östlichen und südlichen Nachbarregionen vorstellt. Ziel ist, eine Auswahl an Instrumenten zu entwickeln, die dann in jedem Fall individuell auf die Leistungen und Bedürfnisse des jeweiligen Partnerlandes abgestimmt werden können, um Reformprozesse und Modernisierung zu unterstützen. Auch das Verhältnis der EU zu Russland wurde durch konkrete Schritte weiter vertieft: So wurde beispielsweise ein Energiefrühwarnmechanismus geschaffen, und ein Expertendialog zur Investitionssicherheit soll eingerichtet werden. An den Voraussetzungen für die Aufnahme von Verhandlungen für ein modernes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Russland muss allerdings weiter gearbeitet werden.

Die transatlantischen Beziehungen erhielten durch den EU-US-Gipfel am 30. April einen neuen nachhaltigen Impuls: In der Erklärung zur „Förderung der transatlantischen Wirtschaftsintegration“ unterstreichen beide Seiten ihren festen Willen, durch die Angleichung von Standards und die Einrichtung eines Transatlantischen Wirtschaftsrates die EU-US Wirtschaftsbeziehungen weiter zu intensivieren. Der ebenfalls erreichte Abschluss eines Luftverkehrsabkommens wird Austausch und Handel ebenfalls weiter befördern.

In den Beziehungen mit Afrika hat die Präsidentschaft mit ersten Arbeiten an einer EU-Afrika-Strategie ein stabiles Fundament gelegt, auf dem die nachfolgenden Präsidentschaften aufbauen können. Mit Südafrika wurde ein gemeinsamer Aktionsplan abgeschlossen. Ziel ist eine strategische Partnerschaft zwischen der EU und Südafrika. Die EU hat ihre substantielle, finanzielle und logistische Hilfe für die AMIS-Mission in Darfur fortgesetzt und die gemeinsamen Bemühungen von Afrikanischer Union und Vereinten Nationen um eine politische Lösung des Konflikts nachhaltig unterstützt.

Die Beitrittsprozesse mit Kroatien und der Türkei voranzubringen war eines der wichtigsten Anliegen der deutschen Ratspräsidentschaft. Dies ist gelungen. Im Ganzen konnten nun insgesamt 10 Kapitel mit Kroatien und 3 Kapitel mit der Türkei eröffnet werden.

3. Im Bereich der Klima– und Energiepolitik sind die folgenden Beschlüsse hervorzuheben:

  • Reduzierung der klimaschädlichen Emissionen um 20 % bis 2020.
  • Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 2 Grad.
  • Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch auf 20% bis 2020.

Die Absprachen auf dem Gebiet der Energiepolitik und des Klimaschutzes waren ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zu den Vereinbarungen der G8 in Heiligendamm. Die EU kann mit dem Erreichten nun zurecht die Meinungsführerschaft für die anstehenden Verhandlungen über ein Post-Kyoto-Regime beanspruchen.

4. Im Bereich der Justiz- und Innenpolitik hat Europa seine Entschlossenheit bekräftigt, die illegale Einwanderung im Dialog mit den Herkunfts- und Transitländern einzudämmen, und gleichzeitig den Rahmen für Möglichkeiten legaler Migration zu verbessern. Dabei richtet sich der Fokus der EU künftig nicht nur auf das Mittelmeer, sondern auch stärker auf die östlichen und südöstlichen Nachbarregionen.

Der „Prümer Vertrag“ zum verbesserten Austausch von Daten wurde in einen EU-Rechtsrahmen überführt. Damit können Terrorismus und organisierte Kriminalität künftig besser bekämpft werden.

Gleichzeitig werden die Rechte der Bürger bei der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen und durch die Verbesserung des Verbraucherschutzes gestärkt.

5. Die deutsche Präsidentschaft hat der Stärkung der sozialen Dimension in Europa und der Wettbewerbsfähigkeit hohe Priorität eingeräumt. Konkrete Beispiele: Mit der „Roaming“-Verordnung wird europaweit eine preisgünstigere Nutzung des Mobiltelefons ermöglicht. Der gemeinsame europäische Zahlungsraum wird es Unternehmern und Bürger ermöglichen, künftig ihre Zahlungen in Europa genauso schnell, einfach und günstig durchzuführen wie es national bereits als selbstverständlich gilt. Die soziale Dimension der EU wird unterstrichen durch Beschlüsse zur Koordinierung sozialer Sicherungssysteme und die neuen Impulse für eine innovative und präventive Gesundheitspolitik.

Zur Vollendung des Binnenmarktes und zur Besseren Rechtsetzung wurden wichtige Impulse gegeben. Konkret: Einigung zur Errichtung eines Europäischen Technologie-Instituts bis zum Ende 2007, Errichtung eines einheitlichen europäischen Zahlungsraums, Einrichtung eines gemeinsamen europäischen Flugsicherungssystems (SESAR), Unterzeichnung des umfassenden Luftverkehrsabkommens mit den USA – all dies sind wichtige und konkrete Schritte zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der EU.

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